Gumpendorf (Vorstadt)

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Die Vorstädte Gumpendorf, Mariahilf, Magdalenengrund, Windmühle und Laimgrube mit ihren Siegelbildern (1734)
Daten zum Objekt
Die Karte wird geladen …

48° 11' 28.74" N, 16° 20' 51.65" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Gumpendorf (6.), Vorstadt, ab 1850 Teil des (damaligen 5., seit 1861 (nach Umnummerierung) des 6. Bezirks Mariahilf.

Die älteste urkundliche Nennung geht auf die Zeit 1130/1140 zurück (Fontes Rerum Austriacarum U/4, Nummer 341, 415, 616); es wird ein Herbort von Gumpendorf erwähnt. Der Ort ist jedoch zweifellos älter. An einer strategisch bedeutsamen Stelle (Wienflussfurt) gelegen, zeugen Funde bereits von römischer Besiedlung. In das Fundament der Gumpendorfer Kirche wurden römische Quader, teilweise mit Bauinschrift, vom älteren Kirchenbau transferiert (6., Mollardgasse 40-42). Die Brückengasse bildete den Kern der mittelalterlichen Siedlung, das östliche Ende lag bei der heutigen Grabnergasse); über die Furt ging eine von der Porta decumana Vindobonas ausgehende römische Straße, die über die heutige Mariahilfer Straße (Bayerische Landstraße), Windmühlgasse und Gumpendorfer Straße zu dieser und danach weiter nach Süden verlief („Liesinger Weg" in Richtung Wilhelmstraße und Breitenfurter Straße nach Aquae/Baden) und die Entwicklung Gumpendorfs wesentlich beeinflusste.

Unter Berücksichtigung des Namens, der in die Gruppe der altbayerischen Dreifelderdörfer (Endung -dorf) einzureihen ist (das althochdeutsche Gump bedeutete Tümpel, wohl bezogen auf Wassertümpel, die hier nach Wienflussüberschwemmungen zurückblieben), und der Siedlungsform (Gassengruppendorf, das einer nachrömischen Besiedlungsschicht entspricht) dürfte der Siedlungsbeginn in das 11. Jahrhundert zu verlegen sein. Der älteste Ortskern ist mit dem ältesten Herrschaftssitz (wahrscheinlich an der Stelle des erwähnten römischen Wachtturms) gleichzusetzen, wogegen das Gumpendorfer Schloss etwas jüngeren Datums ist. Damit gehört Gumpendorf zu den wenigen dörflichen Siedlungen Wiens, deren mittelalterlicher Grundriss im Wesentlichen erhalten geblieben ist.

Herrschaftsgeschichte

Für das 12. Jahrhundert kann ein landesfürstliches Obereigentum der Babenberger angenommen werden; „die von Gumpendorf" („de Gumpendorf"; um 1150/1156; Babenberger Urkundenbuch I, 27) waren wohl Ministerialen der Babenberger. Die Gumpendorfer Weinried war eine der größten der damaligen Zeit; sie erstreckte sich von der nachmaligen Windmühle bis über die spätere Mariahilfer Linie hinaus. 1244 wird an der Furt erstmals die wehrhafte Ägidikirche (Gumpendorfer Kirche) urkundlich genannt. 1293 erwarb Ulrich von Capellen, der in der Marchfeldschlacht (1278) treu an der Seite Rudolfs I. gegen Ottokar II. Přemysl gekämpft hatte, die Vogtei Gumpendorf. Durch seinen Sohn Jans kam Gumpendorf in Beziehung zum oberösterreichischen Frauenkloster Pulgarn bei Steyregg, welches nach dem Aussterben der Herren von Capellen (1408) in den Genuss der Einkünfte aus der Herrschaft kam und diese bis 1540 besaß. Die Seelsorge hatte Jans bereits 1360 dem oberösterreichischen Zisterzienserkloster Baumgartenberg anvertraut; von diesem übernahm 1571 provisorisch und 1678 definitiv das Wiener Schottenstift das Kirchenpatronat.

Im 15. Jahrhundert stieg die Häuserzahl Gumpendorfs; auch einige Jagdhäuser entstanden. 1540 kaufte der Grundschreiber der Wiener Schottenabtei, Sigmund Muschinger, die Herrschaft; sein Verwandter Vinzenz Muschinger, ein Günstling Ferdinands II., nannte sich „von und zu Gumpendorf". Als letzter Muschinger starb er 1628; seine Tochter Maria Katharina war mit Peter Ernst Graf Mollard vermählt, wodurch die Herrschaft (bis 1764) an diese gräfliche Familie überging (Mollardgasse). 1679 forderte die Pest zahlreiche Opfer. Der 1704 errichtete Linienwall schützte Gumpendorf zwar vor feindlichen Übergriffen, zerschnitt aber den ursprünglichen Vorstadtbereich; die Grenzen verliefen zum Zeitpunkt der größten Ausdehnung der Herrschaft Gumpendorf im Norden an der Bayerischen Landstraße (Mariahilfer Straße), im Süden am Wienfluss, im Osten bei der Schadekgasse (damals eine tief eingeschnittene Wasserrinne, eine sogenannte Runse), im Westen jedoch in der Gegend von Penzing; außerhalb des Linienwalls entstanden nunmehr selbständige Orte (Fünfhaus [Ried In den hangenden Lüssen], Rustendorf [Ried In den Rüsten], Reindorf [Ried Im Rein], Braunhirschen [Ried Im Reinsperg], Sechshaus und Gaudenzdorf [Ried Im Mühlgraben]), zu denen Gumpendorf den direkten Zugang verlor (es gab bis 1832 kein Linientor für Fuhrwerke; auch Fußgeher konnten die Linie erst ab dem Ende des 18. Jahrhunderts passieren); lediglich auf das Gumpendorfer Schloss hatte man bei der Trassierung des Linienwalls Rücksicht genommen, sodass dessen Reste innerhalb desselben verblieben.

Frühe kartographische Darstellung der Vorstadt Gumpendorf im Anguissola Marinoni Plan.

Nach 1780 entstand die Obere Windmühle (zwischen Web-, Stumper- und Liniengasse beziehungsweise Mariahilfer Straße), die mit der Unteren Windmühle in Verbindung stand. Im 18. Jahrhundert veränderte sich der topographische Charakter Gumpendorfs; es entstanden zahlreiche Fabriken und Wohnviertel, die Mariahilfer Straße entwickelte sich zu einer wichtigen Verkehrsverbindung und Geschäftsstraße, die landwirtschaftlich genutzten Flächen gingen zurück, und 1835 wurde der letzte Ziegelofen (im Westen von Gumpendorf) aufgelassen. Gleichzeitig entwickelten sich Teile Gumpendorfs zu einer beliebten Sommerfrische; Adelige (beispielsweise die Familien Ahrenberg, Kaunitz und Khevenhüller) errichteten hier Sommersitze mit angrenzenden Gartenanlagen. Nach dem Erlöschen der Mollards im Mannesstamm trat 1764 infolge der Heirat Maria Anna Gräfin Mollards mit Johann Stephan Graf Meraviglia diese Familie in deren Rechte ein; Anton Ernst Meraviglia verkaufte 1798 Schloss und Herrschaft an den Magistrat der Stadt Wien. Das Schloss wurde bald darauf ein Militärtransporthaus, die Schlosskapelle wurde entweiht. Die Gumpendorfer Kirche, das Gumpendorfer Schloss („Amerlingschlössel"), das Königseggpalais, die Gumpendorfer Kaserne (Kavalleriekaserne) und der Münzhof gehör(t)en zu den wichtigsten Gebäuden Gumpendorfs.

Im 19. Jahrhundert war Gumpendorf (neben Schottenfeld) ein Zentrum der Industrie. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand Gumpendorf auch in Beziehung zur Arbeiterbewegung (Arbeiterbildungsverein Gumpendorf).

Siegel

Die Vorstadt Gumpendorf führte ein Grundgerichtssiegel, das einen halbrunden Schild zeigt, der im neueren Siegel in der Mitte in eine Spitze ausgeht und auf beiden Seiten mit Ornamenten verziert ist. Im Schild erscheinen drei Lilien. Die Lilien entstammen dem Wappen der anfangs bürgerlichen, dann geadelten und später in den Freiherrnstand erhobenen Muschinger, die im 16. Und 17. Jahrhundert Besitzer von Gumpendorf waren. Umschrift: a) ←|˧ [Pfeilspitze über Kreuz, einer Wetterfahne ähnlich]: DER GMAIN : ZV : GVUMBENDORFF : b) * SIEGEL DER GEMEINDE GUMPENDORF 1839.

Das Siegel war 1904 eine Grundlage für die Gestaltung des Bezirkswappens Mariahilf.

Begrenzung der Vorstadt

  • Mariahilfer Straße 85-109, 119-125
  • Wallgasse 34-38
  • Mariahilfer Gürtel 2-28
  • Mollardgasse 88-92
  • Linke Wienzeile 88-184

Häuser

  • 1591: 65
  • 1736: 65
  • 1766: 71
  • 1778: 139
  • 1783: 177
  • 1790: 181
  • 1796: 194
  • 1805: 241
  • 1812: 288
  • 1816: 319
  • 1829: 352
  • 1833: 414
  • 1840: 424
  • 1847: 552
  • 1851: 563
  • 1857: 589

Einwohner

  • 1783: 4.821
  • 1796: 4.815
  • 1840: 15.342
  • 1857: 29.478

Häusernummerierungen und -schematismen

In der Vorstadt Gumpendorf wurden 1770 zum ersten Mal Konskriptionsnummern vergeben, in den Jahren 1795, 1807, 1821 und 1830 erfolgte eine Neunummerierung (Zur Übersicht über die Phasen der Nummerierungen der Häuser [Konskriptionsnummern] in der Vorstadt siehe: Häusernummerierung). Die folgenden Verlinkungen zu den Häuserschematismen sind chronologisch geordnet.

Nummerierung 1770

Nummerierung 1795

Nummerierung 1807

Nummerierung 1821

Nummerierung 1830

Ortsrichter

Liste (von Hans Rotter) in: Mitteilungen Ortsgruppe Mariahilf des deutsch-österreichischen Gewerbebundes Band 7. 1927, S. 5; der letzte (1851-1861) war Karl Garber (Garbergasse), der anschließend bis 1864 Gemeinderat war.

Literatur

  • Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963 , S. 55 ff. (Wilhelm Pertlik, Besiedlungsgeschichte), 69 (Grenzen), 94 ff., 112 (Häuserzahlen), 113 ff.
  • Helmut Kretscher: Mariahilf. Geschichte des 6. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1992 (Wiener Heimatkunde, 6), S. 17 ff.
  • Felix Czeike: VI. Mariahilf. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Wiener Bezirkskulturführer, 6)
  • Ernest Blaschek [Hg.]: Mariahilf einst und jetzt. Wien [u.a.]: Gerlach & Wiedling 1926 (Wiener Heimatbücher), Register
  • Robert Messner: Mariahilf im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der westlichen Vorstädte Wiens (südliche Hälfte) auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1982 (Topographie von Alt-Wien, 6), S. 52 ff.
  • Richard Perger, Vom ältesten Gumpendorf. In: Wiener Geschichtsblätter. Band 28. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1973, S. 65 ff.
  • Ferdinand Opll: Erstnennung von Siedlungsnamen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 2), S. 33
  • Adalbert Klaar: Die Siedlungsformen Wiens. Wien: Zsolnay 1971, S. 66 f.
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 936 (Register)
  • Walter Berger: Die Neubesiedlung der Pfarre Gumpendorf nach dem Türkensturm 1683. In: Unsere Heimat. Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich. Band 32. St. Pölten: Verein für Landeskunde von Niederösterreich 1961, S. 1 ff
  • Leo Burgerstein: Der Boden von Gumpendorf und seine Stellung im „Wiener Becken". 1883
  • Heinrich Weigl: Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich. Band 2. Wien: Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien 1964-1975, S. 409
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958 , S. 148 f.
  • Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. X, Taf. E
  • Anton Jung: Beschreibung und Abdruck der Grundgerichts-Siegeln sämmtlicher Vorstädte und Gemeinden der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien, [Wien] 1829, S. 19

Bevölkerungsgeschichte

  • Andreas Weigl: Eine Neuberechnung der Bevölkerungsentwicklung Wiens nach Bezirken 1777-1869. In: Wiener Geschichtsblätter 50 (1995), S. 219-238.
  • Ignaz de Luca: Topographie von Wien. Bd. 1, Wien: Thad. Schmidbauer 1794, S. 61.
  • Ignaz de Luca: Statistische Fragmente. Wien: C.P. Rehm 1797, S. 50.
  • Johann Karl: Detaillirte Darstellung der Bevölkerung der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien und der Vorstädte ... nach der letzten Conscription im Jahre 1840.
  • Niederösterreichische Handels- und Gewerbekammer (Hg.), Statistische Übersicht der wichtigsten Productionszweige in Oesterreich unter der Enns. Wien: L. Sommer 1855.
  • G.A. Schimmer: Die Bevölkerung von Wien. In: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 1 (1865), S. 14, 26.