Karl Kraus-Wohnung

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Daten zum Eintrag
Datum vonDatum (oder Jahr) von 12. Februar 1912
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 12. Juni 1936
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Stadtplan Wien Kulturgut

Karl Kraus-Wohnung (4., Lothringerstraße 6).

Karl Kraus bezog die Wohnung am 12. Februar 1912 und bewohnte sie bis zu seinem Tod 1936. Zuvor hatte er lange bei seinen Eltern gelebt, auch als er sich bereits als Schriftsteller etabliert hatte. Zunächst in der 1., Maximilianstraße 13 und ab 1900 in der 1., Elisabethstraße 4. Kraus wohnte zwischenzeitlich in der 3., Hetzgasse 4 und von Oktober 1902 bis Ende Juli 1909 in der 4., Schwindgasse 3. Seine erste eigene Wohnung befand sich in der Elisabethstraße 20, eine weitere Wohnung bezog er 1911 in der 1., Dominikanerbastei 22, bevor er in die Lothringerstraße 6 zog.

Zum Bezugsdatum handelte es sich bei dem Gebäude um einen Neubau des Architekten Julius Goldschlager, da dieses 1904 fertiggestellt worden war. Angesichts dessen, dass Karl Kraus finanziell abgesichert war, ein Auto besaß und auch regelmäßig das Flugzeug als Transportmittel nutzte, erschien seine Wohnung, insbesondere sein Büro als sehr klein. Nur selten empfing er Besuch, zumal er sehr darauf bedacht war, sein Privatleben und seine häuslichen Verhältnisse vor der Öffentlichkeit verborgen zu halten. Sein soziales Leben spielte sich überwiegend in Kaffeehäusern ab.

Die Wohnräumlichkeiten

Die Zweieinhalbzimmerwohnung befand sich im Hochparterre und teilte sich in ein großes Arbeitszimmer, ein kleines Schlafzimmer, ein Badezimmer und einen Vorraum auf. Die Küche im Souterrain war durch eine Wendeltreppe über das Vorzimmer sowie das Stiegenhaus begehbar, wurde allerdings zweckentfremdet, indem Kraus sie als Lagerraum für sein Archiv und seine Poststelle nutzte. Stattdessen stand im Badezimmer, das vom Vorzimmer aus begehbar war, ein kleiner Gaskocher. Da Kraus seine Mahlzeiten grundsätzlich außer Haus einnahm, war dieser ausreichend. Lediglich ein Frühstück wurde ihm täglich durch seine Haushälterin Antonie Wallek, die auswärts wohnte und die Wohnung in Ordnung hielt, hergerichtet.

An der Eingangstür im Vorzimmer war ein großer Briefkasten angebracht, in den die Zusendungen seiner Druckerei in Form von Umschlägen mit Druckfahnen der Fackel hineinpassten. Die Post wurde gegen acht Uhr von einem Boten gebracht. Die ganze Wohnung war in den ersten Jahren zumindest teilweise nach Vorschlägen von Adolf Loos eingerichtet worden. Der große Schreibtisch im Arbeitszimmer entstand nach seinem Entwurf, auch einzelne Möbel und die Vorhänge waren auf seine Anregungen zurückzuführen. Das große Arbeitszimmer konnte man vom Vorzimmer aus betreten und verfügte über ein großes Fenster. In diesem befanden sich zudem ein Kachelofen, ein Tisch mit zwei Stühlen, eine ausladende Ottomane, ein großer Ledersessel, Beistelltischchen und Bücherregale. Seine Bibliothek war ebenfalls eher bescheiden und umfasste lediglich etwa 900 Bücher. Vielmehr ließ sich Kraus Bücher aus der Bibliothek besorgen oder lieh sie sich bei Freundinnen und Freunden aus. Das Schlafzimmer war sehr schmal und wurde durch das quer stehende Bett fast gänzlich ausgefüllt. Darüber hinaus passte nur mehr ein großer Sessel, ein großer Kleiderschrank, ein Tisch mit Stuhl und ein "stummer Diener" zum Aufhängen von Sakkos und Hosen hinein.

Fotografien und Bilder

Besonders augenfällig sind die zahlreichen Porträts und Bilder, die in allen Räumen nicht nur an den Wänden hingen, sondern auch auf allen freien Oberflächen von Regalen, Tischen und Kästen aufgestellt waren. Im Korridor hingen zahlreiche Fotografien von Schauspielerinnen und Schauspielern, Autoren und Theaterpublikumskarikaturen. In seinem Arbeitszimmer befanden sich Karl Kraus-Porträts in verschiedenen Lebensaltern, nämlich das Kraus-Porträt von Oskar Kokoschka, eine Lithographie von 1912 und eine Zeichnung, die im Sturm im Mai 1910 erschienen war. Zudem fanden sich Fotos und Bilder von Personen, zu denen er eine besondere Beziehung hatte. Darunter Georg Jahoda, der jahrzehntelang sein Drucker war, Johann Nestroy und seine Freunde Arnold Schönberg, Franz Janowitz, Franz Grüner, Frank Wedekind, Adolf Loos und Peter Altenberg. Natürlich waren auch zahlreiche Frauen unter den Porträtierten vertreten; berühmte Schauspielerinnen wie Adele Sandrock, Irma Karczewska oder seine Geliebten Sidonie Nadherny und Mary Dobrzensky.

Einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Stellenwert nahm hierbei Annie Kalmar ein, Karl Kraus erste große Liebe. Es muss für die vielen nachkommenden Frauen in seinem Leben schwierig gewesen sein, angesichts der Fülle an Annie-Kalmar-Porträts, nicht nur räumlich, Platz in seinem Leben zu finden. Neben kleineren Porträts, die in der ganzen Wohnung verteilt waren, stand ein Porträt von Annie Kalmar auf seinem Schreibtisch, ein großes rundes hing über seinem Bücherregal, ein vergleichsweise ebenso großes hing direkt gegenüber von seinem Bett. Zudem stand in einer Ecke im Arbeitszimmer auf einem Sockel ein Abguss ihres Grabsteins, ein Gipsrelief der Schauspielerin.

Sanierung im Herbst 1934

Zumal Kraus an Verschönerungen seiner Wohnräume uninteressiert war, wurde die Wohnung im Laufe der langen Wohndauer immer abgewohnter. Kraus schien der Zustand der Wohnung zunehmend zu belasten, bis er sich schließlich dazu entschließen konnte, 1934 durch seinen Freund und Architekten Karl Járay eine Renovierung durchführen zu lassen. Eine Grundrenovierung wurde allerdings nicht gemacht, da hierfür die Zimmer ausgeräumt werden müssten, was Kraus wohl nicht erlaubt und Járay sich nicht hätte zumuten wollen. Als Kraus in der Zeit von Mitte September bis Mitte Oktober 1934 seinen letzten größeren Urlaub an die Adria unternahm, ließ Járay eine elektrische Dauerheizung einbauen und alle Fenster abdichten. Ob im Zuge der Renovierung die Wände neu gestrichen oder tapeziert worden waren, ist nicht feststellbar.

Unmittelbar nach Kraus' Tod ließ Járay zudem Fotos der Wohnung anfertigen, um den ursprünglichen Zustand festzuhalten. Auch das Bett wurde, nach seinem Tod unberührt, fotografiert. Später wurde die Wohnung gänzlich umgestaltet. Heute erinnert nur mehr eine Gedenktafel, die an der Fassade des Hauses Nummer 6 zwischen den beiden Fenstern der Wohnung angebracht ist, an den einst berühmten Bewohner.

Quellen

Literatur