Gartenanlagen
Gartenanlagen (Parkanlagen; Grünfläche).
Dank seiner günstigen geographischen Lage besaß Wien schon im Mittelalter ausgedehnte Grünflächen und Gartenanlagen; so formulierte Antonio Bonfini 1480, Wien sei „ein ungeheurer, herrlicher Garten". Im Mittelalter gab es vorwiegend Nutzgärten (Wein, Obst, Gemüse, Kräuter), kaum Ziergärten. Der Besitz großer Parkanlagen und Gärten war einst Privileg von Hof und Adel, später auch des reichen (teilweise nobilitierten) Bürgertums (so besaß beispielsweise Bürgermeister Daniel Moser einen großen Lustgarten in der Roßau, in dem er auch festliche Empfänge gab); Klöster besaßen zum Teil ausgedehnte Gartenanlagen, die nicht öffentlich zugänglich waren.
16. bis 18. Jahrhundert
Erst im 16. Jahrhundert (Renaissance) entstanden erstmalig Lust- und Ziergärten. Bis in die Zeit des Frühbarock (17. Jahrhundert) dominierte der „geometrische Garten", der seinen Ursprung in Italien hatte: ein die Natur beherrschender und umformender, aber nicht nachahmender Kunstgarten („Italienischer Garten"), der vor allem auf ebenem Terrassenhain angelegt wurde und oftmals mit einer Menagerie verbunden war. Aus dem 16./17. Jahrhundert stammen beispielsweise der Garten des Neugebäudes (11), der Kielmanseggsche Garten (3; ab 1797 entstand hier der Hafen des Wiener Neustädter Kanals), der Augarten (2) und jener der Favorita (4; Theresianum). Nach der Zweiten Türkenbelagerung (1683) kam es zu einer Baukonjunktur in den von feindlicher Bedrohung befreiten Vorstädten, in denen sich vor allem der Adel seine Sommersitze errichten ließ, die durchwegs mit Gartenanlagen verbunden waren.
An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, insbesondere jedoch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Hochbarock), entwickelte sich der „architektonische Garten", der von Frankreich aus seinen Siegeszug antrat („Französischer Garten"). Er hatte sich dem Baugedanken unterzuordnen und bildete gewissermaßen die Fortsetzung der Gebäude; man zog Anhöhen vor (auf denen Nebengebäude errichtet wurden), legte künstliche Terrassen an, entdeckte wieder die Vorliebe für Symmetrie, schmückte die Gärten mit Skulpturen aus und gestaltete den natürliche Pflanzenwuchs künstlerisch, in weiterer Folge künstlich um. Auf dem Höhepunkt der Gartenkunst des 18. Jahrhunderts entstanden im geometrischen Stil des 17. Jahrhunderts neben Schlosspark Schönbrunn (1693; auf der Anhöhe die Gloriette), Hetzendorf (1694; Hetzendorfer Schlosspark) und dem Belvedere (1714; Unteres und [auf der Anhöhe als Gegenpol] Oberes Belvedere; Belvederegarten) die Gartenanlagen bei den Adelspalais Liechtenstein (1687; nach Entwürfen Johann Bernhard Fischers von Erlach, der auch das im Park situierte Belvedere [9, Alserbachstraße 14] ausführte), Schwarzenberg (nach 1697, angelegt von Jean Trehet; später teilweise Umgestaltung in englischem Stil), Starhemberg (1705; später Schönburg; gutes Beispiel des Übergangs vom italienischen zum französischen Stil), Auersperg (1706), Schönborn (1706), Huldenberg (1710), Engelskirchner (1710) und Trautson (1710; 1902 wurde durch den Verkauf des Gartengrunds die Einheit von Garten und Palais zerstört, in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde er teilweise verbaut [ UNIDO-Bürohäuser ], später jedoch nach langen Diskussionen wiederhergestellt); neben dem Starhembergpalais errichtete Josef Rosenbaum seine berühmte und vielbesuchte Gartenanlagen.
Das 1740 errichtete Großarmenhaus erhielt in seinen weitläufigen Höfen gärtnerische Ausgestaltung. In die Zeit Maria Theresias fällt auch die Schaffung des Botanischen Gartens, ursprünglich ein Heilpflanzengarten, außerdem entstanden neue Klostergärten (zum Beispiel bei den Salesianerinnen [ 3] ); 1785 wurde hinter dem Josephinum ein Arzneipflanzengarten angelegt. Unter Joseph II. ergaben sich größere Veränderungen auch dadurch, dass er den Prater (1766) und den Augarten (1775) dem Volk als Erholungsgebiete öffnete, andererseits wurden jedoch Gärten aufgelassener Klöster parzelliert (beispielsweise Kapuziner am Neuen Markt); ab 1781 wurde das Glacis mit Alleen bepflanzt.
19. und 20. Jahrhundert
In der Zeit des Rokoko und Empire bildete sich als weiterer Typus der „landschaftliche Garten" (Landschaftsgarten) aus, der in der Zeit der Romantik sowie im 19. Jahrhundert eine Weiterentwicklung erfuhr. Schon früher in England beliebt (daher auch „Englischer Garten"), stellte er eine bewusste Reaktion auf den architektonischen Garten dar, dessen Auswüchse im Laufe der Zeit vielfach Kritik herausgefordert hatten. Der Englische Garten war unregelmäßig und unsymmetrisch, strebte die Nachahmung der Natur an und suchte seine Wirkung durch Gebäude (etwa chinesischer Turm in Neuwaldegg, künstliche Ruinen, Eremitagen oder Schweizerhäuschen und Holländerdörfer), Grotten, Bäche, Teiche, Springbrunnen, Tempel, Tiergehege, exotische Bäume und Aussichtstürme zu unterstützen. 1814 ließ Johann Josef Fürst Liechtenstein seinen Park in der Roßau in einen Landschaftsgarten umgestalten. In den Vororten entstanden Landschaftsgärten in Hadersdorf (Hadersdorfer Schlosspark; angelegt ab 1775 durch Gideon Freiherr von Laudon), Hütteldorf (Dehnepark), Ottakring (Gallitzin-Sommerschloss), Neuwaldegg (Neuwaldegger Park bei Dornbach; bedeutendste Parkschöpfung des 18. Jahrhunderts in englischen Stil) und Pötzleinsdorf (Pötzleinsdorfer Schlosspark; angelegt Anfang 19. Jahrhundert vom Bankier Johann Heinrich Freiherr von Geymüller durch den Kunstgärtner Konrad A. Rosenthal [„Geymüllerpark"]) sowie in Niederösterreich (insbesondere Laxenburg [größte Parkanlage im englischen Stil in der Umgebung Wiens], Erlaa, Inzersdorf [ Draschepark, ursprünglich Harrach ] und Kalksburg).
Einen typischen und wesentlichen Ausdruck bürgerlichen Lebens fand das Biedermeier (Biedermeiergarten) in den zahlreich neu angelegten Privatgärten (beispielsweise Garten des ehemaligen Sekretärs Karl Graf Esterházys, Joseph Rosenbaum (Rosenbaumgarten), auf der Wieden, Garten des Dr. Johann Baptist Rupprecht in Gumpendorf, des Sigismund Freiherr von Pronay in Hetzendorf (Prónaygarten), des Carl Freiherr von Hügel in Hietzing (Hügelgarten) oder des Rudolf von Arthaber in Oberdöbling [heutiger Wertheimsteinpark]). Diese Entwicklung wird begleitet vom Aufkommen stadtnaher bürgerlicher Sommervillen (anfangs insbesonders Hietzing, Pötzleinsdorf und Döbling) sowie Sommer- und Kurhäusern (die im Lauf der Zeit, begünstigt durch das Aufkommen der Postkutsche, später der Eisenbahn, auch in stadtferneren Gegenden, wie Mödling oder Baden, entstanden). Viele Gartenanlagen gingen verloren oder blieben nur in stark reduzierter und veränderter Form erhalten (etwa Arenbergpalais, Harrachpalais, Metternichpalais, Modenapalais oder das Rasumofskypalais). Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts begann man auch das (in seiner militärischen Bedeutung immer mehr in den Hintergrund tretende) Glacis gärtnerisch zu gestalten (Anpflanzung von Alleen Anfang der 1780er-Jahre; Esplanade).
Das 19. Jahrhundert brachte große Veränderungen mit sich. Zunächst entstanden (im Zuge einer „kleinen Stadterweiterung" vor der 1809 von den Franzosen gesprengten und daraufhin demolierten Burgbastei) der Kaisergarten (1816-1819, angelegt durch Franz Antoine de Paula der Ältere; Burggarten) und der Volksgarten (1819-1823), dann wurden aufgrund des kaiserlichen Handschreibens von 1857 die Basteien demoliert und die Glacisgründe zur Verbauung freigegeben. In der Ringstraßenzone entstanden der Stadtpark und der Rathauspark, daneben kleinere Gartenanlagen (beispielsweise Börseplatz, Schillerplatz, Votivpark [1873]); die Ringstraße selbst wurde ebenfalls gärtnerisch ausgestaltet (Alleen). Als die Diskussion um die Eingemeindung der Vororte konkrete Formen annahm, entstand 1883-1888 der Türkenschanzpark, der in Anlehnung an den englischen Landschaftsgarten gestaltet wurde. Die Auflassung des Linienwalls und die Schaffung der Gürtelstraße bot die Möglichkeit, auch dieses Gelände gärtnerisch auszuschmücken. Einen besonderen Stellenwert besitzt die 1905 beschlossene Schaffung des Wald- und Wiesengürtels. Zwischen 1900 und 1918 entstanden außerdem folgende von der Stadt Wien geschaffene Parkanlagen: der Schweizergarten (1902-1904), der Arenbergpark (seit 1900), der Wertheimsteinpark (seit 1907; Blindengarten 1959) und die Erweiterung des Türkenschanzparks; Otto Wagner schuf zu beiden Seiten des Gürtels Grünflächen.
Es begann jedoch auch die Zeit des Schrebergartens sowie der Kleingärten und Siedlungen, die zu den Grünflächen gezählt werden müssen, sowie der „Beserlparks“ (Kleinstparkanlagen auf Flächen, die für den Wohnbau unrentabel waren).
Die Umwandlung aufgelassener Friedhöfe in der Ersten Republik wurde ergänzt durch Neuanlagen und die gärtnerische Gestaltung von städtischen Wohnhausanlagen, die zum Teil ausgedehnte Innenhöfe besaßen (George-Washington-Hof und andere).
Zu den in der Ersten Republik zu Gartenanlagen umgewandelten aufgelassenen Friedhöfen gehören:
- Matzleinsdorfer Katholischer Friedhof - Waldmüllerpark (1923/24)
- Währinger Ortsfriedhof - Schubertpark (1924/25)
- Hundsturmer Friedhof - Haydnpark (1926)
- Schmelzer Friedhof - Märzpark (1927/28)
- Währinger Allgemeiner Friedhof - Währinger Park (1923)
- Döblinger Ortsfriedhof - Strauß-Lanner-Park)
In der Zwischenkriegszeit neu angelegte Gartenanlagen (in Auswahl):
- Hartäckerpark (19) (1923/24)
- Rohrauerpark (1924])
- Donaufelder Park (21, Leopoldau) (1924)
- Paul-Hock-Park (1925)
- Modenapark (1926)
- Kongreßpark (1927)
- Herweghpark (1927/28)
- Wasserpark (1928)
- Herderpark (1928/29)
- Wettsteinpark (1931)
Die Zeit nach 1945 wird durch den Begriff „Soziales Grün" geprägt; das 1961 vom Gemeinderat beschlossene „Grundkonzept" der Stadtplanung bezeichnet einen Zuwachs an Parkanlagen als lebensnotwendig. Durch die Abhaltung der Wiener Internationale Gartenschau (WIG) 1964 (Donaupark) beziehungsweise 1974 (Laaer Berg) kam es zu größeren Neuanlagen (am Laaer Berg auch zu Aufforstungen). Die Erhaltung und Betreuung der Gärten obliegt dem Stadtgartenamt, von dem auch die Grünanlagen in Wohnhausanlagen und Siedlungen, in Bädern und Sportstätten sowie Schul- und Kindergartengrünflächen gepflegt werden (ausgenommen „Bundesgärten", wie etwa Schönbrunn oder Belvedere). Neben Gärtnereien besitzt die Gemeinde Wien einen großen Reservegarten in Hirschstetten.
Vergleiche (neben den im Text enthaltenen Verweisen auf einzelne Parkanlagen) auch die Überblicksstichwörter Augarten, Barockgarten, Biedermeiergarten, Botanischer Garten, Englischer Garten, Jugendstilgarten, Lainzer Tiergarten, Landschaftsgarten, Lobau, Prater, Wald- und Wiesengürtel und Gärtner.
Literatur
- Eva Berger: "Viel herrlich und schöne Gärten". 600 Jahre Wiener Gartenkunst. Wien: Böhlau 2016
- Jakob Dont: Das Wiener Versorgungsheim. Eine Gedenkschrift zur Eröffnung. Wien: Verlag der Gemeinde Wien 1904, Taf. VI
- Friedrich Ehrendorfer / Alfred Kaltenbach / Ferdinand Starmühlner [Hg.]: Naturgeschichte Wiens. Band 4: Großstadtlandschaft, Randzone und Zentrum. Wien: Jugend und Volk 1974, besonders S. 205 ff. (F. Woess: Entwicklung der Wiener Grünanlagen), S. 231 ff. (A. Sauberer [u.a.]: Die Pflanzenwelt der Wiener Grünanlagen), S. 289 ff. (F. Schremmer [u.a.]: Die Tierwelt der Parkanlagen)
- Fritz Kratochwjle: Die städtischen Gärten Wiens. Wien: Schöler 1931
- Arthur Rößler: Von Wien und seinen Gärten. Wien: Gerlach & Wiedling 1946
- Soziales Grün in Wien. Hg. vom Magistrat der Stadt Wien - Stadtbauamtsdirektion. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1963
- Hubert Kaut: Wiener Gärten. 4 Jahrhunderte Gartenkunst. Wien: Bergland Verlag 1964
- Alfred Auer [Hg.]: Wien und seine Gärten. Anlässlich der 2. Internationalen Gartenschau - WIG 74. Wien [u.a.]: Jugend und Volk 1974
- Alfred Auer [Hg.]: Wien - Stadt im Grünen. Wien [u.a.]: Jugend und Volk 1975
- Robert Schediwy / Franz Baltzarek: Grün in der Großstadt. Geschichte und Zukunft europäischer Parkanlagen unter besonderer Berücksichtigung Wiens. Wien: Edition Tusch 1982, S. 135 ff. (Großstadtgrün und Gesellschaft)
- Friedrich Fischer: Die Grünflächenpolitik Wiens bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Wien [u.a.]: Springer 1971 (Schriftenreihe des Institutes für Städtebau, Raumplanung und Raumordnung, Technische Hochschule Wien, 15)
- Erika Neubauer: Lustgärten des Barock. Salzburg: Residenz Verlag 1966
- Erika Neubauer: Wiener Barockgärten in zeitgenössischen Veduten. Dortmund: Harenberg 1980
- Maria Auböck: Die Gärten der Wiener. Wien: Jugend und Volk 1975
- Maria Auböck: Die Gärten der Aufklärung. In: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Mitregent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfürst. Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung, Stift Melk, 29. März - 2. November 1980]. Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 1980 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge 95), S. 214 ff., 608 ff.
- Leo Sadowski: Ein Beitrag zur Gartenkunst des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, mit besonderer Berücksichtigung einiger wenig bekannter Gärten Wiens, seiner Vorstädte und Vororte. Dissertation Technische Hochschule Wien. Wien 1940
- Gabriele Spiller: Gartenkultur im 19. Jahrhundert. Mit besonderer Berücksichtigung des Wiener Bürgertums. Diplomarbeit Univ. Wien. Wien 1991
- Géza Hajós: Romantische Gärten der Aufklärung. Englische Landschaftskultur des 18. Jahrhunderts in und um Wien. Wien [u.a.]: Böhlau 1989 (Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege, 14)
- Alfred Wolf: Gärten auf dem Alsergrund. In: Heimatmuseum Alsergrund 36 (1968), S. 2 und Heimatmuseum Alsergrund 38 (1969), S. 5 ff.
- Brigitte Rigele / Herbert Tschulk: Gartenkultur in Wien vom Mittelalter bis zum Barock. In: Wiener Geschichtsblätter 46 (1991), Beiheft 2
- Brigitte Rigele / Herbert Tschulk: Gartenanlagenkultur in Wien von der Aufklärung bis zur Gründerzeit. In: Wiener Geschichtsblätter 47 (1992), Beiheft 2