Patent- und Normaliensammlung

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Ein Band der Patentsammlung der Stadt Wien, die im frühen 19. Jahrhundert in der Hauptregistratur angelegt wurde.
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Letzte Änderung am 24.04.2024 durch WIEN1.lanm08swa
BildnameName des Bildes AT-WSTLA 3.6.B1.1.1.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Ein Band der Patentsammlung der Stadt Wien, die im frühen 19. Jahrhundert in der Hauptregistratur angelegt wurde.

Patent- oder auch Normaliensammlungen (allgemeiner Gesetzessammlungen) bezeichnen zumeist von Behörden und Ämtern (Regierungs- und Verwaltungseinrichtungen) aber auch Privatpersonen bis ins 19. Jahrhundert angelegte Sammlungen gedruckter und handschriftlicher Einzelschriftstücke mit Gesetzescharakter.

Die ersten Sammlungen traten bereits im Laufe des 16. Jahrhunderts mit der verstärkten Verwendung von Amtsschriften bzw. obrigkeitlichen Verordnungen im frühneuzeitlichen Fürstenstaat auf. Bereits aus dem 15. Jahrhundert sind gedruckte Verlautbarungen überliefert, die jedoch wegen ihrer geringen Auflage und als Gebrauchsschriftstück zum Anschlag an öffentlichen Orten selten überliefert sind.[1] Neben den gedruckten Exemplaren wurden von den Kanzleien auch weiterhin handschriftliche Stücke ausgefertigt.

Seit dem 16. Jahrhundert nahm die Zahl Druckereien in den Regierungssitzen zu und die wichtigsten amtlichen Schreiben wurden gedruckt veröffentlicht. Teilweise lagen umfangreichere Gesetze bereits in Buch- oder Heftform vor, während kleinere Gesetze und Verordnungen in Ein- oder Mehrblattdrucken publiziert wurden. Für die Habsburgermonarchie tritt zudem auch die Besonderheit des mehrsprachigen Drucks für Verordnungen in mehrsprachigen Regionen hinzu.

Oft wurden neue Verordnungen von Seiten des Hofs oder der Regierung per Dekret bekannt gemacht und dann mit dem Auftrag der Vervielfältigung und Kundmachung über unterstehende Behörden, wie Landesregierungen, Kreisämter, Landgerichte und Magistrate sowie deren innerbehördlichen Stellen, wie die Registratur, weitergeleitet.[2] Die Kreisämter besorgten die Verteilung der Verordnungen über eigens dafür abgestellte Boten (Kreisdragoner, später Kreisboten).

Die Sammlungen der erlassenen und erhaltenen Verordnungen wurden in erster Linie von Behörden angelegt. Erst zur Verbesserung der innerbehördlichen Kommunikation, im Zuge der Aufklärung dann auch zur Verbesserung der Vermittlung der Verordnungen und als Übersicht über die Gesetzeslage. Insbesondere durch den allgemeinen Zuwachs von Verwaltungsschriftgut im 17. und 18. Jahrhundert erlangten die Sammlungen größere Bedeutung. Zudem mussten die Landesstellen zeitweise monatlich Belegexemplare von erlassenen Verordnungen an die Hofkanzlei, die Hofkammer und in militärischen Angelegenheit an das General-Militärkommando übermitteln. Die Kreisämter waren gesetzlich dazu verpflichtet erlassene Verordnungen und Zirkulare zu protokollieren. Zu diesen Zwecken wurden in den eigenen Sammlungen Belegexemplare abgelegt. Die Behörden tauschten auch untereinander Stücke aus. Die Sammlungen waren in der Regel nach Sachbegriffen erschlossen und jahrgangsweise gelegt. Es wurden sowohl lose Drucke und Abschriften, als auch gebundene Teilsammlungen gesammelt.[3]

Zu den Behörden traten Privatpersonen als Sammler landesfürstlicher Gesetzgebung hinzu. Diese Sammlungen waren seltener nur auf eine Region oder eine Behörde fokussiert, sondern setzten sich diverser und breiter zusammen. Aus diesen privaten Sammlungen gingen später die ersten halboffiziellen Gesetzessammlungen, wie der Codex Austriacus (1704–1777) hervor. Auch Behörden veröffentlichten halbamtliche Gesetzesübersichten. Diese halbamtlichen Sammlungen wurden mit dem aufkommen offizieller Gesetzessammlungen spätestens unter Joseph II. verboten. Erst nach 1800 etablierten sich periodisch erscheinende Gesetzessammlungen mit Zeitschriftencharakter vollends.[4]

Neben den Patentsammlungen fanden sich in den Behörden auch Normaliensammlungen, welche in der Regel allgemeine Richtlinien für die Verwaltung oder das Militär enthielten. Normalbücher umfassten Verordnungen, die auch auf längere Sicht als juristisch entscheidend angesehen wurden.

Viele der Patentsammlungen gelangten später in die jeweiligen Landesarchive und wurden als separate Sammlungen verzeichnet. Aufgrund ihres großen Umfanges sind sie oft nur teilerschlossen. Langezeit galten die Sammlungen als entbehrlich; in Deutschland wurden historische Gesetzessammlungen im Zuge der Ressourcenknappheit während des zweiten Weltkrieges in einigen Fällen Altpapiersammlungen zugeführt.

Enthaltene Schriftstückgattungen

Der Begriff "Patent" ist nur im weitesten Sinne zutreffend, da er für Sammlungen in der Regel weder zeitgenössisch verwendet wurde, noch rechtshistorisch eindeutig belegt ist. Für landesfürstliche Gesetze wurden Begriffe, wie Mandat, Patent, General, Generalmandat, Satzung, Verordnung, Ordnung, Edikt, Reskript verwendet.[5] Die unterschiedlichen Bezeichnungen können derweil allein von der Art der Ausfertigung durch die Kanzlei herühren. Der Begriff "Gesetz" wird zeitgenössisch nur in der Regel verwendet, wenn tatsächlich eine Volksvertretung am Gesetzgebungsprozess beteiligt war, wie beispielsweise in den Jahren 1848 und 1849. Im 19. Jahrhundert hatten allgemein die Begriffe "Erlass" und "Verordnung" Konjunktur.

Ausgehend vom Patentsammlungsbestand des Wiener Stadt- und Landesarchivs, können in Patentsammlungen in der Regel folgende Schriftstücke auftauchen.

Abbildung Klassifizierung Beschreibung
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Patent, Ordnung Patent Karls VI. aus dem Jahr 1722
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Intimation Intimation des Bürgermeisters der Stadt Wien aus dem Jahr 1738
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Zirkular Zirkular unter Joseph II. aus dem Jahr 1782, welches den sogenannten Stilbruch in der österreichischen Verwaltung einläutete
AT-WSTLA 3.6.A2.1760-01-31.jpg
Edikt Edikt der Niederösterreichischen Landesregierung aus dem Jahr 1760
Normaliensammlung.jpg
Normalie (Generalie) Titelblatt eines Normaliensammlungbandes der Hauptregistratur des Magistrats der Stadt Wien
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Bekanntmachung (Kundmachung, Manifest, Proklamation, Nachricht, Unterricht, Ruf, Avertissement) Nachricht samt Beilage der Niederösterreichischen Landesregierung aus dem Jahr 1788
Dekret
Verwaltungsverordnung

Patent- und Normaliensammlung im Wiener Stadt- und Landesarchiv

Zeitliche Übersicht der Aktenbestände der Patentsammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs und die entsprechenden Findmittel und Erschließungsdaten

Die Patentsammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs ist Teil des Sammlungsbestandes und setzt sich aus über 200 Schachteln, Faszikeln und Laden, mit bisher 2157 erschlossenen Einzelstücken und 222 Büchern zusammen (Stand: März 2024). Die Patentsammlung wurde im frühen 19. Jahrhundert in der Hauptregistratur angelegt. Franz Tschischka, Mitarbeiter der Hauptregistratur und späterer Archivar, hat eine erste Ordnung samt Behelf erstellt. Als 1864 das Archiv aus der Hauptregistratur ausgegliedert wurde, übersiedelten der historische Kern der dortigen Patentsammlung nebst einigen Behelfen in das neu gegründete Stadtarchiv.[6] 1936 wurde durch einen unbekannten Bearbeiter die chronologische Ordnungsarbeit fortgesetzt und eine Kartei[7] angelegt, welche sich heute im Lesesaal des Archivs befindet.

Die bis dahin weiter angewachsene Sammlung hatte Archivar Helmuth Größing 1967 bis 1970 revisioniert und dabei teilweise neu geordnet. Insgesamt wurde der Bestand der Patente in drei Reihen und eine Sammlung von Buchserien gegliedert. Diese insgesamt vier Reihen bilden trotz einiger Umlagerungen und Erschließungsarbeiten neben dem Provenienz-Prinzip noch heute die Ordnungsgrundlage. Die Stücke bis 1709 sind bisher alle erschlossen. Zudem sind die Exemplare bis zwischen 1709 und 1759 teilerschlossen und online recherchierbar. Teile der Sammlung sind nach der ursprünglichen Ordnung der Hauptregistratur des Magristrats der Stadt Wien gelegt und können mit entsprechenden zeitgenössischen Behelfen durchsucht werden. Hauptaussteller der Stücke in der Sammlung waren der jeweilige Regent, die niederösterreichische Landesregierung sowie der Magistrat der Stadt Wien.

Sammlung Anton Ritter Eberl von Ebenfeld

Monogramm-Stempel von Anton Ritter Eberl von Ebenfeld in einigen Bänden der Sammlung.

Zudem besitzt das Archiv auch eine zeitgenössisch angelegte Patentsammlung des aus Böhmen stammenden und später in Wien angestellten Beamten Anton Ritter Eberl von Ebenfeld. Ebenfeld wurde in Steyr geboren und begann seine Karriere in Mähren, 1760 als Appellationsrat in Prag. Im gleichen Jahr wurde er am 30. Juli in den erbländischen Ritterstand erhoben. 1787 wurde er Hofrat der Obersten Justizstelle, ehe er 1795 als Präsident des des niederösterreichischen Landrechtes und Präsident des Merkantil- und Wechselgerichts amtierte. Zwei Jahre später wurde er zunächst interimistischer Leiter und ab 1801 bis zu seiner Pensionierung 1817 Vizepräsident des niederösterreichischen Appellationsgerichts. Zwischen 1808 und 1809 wurde er zum geheimen Rat ernannt. Er verfasste 1778 die zweibändige Rechtsschrift "Adnotationes usibus Boemiae accomodatae ad Jo. Ortwini Westenbergii. Principiajuris juxta ordinem Pandectarum". Er verstarb am 20. November 1820.[8]

Die Sammlung enthält sowohl gedruckte Exemplare als auch handschriftliche Abschriften aus dem 17. bis ins 19. Jahrhundert und wurde teilweise durch Eberl von Ebenfeld kommentiert. Es finden sich vorwiegend Stücke mit böhmischen Bezug: Aussteller der gesammelten und abgeschriebenen Patente waren neben den jeweiligen Herrschern, vorrangig das böhmische Gubernium, das böhmische Appellationsgericht, aber auch die niederösterreichische Landesregierung. Zudem findet sich in Auszügen ein Verzeichnis der rechtswissenschaftlich ausgerichteten Privatbibliothek von Ebenfelds. Einstmals umfasste die Sammlung 17 Bände.

Quellen in Auswahl

Titelblatt des Codex Austriacus, 1704

Literatur

Einzelnachweise

  1. Karl Schottenloher: Der Frühdruck im Dienste der öffentlichen Verwaltung. In: Gutenberg-Jahrbuch 1944/49 (1949), S. 138–148. Hier findet sich auch eine Liste der ersten Amdsdruckschriften aus Wien.
  2. Joseph von Sonnenfels: Über den Geschäftsstyl. Die ersten Grundlinien für angehende österreichische Kanzleybeamte zum Gebrauche der öffentlichen Vorlesungen nebst einem Anhange von Registraturen. Wien: Heubner 1820, S. 140
  3. Joseph von Sonnenfels: Über den Geschäftsstyl. Die ersten Grundlinien für angehende österreichische Kanzleybeamte zum Gebrauche der öffentlichen Vorlesungen nebst einem Anhange von Registraturen. 4. Auflage. Heubner, Wien 1820, S. 314. Exemplarische Begriffe finden sich hier.
  4. Josef Pauser / Martin Scheutz / Thomas Winkelbauer [Hg.]: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien [u.a.]: Oldenbourg 2004, S. 234
  5. Josef Pauser / Martin Scheutz / Thomas Winkelbauer [Hg.]: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien [u.a.]: Oldenbourg 2004, S. 216, 231
  6. Archivbehelf 2/1
  7. Archivbehelfe, K39
  8. Sammlung Chorinsky, Band: 15: Das k.k.n.ö. Appellations-Gericht 1782-1852 resp. 1854, S. 23–24