Neuer Streicherhof
Neuer Streicherhof (3., Ungargasse 27), weitläufige Anlage mit unregelmäßig angeordneten Hoftrakten und einer langgestreckten Straßenfront.
Johann Baptist Streicher, der 1833 von seinem Vater Andreas Johann Streicher den Alten Streicherhof (3, Ungargasse 46) erbte, verlegte die Klavierfabrikation in das von ihm 1837 nach Plänen von Anton Grünn errichtete Haus "Zum goldenen Karpfen", das daraufhin "Neuer Streicherhof" genannt wurde. Im ersten Geschoß des mit einer klassizistischen Fassade versehenen rechten Hoftrakts richtete er einen Schau- und Vorführraum ein, der dem Saal im alten Hof nachgebildet war und sich zu einem beliebten Konzertsaal entwickelte. Zu den Gästen und Freunden des Hauses gehörten Clara und Robert Schumann, Johannes Brahms, Franz Liszt, Frédéric Chopin und Charles Gounod, Jenny Lind, Johann La Roche, Charlotte Wolter, Heinrich Laube, Hans Makart und Franz Grillparzer. Johann Baptists Sohn Emil erbte 1871 die Fabrik und den "Neuen Streicherhof", den er 1877 durch den Zubau eines Hof- und Seitentraktes erweitern ließ. Die Fabrik bestand bis 1896 und wurde aufgelöst, als Emils Sohn Theodor keine Neigung erkennen ließ, das Unternehmen zu führen, sondern sich ausschließend als Komponist betätigte. 1895 Gebrüder Stingl (Stingl Gustav Ignaz).
Einige Details zu ehemalige Bewohner und Institutionen der Ungargasse 27
- Mietmöbel Föhr. Carl Oskar Föhr gründete im Jahr 1873 in Wien einen Dekorations- und Tapeziererbetrieb. Der "FÖHR Goldstuhl" wurde 1895 für höfische Anlässe in der eigenen Tischlerei gefertigt. Der älteste Sohn der Familie Föhr, Franz Marischka[1] führte den Betrieb ab 1908 weiter und machte ihn zur ersten und für lange Zeit einzigen "Möbelverleihanstalt" Österreichs mit Firmensitz in der Ungargasse. Der Betrieb übersiedelte um 1990 in eine größere Betriebshalle in Wien-Simmering.
- Emil Streicher (1884). Die bis 1896 bestehende Hofpianofortefabrik.[2]
- Das k. k. naturhistorische Hofmuseum, Ungargasse 27. Viele Unternehmungen vergrößerten die Bestände des Naturhistorischen Museums (1., Burgring 7) so sehr, dass neue Räumlichkeiten bezogen werden mussten: Völkerkundliche Exponate der Brasilien-Expedition wurden - um ein Beispiel zu nennen - im "Kaiserhaus" in der Ungargasse 27 ausgestellt.
- Gebrüder Stingl, K. und K. Hofklavierfabrik (1895). Im Jahr 1931 wurde der historische "Streicher-Saal"[3] mit einem Eröffnungskonzert in seiner ursprünglich Verwendung wiedereröffnet.
- Wilhelm Stahl, Uhrmacher und Inhaber der "Ersten Wiener Wecker Reparatur Anstalt", die sich hier im Jahr 1900 befand.[4]
- Peter Pakesch. Galerist. Nachdem Peter Pakesch bereits 1981 seine erste Galerie in 1, Ballgasse 6 eröffnet hatte, betrieb er später eine zweite Galerie im Haus Ungargasse 27/Stiege I, rechts neben dem Hauseingang. Der Zugang zur "Galerie Pakesch" über eine Außentreppe an der Hausmauer erreichbar. Im Jahr 1993 schloss Pakesch seine Galerien in Wien. In den zwölf Jahren seiner Tätigkeit als Galerist konnte er österreichische Künstler wie Franz West und Heimo Zobernig international bekannt machen. In den folgenden Jahren arbeitete er als freier Kurator für die Nationalgalerie Prag, 1996 übernahm er die Position des Direktors an der Kunsthalle Basel.
Literatur
- Walther Brauneis: Ein vergessener Wiener Konzertsaal: in: Mitteilungen Wiener Beethoven-Gesellschaft 4 (1977), S. 14, 16
- Felix Czeike: III. Landstraße. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1984 (Wiener Bezirkskulturführer, 3), S. 67
- Géza Hajós / Walther Brauneis: Die Profanbauten des III., IV. und V. Bezirkes. Wien: Schroll 1980 (Österreichische Kunsttopographie, 44.2), S. 267