Gustav Scheu
Gustav Scheu, * 7. Oktober 1875 Wien, † 9. März 1935 Wien, Jurist, Kommunalpolitiker.
Biografie
Gustav Scheu war der jüngere Sohn von Josef Franz Georg Scheu, dem Komponisten des "Liedes der Arbeit" (1868 uraufgeführt) und Begründer des Arbeiter-Sängerbundes. Sein älterer Bruder Robert Scheu war als Journalist, Schriftsteller und Essayist tätig.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, das er 1898 mit der Promotion zum Dr. iur. abschloss, wurde Gustav Scheu 1905 Rechtsanwalt und machte sich vor allem in Zivilrechtssachen einen Namen. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs begann er sich auch politisch im Rahmen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zu betätigen und kandidierte im 16. Bezirk auf kommunaler Ebene. Er gehörte zu den Befürwortern der Gartenstadtidee (aufgelockerter sozialer Wohnbau) und war 1917 Mitinitiator des Mieterschutzes.
1918 wurde der Jurist Mitglied des Provisorischen Gemeinderates der Stadt Wien, bei der Gemeinderatswahl 1919 wurde er bestätigt und avancierte zum Stadtrat, damals noch ein 30-köpfiges Kollegialorgan. Als dieser nach einer Änderung der Stadtverfassung 1920 durch einen Stadtsenat (amtsführende Stadträte mit spezifischer Ressortzuteilung) abgelöst wurde, schied Scheu aus dem Gremium aus. Er blieb jedoch bis 1923 Mitglied des Wiener Gemeinderats, der ab 1920 auch als Wiener Landtag fungierte. Der Sozialdemokrat engagierte sich vor allem in der Wohnungspolitik, war aber auch Mitglied des Bauordnungs- und des Disziplinarausschusses sowie des Ausschusses für allgemeine Verwaltungsangelegenheiten. In einem von ihm präsentierten Wohnbaukonzept war vorgesehen, dass die Kommunen die städtebaulichen Aufgaben und die Infrastruktur übernehmen, den Wohnungsbau aber Siedlungsgenossenschaften organisieren sollten.
Scheu war auch Förderer zeitgenössischer Künstler und Architekten; der mit ihm befreundete Adolf Loos entwarf für ihn ein Terrassenhaus in Hietzing, das als "Haus Scheu" (erbaut 1912/1913) in die Architekturgeschichte Wiens eingegangen ist. In diesem Haus verkehrten Persönlichkeiten wie der Maler Oskar Kokoschka, die Schauspielerinnen Elisabeth Neumann-Viertel und Helene Weigel, der Komponist Arnold Schönberg, die Pädagogin und Pionierin der Mädchenbildung Eugenie Schwarzwald oder die Autorin Hilde Spiel. 1928 übernahm der Rechtsanwalt die Verteidigung von Loos, als dieser wegen der "Verführung zur Unzucht" (Strafprozess Adolf Loos) angeklagt war und betrieb mit diesem eine aktive Pressearbeit. Er setzte sich auch früh für den avantgardistischen Komponisten Alban Berg ein und war juristischer Berater der "Universal-Edition". Zudem war Scheu Präsident der Ernst Herzka-Gedächtnisstiftung.
Gustav Scheu war mit der Schriftstellerin Helene Scheu-Riess, die auch in sozialdemokratischen Frauenorganisationen tätig war, verheiratet.
Quellen
Literatur
- Wienbibliothek Digital: Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1962. In: Handbuch der Stadt Wien. Band 77. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1963
- Markus Kristan/Sylvia Mattl-Wurm/Gerhard Murauer [Hg.]: Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente aus der Wienbibliothek im Rathaus. Wien: Metroverlag 2018, S. 160
- Österreichische Akademie der Wissenschaften [Hg.]: Österreichisches biographisches Lexikon 1815−1950. Band 10. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1990, S. 96 f.
- Rathauskorrespondenz, 03.10.1975
- Rathauskorrespondenz, 05.10.1950
- Wolfgang Solt: Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Wien (Wiener Landtages) und des Stadtsenates der Stadt Wien (der Wiener Landesregierung) 1918-1934. Wien: 1995
- Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Scheu, Gustav [Sign.: TP-047810)