Mautner-Markhof (Unternehmen)
48° 10' 32.05" N, 16° 25' 14.28" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der Aufstieg
Adolf Ignaz Mautner, später Ritter von Markhof, kam als Abraham Isaak Mautner in Smiřice (Smirsitz) an der Elbe in Böhmen zur Welt. Seine Familie betrieb dort ein Branntweinhaus und eine Brauerei. 1840 übernahm er die Brauerei nächst St. Marx in Pacht, um sie 1857 zu kaufen. Die Brauerei war zu diesem Zeitpunkt in einem schlechten Zustand.[1] Er erfand ein Kühlverfahren welches es ermöglichte untergäriges Bier, welches zuvor nur im Winter produziert und ausgeschenkt werden konnte, ganzjährig anzubieten, was die Brauerei Sankt Marx ab 1843 tat. Wegen der dafür erforderlichen gekühlten Lagerkeller erhielt es den Namen Lagerbier. Ab 1845 kamen auch Dampfmaschinen im Betrieb zum Einsatz. Die Produktion erhöhte sich rasch von 36.000 Hektoliter im Jahr 1840 auf 267.360 1876 und 540.690 1896. Im Jahr 1876 übernahm der älteste Sohn Carl Ferdinand Mautner die Brauerei. Der Gründer Adolf Ignaz starb 1889. Ende des 19. Jahrhunderts war die Brauerei zur drittgrößten des europäischen Kontinents aufgestiegen.[2]
Neben der Brauerei bestanden Presshefe- und Spiritusfabriken in St. Marx und Simmering, Mälzereien am Wiener Standort, in Floridsdorf und Göding. Adolf Ignaz Mautner verwendete als erster heimischen Mais für die Spirituserzeugung. Um 1860 wurden eiserne Bottiche mit Rührwerk eingeführt. Die Presshefeerzeugung begann 1847. Die Sankt Marxer Presshefe erlangte einen sehr guten Ruf für die Erzeugung von Weißbrot und Weißgebäck (Wiener Kaisersemmeln). In der Folge wurde eine zweite Presshefefabrik in Simmering (Vorort) und eine dritte in Floridsdorf (ehemalige Gemeinde), Prager Straße 20, 31-33, errichtet, die seit 1864 im Besitz von Georg Heinrich Mautner Markhof war. Gemeinsam mit seinem Schwager Otto Wächter erbaute er 1872 die benachbarte Malzfabrik (Prager Straße 18), die später in den Besitz der Brauerei Sankt Marx kam. Die große Mühle wurde 1886 durch Brand zerstört und daraufhin aufgelassen. Kurz danach kam es zur Verwirklichung der Idee einer modernen Bierbrauerei. Georg Heinrich Mautner Markhof schickte seinen Sohn Theodor zum Studium nach Paris und in deutsche und englische Brauereien. 1892 begann der Bau der St.-Georgs-Brauerei, im März 1893 wurde das erste „St.-Georgs-Märzenbier" erzeugt. Dieses erhielt 1898 auf der Zweiten Internationalen Kochkunstausstellung eine Auszeichnung und wurde qualitativ dem „Pilsner" gleichgestellt. 1908 betrug die Erzeugung 222.000 Hektoliter. 1926 ging die Brauerei in das Eigentum der „Vereinigte Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering AG" über, im selben Jahr wurde die Marke „Neuquell" kreiert. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Spiritusfabrik stillgelegt, die Presshefeerzeugung hingegen nach Simmering verlegt.[3]
Führungswechsel
Nach dem Selbstmord Carl Ferdinand Mautners im Jahr 1896 übernahm sein Sohn Victor die Führung der Brauerei in Sankt Marx. Trotz einer einschlägigen Ausbildung entwickelte er wenig Liebe für den Familienbetrieb. Zwar gelang es 1910 die Produktion auf 560.000 Hektoliter zu steigern und damit fast jene des Hauptkonkurrenten Anton Dreher junior zu erreichen, aber mit der Brauerei ging es wirtschaftlich bergab. Im Jahr 1913 wurde die St. Marxer Brauerei mit den Brauereien von Meichl (Simmeringer Brauerei) und Dreher (Schwechater Brauerei) fusioniert. Die anderen Produktionsstandorte in Floridsdorf und Simmering wurden in den "Vereinigten Mautner Markhofschen Presshefefabriken verschmolzen. Daneben gab es auch noch die Th. & G. Mautner Markhof GmbH, die Senf, Essig und Spirituosen erzeugte. Dadurch gelang es der Linie um Georg Heinrich und seinen Söhnen den Betrieb zu neuer Blüte zu bringen. Im Jahr 1934 übernahm die vierte Generation das Unternehmen. Es waren dies die vier Cousins Gerhard und Gustav, welche den Brauereibetrieb führten, Manfred, der die Th. & G. Mautner Markhof GmbH leitete und Georg III. Mautner Markhof, der Chef der "Vereinigten Spiritus- und Hefefabriken. Die kollegiale Führung wurde auch als "Viererzug" bezeichnet. Nach schwierigen Verhandlungen gelang es Georg III. 1937 die Aktienmehrheit der "Vereinigten Brauereien Schwechat" von der Creditanstalt-Bankverein und der Industriekredit-Bank zu erwerben.[4]
NS-Zeit
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich wurde die vier Cousins als "nicht arisch und nicht jüdisch" eingestuft und durch zeitweise Verhaftungen sowie Inhaftierungen unter Druck gesetzt, ihre Stellung regimetreuen Handlangern zu überlassen. Es gelang jedoch das Unternehmen zu 80% im Familienbesitz zu erhalten, die Geschäftsleitung musste jedoch an Wolfgang Widter und Otto Wanke abgegeben werden. Die Firmenbezeichnung wurde in Brauerei Schwechat AG geändert. In Schwechat wurde ab Dezember 1939 nur mehr neungrädiges, ab Mai 1940 sechsgrädiges Bier erzeugt. Ab 1944 wurde ein Teil der Schwechater Kelleranlagen für kriegswirtschaftliche Betriebe verwendet in denen Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter und KZ-Insassen unter schwierigsten Bedingungen arbeiten mussten. Schon in den Kriegsjahren führte de facto Manfred I. Mautner Markhof die Geschäfte. Nach Kriegsende wurde er als öffentlicher Verwalter seines eigenen Unternehmens eingesetzt. Georg III. der sich in Potsdam aufgehalten hatte flüchtete 1945 vor der sowjetischen Besatzungsmacht nach Brasilien und kehrte erst 1949 nach Österreich zurück.[5]
Die Ära MMM
Mit Kriegsende begann die eigentliche Ära von Manfred I Mautner Markhof (1903-1981), eines Sohnes von Theodor Mautner Markhof, der auf Grund seiner vielfältigen Tätigkeit in Wirtschaft, Politik und Kultur unter dem Kürzel "MMM" fingierte. Auf Grund des 92%igen Aktienbesitzes in österreichischen Händen wurde das Unternehmen nicht als "Deutsches Eigentum" eingestuft und konnte daher ohne Brüche seinen Betrieb weiterführen. Ab 28. Juni 1945 wurde wieder gebraut, ab 1. September 1945 auch wieder 12grädiges Lagerbier. Die Produktion erfolgte allerdings vorerst fast ausschließlich für den Bedarf der Alliierten. Ab Mitte 1948 wurde der Flaschenbierverkauf wiederaufgenommen. Im Jahr 1959 wurde mit der Aktienmehrheit des Brauhauses der Stadt Wien ein Konkurrent übernommen. Im Jahr 1965 erreichte das Unternehmen mit 1,286 Millionen Hektoliter den höchsten Bierausstoss seiner Geschichte. In diesem Jahr übergab Manfred I. Mautner Markhof die Leitung an Gustav I. die nach dessen Tod 1967 an Georg III. überging.[6]
Abstieg
In den 1970er Jahren litt die Brauwirtschaft zunehmend unter wirtschaftlichen Problemen. Manfred II. und Georg IV. versuchten zunächst über Marketing, in weiterer Folge über eine Fusion mit Reinighaus die Situation zu verbessern.[7] Schließlich wurde 1977 die Schwechater Brauerei an die Brau AG, später Brau Union, die 2003 von Heineken übernommen wurde, verkauft und der Hauptsitz nach Linz verlegt. Die Familie Mautner Markhof blieb größter Kernaktionär. Zu Beginn der 1980er Jahre übernahm die fünfte Generation der Familie, Manfred III., Georg IV., Gustav II. und Michael die Unternehmensleitung. Hefefabrik und Feinkost wurden weiterbetrieben, jedoch 2001 an Develey Senf & Feinkost verkauft, die den Betrieb unter der Marke "Mautner" weiterführt.[8] Die Holding Mautner Markhof AG blieb bestehen, ging jedoch 2008 in Konkurs.[9]. Das Betriebsgelände in Schwechat wurde 2012 abgerissen.[10]
Siehe auch:
- Bier
- Brauhäuser
- Brauherren
- Vereinigte Brauereien
- Mautner-Markhof (Familie)
- Mautner-Schlössl
- Mautner Markhof-Denkmal
- Mautner Markhofsches Kinderspital
Literatur
- Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Oesterreichs 1898, Bd. 5, Wien: Leopold Weiss 1898, S. 252-254.
- Alfred Paleczny: Die Wiener Brauherren. Das goldene Bierjahrhundert. Wien: Löcker Verlag 2014, S. 85-132.
- Christian M. Springer, Alfred Paleczny, Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte, Wien: Böhlau Verlag 2016, S. 170-175
- Josef Promintzer: Dreihundert Jahre Brauhaus Schwechat. Vergangenheit und Gegenwart der größten Brauerei Österreichs, dargestellt zu ihrem dreihundertjährigen Jubiläum [1632 - 1932]. Wien: Selbstverlag der Vereinigten Brauereien 1932
- Der XXI. Wiener Gemeindebezirk. Ein Heimatbuch für Schule und Haus. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1926, S. 255 ff.
- http://www.mautner.at/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Mautner_Markhof
Referenzen
- ↑ Alfred Paleczny: Die Wiener Brauherren. Das goldene Bierjahrhundert. Wien: Löcker Verlag 2014, S. 85-87.
- ↑ Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Oesterreichs 1898, Bd. 5, Wien: Leopold Weiss 1898, S. 252-254.
- ↑ Die Gross-Industrie Oesterreichs, Bd. 5, S. 253-254.
- ↑ Paleczny: Wiener Brauherren, S. 104-114.
- ↑ Paleczny: Wiener Brauherren, S. 115-121.
- ↑ Paleczny: Wiener Brauherren, S. 120-126.
- ↑ Alfred Paleczny: Die Wiener Brauherren. Das goldene Bierjahrhundert. Wien: Löcker Verlag 2014, S. 120-126.
- ↑ http://www.mautner.at/
- ↑ https://de.wikipedia.org/wiki/Mautner_Markhof
- ↑ Paleczny: Wiener Brauherren, S. 130.