Margaretner Schloss
48° 11' 28.73" N, 16° 21' 30.02" E zur Karte im Wien Kulturgut
Margaretner Schloss (5, Margaretenplatz 2-3, Margaretenstraße 77-79, Schloßgasse 21-23; angrenzende Gartengründe), ursprünglich Herrschaftssitz des Dorfs Matzleinsdorf; der Hauptteil des ehemaligen Schlosses (Margaretenplatz 2, Schloßgasse 23) gehört noch heute am Rand des Margaretenplatzes zum Zentrum des Bezirks.
1) Am rechten Wienufer lagen im Spätmittelalter zwei gutsweilerartige Siedlungen (Hundsturm [1408 als Hunczmühle erwähnt] und das spätere Schloss Margareten in "Meczleinsdorff"). Dieser Hof wird urkundlich am 1. Februar 1373 erstmals erwähnt. Neben einem "oberen" Hof, der auf der Höhe des Wienerbergs lag, gab es den "unteren" (niederen) Hof beim Margaretenplatz. Sein erster bekannter Besitzer war Jakob von Eslarn, ihm folgten Mitglieder der Familie Tirna, in deren Besitz der Hof bis 1408 verblieb. Ludwig von Tirna und seine Gattin Anna sowie Ludwigs Bruder Rudolf stifteten im "Niederen Hof" zwischen 1388 und 1395 eine Kapelle, die der heiligen Margarete von Antiochia geweiht wurde (Margaretenkapelle) und der Vorstadt Margareten ihren Namen gab.
Während der Ersten Türkenbelagerung (1529) wurde der Hof, ein wuchtiger Bau mit zwei Türmen, durch Brand weitgehend zerstört, wechselte danach mehrmals den Besitzer, wurde (noch immer weitgehend öde) 1540 vom späteren Wiener Bürgermeister Paul Pernfuß und 1555 von Nikolaus Oláh, Erzbischof von Gran (Esztergom), erworben, der Schloss und Kapelle aufbauen (Gedenktafel [1651], die auf Zerstörung und Wiederaufbau Bezug nimmt, am Haus Margaretenplatz 3) und den großen Schlossgarten (einen typischen Ziergarten der Spätrenaissance) anlegen ließ; er hatte vom Nikolaikloster vor dem Stubentor (3) ausgedehnten Grundbesitz erworben, berief Siedler nach Margareten und gründete in der Nähe des Hofs die Ortschaft Nikolsdorf (weitere Besitzer siehe Margareten [Vorstadt]). Georg Matthäus Vischer hat den Hof 1672 als Gebäude mit zwei verschieden hohen, zwiebelbehelmten Türmen dargestellt.
Nach der neuerlichen Zerstörung durch die Osmanen (1683) ließ Maria Anna von Seeau (ab 1686 von Gallenfels), Besitzerin ab 1679, das Schloss wiederherstellen. Der Stadtplan von Anguissola und Marinoni (1706) zeigt neben dem Schloss die nunmehr nicht mehr darin befindliche, sondern angebaute Kapelle (Margaretenstraße 79), den Meierhof (Schloßgasse 21) sowie ausgedehnte Gartenanlagen. Um 1725 entwickelte sich vor dem Schloss die planmäßige Rechteckform des Margaretenplatzes.
2) 1727 kaufte die Stadt Wien das Gut (das zuvor fast eine Generation unbewohnt gewesen war). Im verödeten Schlossgarten (der sogar als Getreidefeld und Viehweide Verwendung gefunden hatte) wurde 1749 eine Maulbeerbaumschule angelegt (Gartengasse), die sich bis 1783 hier befand; Teile des Schlosses wurden gewerblich genutzt. Einen Teil (B) des Schlosses (5, Schloßgasse 23) pachtete 1751 der Würzburger Goldschläger Johann Georg Hietl (Manufaktur), der 1754 eine Fabrik leonischer Waren einrichtete ("k. k. private Leonische Drahtzugsfabrique"), die 1768 ausbrannte (das Feuer war im Stall des Meierhofs ausgebrochen), danach aufgestockt wurde und einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Als 1786 eine Erweiterung durch Abbruch des alten Schlossgebäudes (A; Margaretenplatz 2) abgelehnt wurde, kam es zur Verlegung der Fabrik nach Mannersdorf am Leithagebirge. Anstelle des Meierhofs (C; Schloßgasse 21) entstand 1768 (nach dem Brand) das "Neue Fabriksgebäude".
Am 17. Oktober 1786 wurde die gesamte Realität versteigert; die größte Parzelle, das alte Schloss samt Nebengebäuden, erstand der Ortsrichter von Margareten, der Seidenbandmacher Franz Praller. Durch eine Tochter Prallers, Elisabeth, verehelichte Pichler, kam das Gebäude an diese Familie, die hier bis 1869 die Pichlersche Buchdruckerei führte. Auf der benachbarten Parzelle (F; Margaretenplatz 3) erbaut der Seidenzeugmacher Paul Hochholzer 1787 für sich ein Haus, über dessen Tor eine aus dem Jahr 1651 stammende marmorne Inschrifttafel zur Erinnerung an die Erste Türkenbelagerung eingemauert wurde; hier war bis 1845 die 1792 gegründete Klavierfabrik J. M. Schweighofers Söhne untergebracht (Gipsbüste J. M. Schweighofers im Flur des hinteren Hoftrakts). Die angrenzende Parzelle mit der Margaretenkapelle (G; Margaretenstraße 79) erstand der Samtmacher Leopold Urspringer, der die (1783 profanierte) Kapelle abbrechen und an ihrer Stelle 1786 ein Wohnhaus errichten ließ. Das schräg gegenüberliegende, zum Gut Margareten gehörende Brauhaus (5, Margaretenplatz 4; Margaretner Brauhaus) wurde 1883 demoliert.
Literatur
- Géza Hajós / Walther Brauneis: Die Profanbauten des III., IV. und V. Bezirkes. Wien: Schroll 1980 (Österreichische Kunsttopographie, 44.2), S. 497 ff.
- Wolfgang Mayer: V. Margareten. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1982 (Wiener Bezirkskulturführer, 5), S. 26 ff.
- Inge Podbrecky: Das Margaretner Schloß. Beiträge zur Kunsttopographie des V. Wiener Gemeindebezirks. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege. Hg. vom Österreichischen Bundesdenkmalamt. Horn/Wien: Berger / Wien/München: Schroll 1987/1988, S. 97 ff.
- Michael Klieba: Wiens 5. Gemeindebezirk Margareten. Für Schule und Haus. Wien [u.a.]: Dt. Verl. für Jugend und Volk 1922 (Wiener Heimatbücher), S. 35 f.
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1895]). Cosenza: Brenner 1967, Band 3, S. 118 f.
- Franz Maurer: Wiens erste Maulbeerbaumschule und Fabrik leonischer Waren in Margareten. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Band 42. Wien: Gerold 1909, S. 87-95
- Franz Maurer: Die ehemalige Wiener Vorstadt Margareten. Teil 1. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Band 42/43. Wien: Gerold 1909/10., S. 49-78
- Franz Maurer: Die ehemalige Wiener Vorstadt Margareten (Schluß). In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Band 44. Wien: Gerold 1911, S. 1-44
- Franz Maurer: Eine Inschrifttafel in Margareten aus dem Jahre 1651. In: Monatsblatt des Altertums-Vereines zu Wien. Wien: Alterthumsverein zu Wien 1884-1918. Band 7,1903, S. 50 f.
- Josef Kallbrunner: 200 Jahre Fabrik leonischer Waren. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich: Neue Folge, 30,1949/1952, S. 151 ff.
- Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959, S. 168 f.
- Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 106 f.
- Karl Janecek: Lateinische Inschriften an Bauwerken und Denkmälern Wiens. Horn: Berger in Komm. 1956, S. 34
- Margarete Girardi: Wiener Höfe einst und jetzt. Wien: Müller 1947 (Beiträge zur Geschichte, Kultur- und Kunstgeschichte der Stadt Wien, 4), S. 133 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2. - 21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 139 f.