MS Enkplatz 4/I
48° 10' 32.05" N, 16° 24' 44.32" E zur Karte im Wien Kulturgut
Neue Mittelschule (öffentlich) Betreuung: Offene Schule. Ganztagsschule in getrennter Abfolge
Die Mittelschule Enkplatz 4/I ist eine öffentliche Mittelschule im 11. Wiener Gemeindebezirk, Simmering. Im gleichen Gebäudekomplex befindet sich die Mittelschule Enkplatz 4/II. Beide Schulen sind historisch eng miteinander verknüpft.
Schulgründung
Im Jahr 1871 wurde am Marktplatz (frühere Bezeichnung des Enkplatzes bis 1894) eine Volks- und Bürgerschule von der Gemeinde Simmering nach Plänen von Baumeister Johann Schneider, der bereits das Schulgebäude von 1865 in der Hauptstraße 76 sowie später das Schulgebäude von 1874 in der Braunhubergasse 3 entwarf, erbaut. Im neuen Schulhaus sollten eine Volksschule und Bürgerschule für Knaben und Mädchen in getrennten Abteilungen Platz finden. Die feierliche Einweihung des Schulgebäudes fand am 24. Oktober 1872 statt.
Der älteste vorhandene Standesausweis liegt nach der Eingemeindung Simmerings in die Gemeinde Wien vor. Die Volks- und Bürgerschule jeweils eines Geschlechtes wurden von einem gemeinsamen Leiter geführt. So leitete im Schuljahr 1891/1892 Direktor Johannes Human die dreistufige Knabenbürgerschule und die Knabenvolkschule. Die Bürgerschule wurde von 320 Schülern besucht, wovon 309 römisch-katholisch, sieben evangelisch und vier jüdisch waren. Es gab drei Parallelklassen der ersten Stufe, zwei Parallelklassen der zweiten Stufe und eine Klasse der dritten Stufe. Die Volksschule besuchten nur 198 Knaben, wovon 193 römisch-katholisch, zwei evangelisch und drei jüdisch waren. Aufgrund der für die damaligen Verhältnisse geringen Anzahl von Schülern gab es nur jeweils eine Klasse für die ersten drei Stufen.
Die Mädchenbürgerschule und Mädchenvolksschule wurden hingegen von Direktor Karl Schuller geleitet. 274 Schülerinnen besuchten die dreistufige Bürgerschule, die ebenfalls drei Parallelklassen der ersten Stufe, zwei Parallelklassen der zweiten Stufe und eine Klasse der dritten Stufe führte. Die Konfessionsverteilung ähnelte jener der Knaben: 261 Schülerinnen waren römisch-katholisch, vier evangelisch und acht jüdisch. Einer von zwei Zeichensälen wurde von den Mädchen als Handarbeitsraum verwendet. Die Volksschule besuchten nur 181 Mädchen, wovon 174 römisch-katholisch, zwei evangelisch und fünf jüdisch waren. Auch hier gab es jeweils nur eine Klasse der ersten drei Stufen.
Zu- und Umbauten
Im Zuge der zweiten Stadterweiterung wurde Simmering 1890/92 als 11. Gemeindebezirk Teil des Wiener Stadtgebietes. Nach der Eingemeindung wurde im Jahr 1892 der Zubau zur Doppelvolks- und -bürgerschule am Marktplatz begonnen und im darauffolgenden Jahr beendet, sodass er zu Beginn des Schuljahres 1893/1894 in Benützung genommen werden konnte. Zudem wurde der Gartenteil, welcher zwischen dem gegen den Marktplatz gelegenen Haupttrakt und dem Turnsaal lag, für den Bau zweier zweistöckiger Seitentrakte benützt. Durch diesen Zubau wurden für die Bürgerschule fünf Lehrzimmer, drei Zeichensäle, zwei Arbeitssäle, zwei Lehrmittelzimmer und eine Schuldienerwohnung gewonnen. Für einen Kindergarten standen fünf Räume zur Verfügung.
Im Jahr 1901 wurden dann ein zweiter Turnsaal sowie eine zweite Schuldienerwohnung hinzugebaut. Anlässlich des Umbaues wurde der Unterricht Ende Juni geschlossen, sodass bereits am 1. Juli mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Um den zweiten Turnsaal zu gewinnen, wurde der vorhandene große Turnsaal, welcher in einem eigenen ebenerdigen Trakt im Garten untergebracht war, durch Aufführung einer Mittelmauer und durch teilweisen Um- und Zubau in zwei Turnsäle geteilt, wobei der beiderseits befindliche Ankleideraum belassen wurde, jedoch die darüber gelegene Galerie abgetragen und das alte Schieferdach durch ein Holzzementdach ersetzt. Die vorhandene Schuldienerwohnung, welche in einem Zubau im Hof untergebracht und wegen ihrer Feuchtigkeit unbewohnbar war, wurde zu einer Wohnung umgebaut, die aus einem Zimmer, einem Kabinett und einer Küche bestand.
Im Jahr 1906 mussten einige Renovierungsarbeiten vorgenommen werden. Die schadhaft gewordene Schieferdachdeckung an der Hofseite wurde durch eine Dachdeckung aus Eternitschiefer ersetzt und der Umbau von acht schadhaft gewordenen Rauchfanggruppen durchgeführt.
Im August 1911 wurden die beiden (bisher fünfklassigen und somit von der Regel abweichenden) Volksschulen von den jeweiligen Bürgerschulen abgetrennt, als sechsklassige Volksschule organisiert und in ein neues Schulgebäude an der Ecke Lorystraße-Geiselbergstraße verlegt, welches sich in unmittelbarer Nähe befand. So bestanden ab dem Schuljahr 1911/1912 nur noch die beiden Bürgerschulen am Enkplatz 4. Die beiden Leiter verblieben an den Bürgerschulen am Enkplatz. Mit ihren mittlerweile 708 Schülern in 13 Klassen und 746 Schülerinnen in 14 Klassen war das Schulgebäude am Enkplatz auch nach dem Auszug der beiden Volksschulen ausgelastet.
Erster Weltkrieg
Die Doppelvolksschule Herderplatz 1 wurde mindestens für die ersten beiden Kriegsjahre in der Doppelbürgerschule am Enkplatz 4 untergebracht. Die Volksschulknaben kamen bei den Bürgerschulknaben unter, während die Volksschulmädchen bei den Bürgerschulmädchen unterkamen. Im Zeichensaal wurden zeitweise wöchentlich "Kriegskurse" abgehalten. Die Religionssammelstelle für den evangelischen Religionsunterricht, die es bisher an der Knabenbürgerschule gegeben hatte, wurde in die Pachmayergasse 6 verlegt. Im darauffolgenden Jahr wurde sie bis 1917/1918 in die Molitorgasse 11 verlegt. Im Schuljahr 1918/1919 fungierte die Knabenbürgerschule am Enkplatz wieder als Religionssammelstelle, ab dato sowohl für den evangelischen als auch für den jüdischen Religionsunterricht. Die fachliche Fortbildungsschule für Schlosser und Gießer (mit 260 Schülern im Schuljahr 1915/1916 und 300 Schülern im Schuljahr 1916/1917) konnte ebenfalls im Gebäude verweilen. Auch die fachliche Fortbildungsschule für Kleidermacherinnen konnte offenbar während der Kriegsdauer an der Mädchenbürgerschule Enkplatz 4 beibehalten werden.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler blieb während der Zeit des Ersten Weltkriegs relativ konstant. Im Schuljahr 1914/1915 waren 812 Knaben in 14 Klassen und 898 Mädchen in 16 Klassen eingeschrieben. Im Schuljahr 1918/1919 waren es 767 Knaben in 15 Klassen und 863 Mädchen in 17 Klassen.
Februar 1934
Unmittelbar nach den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen im Februar 1934 als Aufstand gegen die Errichtung des Ständestaats wurden die beiden Leiter der Hauptschulen (frühere Bürgerschulen vor dem Hauptschulgesetz 1927) ausgewechselt. Mit dem 19. Februar übernahm Franz Drobec die provisorische Leitung der Knabenhauptschule, während die provisorische Leiterin Frieda Prochaska in der Mädchenhauptschule eingesetzt wurde. Eine politische Gleichschaltung ist hier naheliegend. Auch verschwanden die wenigen jüdischen Schülerinnen und Schüler, die in der ersten Hälfte der 1930er Jahre noch die Hauptschulen besucht hatten (fünf jüdische Schüler auf 654 Schüler und zwei jüdische Schülerinnen auf 813 Schülerinnen im Schuljahr 1933/1934), bis 1938 vollständig. Dennoch bestand offenbar zwischen 1934/1935 und 1937/1938 eine Religionssammelstelle für den jüdischen Religionsunterricht an der Mädchenhauptschule. Es dauerte zudem vergleichsweise lange, bis die französische Sprache als Fremdsprache vollständig vom Lehrplan der Hauptschulen gestrichen wurde. Nachdem bereits 1934/1935 die englische Sprache Einzug in den Lehrplan fand und beide Sprachen parallel unterrichtet wurden, verdrängte Englisch die romanische Sprache erst ab dem Schuljahr 1942/1943.
Ständestaat, NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wechselte die Schulleitung der beiden Hauptschulen ein weiteres Mal. Johann Fleischmann wurde ab dem 1. Juli 1938 als Direktor für die Knabenhauptschule bestellt, während Friedrich Barth ab 25. August 1938 als Direktor der Mädchenhauptschule fungierte.
Bereits im ersten Kriegsjahr wurden die Knaben der Hauptschule bei den Mädchen des gleichen Schulgebäudes untergebracht, weil die Knabenmädchenhauptschule Herderplatz 1 bis 1942/1943 in der Knabenhauptschule Enkplatz 4 unterkam.
Während des Nationalsozialismus mussten die Schulen ihre Räumlichkeiten den nationalsozialistischen Organisationen bereitstellen. So wurde beispielsweise der Knabenturnsaal von der Hitlerjugend (genauer vom HJ-Bann Wien-Südost (504)), der NSKK-Motorstandarte 94 sowie der Organisation "Kraft durch Freude" (Unterordnung der Deutschen Arbeitsfront) mitbenützt. Der Mädchenturnsaal wurde vom Bund deutscher Mädel verwendet. Aber auch andere kriegsbedingte Organisationen belegten Räumlichkeiten. Der Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD), der dem Zweck des Luftschutzes diente und für den Einsatz nach Luftangriffen aufgebaut wurde, belegte ab 1943/1944 sechs Lehrzimmer der Mädchen. Zudem belegte eine Kartenstelle zur Vergabe von Lebensmittelkarten ein Lehrzimmer. Ab 1944/1945 beschlagnahmte dann die "Feuerschutzpolizei" das ganze Schulgebäude am Enkplatz 4, sodass beide Hauptschulen in der Oberschule Gottschalkgasse 21 untergebracht werden mussten.
Während der Kriegszeit fungierte die Doppelhauptschule immer wieder als Religionssammelstelle; für den römisch-katholischen Religionsunterricht in der Knabenhauptschule und für den evangelischen Religionsunterricht in der Mädchenhauptschule.
Generell sanken die Schülerinnen- und Schülerzahlen in der Zeit des Ständestaats, später während der Zeit des Zweiten Weltkriegs stetig. Während die Knabenhauptschule im Jahr 1933/1934 noch von 654 Knaben in 18 Klassen besucht wurde und sogar eine Expositur von vier Klassen in der Knabenmädchenvolksschule Brehmstraße 9 geführt wurde, waren es am Beginn des Kriegs im Schuljahr 1939/1940 nurmehr 349 Knaben in elf Klassen, von denen am Ende des Krieges im Jahr 1944/1945 nur 158 in vier Klassen verblieben. Gleichermaßen entwickelten sich die Zahlen bei den Mädchen: Im Schuljahr 1933/1934 wurde die Mädchenhauptschule noch von 813 Schülerinnen in 26 Klassen besucht. Davon waren sechs Klassen sowie der einjährige Lehrkurs an der Mädchenvolksschule Herderplatz 1 als Expositur untergebracht. Am Beginn des Kriegs im Schuljahr 1939/1940 waren es nur noch 417 Mädchen in 13 Klassen, wovon im Schuljahr 1944/1945 nur noch 219 in sechs Klassen eingeschrieben waren. Die Schüleranzahl reduzierte sich also auf ein Viertel, die Schülerinnenzahl auf weniger als ein Drittel.
Laut dem Kriegsschädenplan von 1946 hatte das Schulgebäude am Enkplatz auch Bombentreffer während des Luftkriegs abbekommen.
Zweite Hälfte 20. Jahrhundert
Mitte der 1960er wurde ein Neubau errichtet, der am 6. Juni 1966 eröffnet werden konnte. Mit 24 Klassenräumen handelte es sich um den zweitgrößten Schulneubau Wiens in der Nachkriegszeit. In den 1990er Jahren wurde das Gebäude vollständig neu adaptiert. Das Gebäude gliederte sich in fünf Baukörper. Zwei Haupttrakte beherbergten jeweils zwölf Knaben- und zwölf Mädchenklassen. Zwischen den beiden Haupttrakten wurde eine ebenerdige Empfangs- und Pausenhalle errichtet. Die dort befindliche Plastik "Hirtenbub mit Hund und Schafen" stammt von Oskar Bottoli aus dem Jahr 1965, die Vogeltränke (1967) von der Bildhauerin Hilde Uray.
Nachdem Anfang der 1970er Jahre der koedukative Unterricht eingeführt wurde, nach dem Mädchen und Knaben gemeinsam unterrichtet werden, wurden die beiden Hauptschulen zu zwei gemischten Hauptschulen. Die ursprüngliche Knabenhauptschule wurde zur "Hauptschule I", währen die ursprüngliche Mädchenhauptschule zur "Hauptschule II" wurde. Seit 2004 wurden die beiden Hauptschulen als Kooperative Mittelschule geführt.
Schulerweiterung 2019/2020
2015 war das Schulgebäude, in dem rund 800 Schülerinnen und Schüler untergebracht waren, überfüllt, weshalb eine Schulerweiterung für beide Schulen geplant wurde. Der Schulumbau am Enkplatz wurde im Rahmen des EU-gefördertes Leuchtturmprojektes "Smarter Together" für eine nachhaltige Stadtentwicklung geplant.[1] Nach einer zweijährigen Planungsphase erfolgte am 1. März 2018 der Spatenstich. Ein Jahr später im März 2019 fand die Gleichenfeier zur Fertigstellung des Rohbaus statt. Der Zubau konnte nach einer zweijährigen Bauzeit zu Beginn des Schuljahres 2019/2020 in Benützung genommen werden. Die feierliche Eröffnung fand am 9. Oktober 2019 in Anwesenheit von Stadtrat Jürgen Czernohorszky, Stadträtin Kathrin Gaal und Bildungsdirektor Heinrich Himmer statt.[2]
Während der zweijährigen Bauzeit wurde weiterhin unterrichtet. Einige Klassen der MS Enkplatz 4/II (etwa 100 Kinder und 15-17 Lehrkräfte) mussten in der 800 Meter entfernten Außenstelle in der Braunhubergasse 3 unterkommen.
Im Hauptgebäude der Schule befinden sich die Direktion, ein Arztzimmer, die Freizeitleitung, ein Lehrerzimmer, ein Raum für die Beratungslehrerin, der Kopierraum und zwei Computerräume. Aktuell wird der Unterricht in zwanzig Unterrichtsräumen und drei Förderräumen abgehalten. Neben einem EDV-Saal mit 16 Standgeräten verfügt die Schule über 26 Laptops. Im Zubau von 2019 befinden sich acht Klassenräume, vier Freizeiträume und Multifunktionszonen. Im Erdgeschoß befindet sich die Schulbibliothek und ein zweites Lehrerinnen- und Lehrerzimmer.
Der neu errichtete Turnsaalbereich liegt unterirdisch und umfasst vier Turnsäle. Somit stehen jeweils zwei Turnhallen den beiden Mittelschulen am Enkplatz 4 zur Verfügung. Der sportliche Außenbereich verfügt über eine Laufbahn, ein Fußball- und ein Volleyball-Feld.[3]
Die heutige MS Enkplatz 4/I
Heute ist die MS Enkplatz 4/I eine ganztägig geführte, offene Schule, bei der das Betreuungsangebot direkt an den Vormittagsunterricht anschließt. Die Mittelschule hat einen sportlichen und sprachlichen Schwerpunkt. Die Schule wird von rund 450 Schülerinnen und Schülern in 20 Klassen besucht, die von mehr als 60 Lehrkräften unterrichtet werden. Es werden sechs Integrationsklassen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf geführt.
Quellen
- WStLA, Kartographische Sammlung, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P10/2.120422
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 - Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 - Standesausweise 1876-1915
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1906. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1908
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1901. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Martin Gerlach & Komp., Buch und Kunstverlag 1904
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren 1889-1893. Bericht des Bürgermeisters Dr. Raimund Grübl. Wien: Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1895
Literatur
- Felix Czeike: XI. Simmering. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 11), S. 10-11