Archäologie (ur- und frühgeschichtliche, klassische), wissenschaftliche Disziplin zur Erforschung historischer und prähistorischer Zeiträume durch Studium der dinglichen Hinterlassenschaft des vergangenen Menschen (Siedlungen, Kunstdenkmäler, Gegenstände des täglichen Gebrauchs).
Unter dem Eindruck des römischen Kulturerbes der österreichisch-ungarischen Monarchie und der großen Ausgrabungserfolge englischer, französischer und deutscher Archäologen gründete der Archäologe Alexander Conze gemeinsam mit dem Althistoriker Otto Hirschfeld das Archäologische-epigraphische Seminar an der Universität Wien; es entwickelte sich zu einem der führenden Institute für die archäologischen-althistorischen Forschung in der Monarchie, auf dem Balkan und im östlichen Mittelmeer und brachte mehrere Generationen von Gelehrten mit Weltruf hervor. 1870 wurde die Anthropologische Gesellschaft gegründet, die sich auch der prähistorischen und anthropologischen Forschung widmete (Ausgrabungen in allen Kronländern der Monarchie). 1873 entstand die „K. k. Zentralkommision zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmäler" (die ein Netz von Korrespondenten und Konservatoren über die gesamte Monarchie legte) und 1878 die „Kommision zur Förderung prähistorischer Forschungen und Ausgrabungen" an der Akademie der Wissenschaften. Ab 1873 führte Conze von Wien aus unter Einsatz damaliger modernster Methoden (Vermessung, Photographie) im Mittelmeerraum (Samothrake) die erste wissenschaftliche Ausgrabungen durch, die im Gegensatz zu Schliemanns Grabungen rein wissenschaftliche Ziele verfolgten (Funde im Kunsthistorischen Museum), und begann mit der Erforschung römischer Fundstätten auf dem Gebiet der Monarchie.
Als Nachfolger Conzes unternahm Otto Benndorf Expeditionen nach Kleinasien (Entdeckung des Heroons von Gölbaschi-Trysa, Funde im Kunsthistorischen Museum; Ausgrabungsbeginn in Ephesos, 1896). 1906 gründete er das Österreichische Archäologische Institut, das heute in Österreich, Türkei, in Griechenland und Ägypten tätig ist. Erst 1911 entstand an der Universität ein „Institut für prähistorische Archäologie" (erster Ordinarius Moritz Hoernes). Nicht geringen Einfluß auf die Feldforschung besaßen auch die kaiserlichen Sammlungen, vor allem das Münzkabinett und die Anthropologische Abteilung. Nach dem Zerfall der Monarchie gingen die Feldforschungen stark zurück; die Zentralkommision wurde durch das Bundesdenkmalamt ersetzt; die an der Universität Wien verankerte archäologische Forschung konnte jedoch ihre führende Rolle im östlichen Mitteleuropa aufrechterhalten. Der Nationalsozialismus forderte unter den Gelehrten seine Opfer, wogegen andere nach 1945 ihre Positionen verloren; die Verquickung von Nationalsozialismus und Archäologie ist noch nicht aufgearbeitet.
Archäologische Funde bringen bis heute laufend neue Erkenntnisse. Speziell beim Ausbau der U-Bahnlinie U5 und Sanierungsarbeiten in den inneren Bezirken konnte in jüngster Zeit viel Material geborgen werden. Zuletzt wurden römische Torreste am Graben entdeckt.[1]
Ausgrabungen auf dem Boden der Stadt Wien siehe Stadtarchäologie.
Siehe auch
Archäologen und Archäologinnen im Wien Geschichte Wiki
- Wilhelm Alzinger (*Geburtsjahr: 1928, †Sterbejahr: 1998)
- Joseph Calasanz Arneth (*Geburtsjahr: 1791, †Sterbejahr: 1863)
- Otto Benndorf (*Geburtsjahr: 1838, †Sterbejahr: 1907)
- Artur Betz (*Geburtsjahr: 1905, †Sterbejahr: 1985)
- Alexander Conze (*Geburtsjahr: 1831, †Sterbejahr: 1914)
- Rudolf Egger (*Geburtsjahr: 1882, †Sterbejahr: 1969)
- Fritz Eichler (*Geburtsjahr: 1887, †Sterbejahr: 1971)
- Ludwig Hans Fischer (*Geburtsjahr: 1848, †Sterbejahr: 1915)
- Alexander Gaheis (*Geburtsjahr: 1869, †Sterbejahr: 1942)
- Eduard Glaser (*Geburtsjahr: 1855, †Sterbejahr: 1908)
- Maximilian Groller-Mildensee (*Geburtsjahr: 1838, †Sterbejahr: 1920)
- Carl Josef Grysar (*Geburtsjahr: 1801, †Sterbejahr: 1856)
- Carl Haas (*Geburtsjahr: 1825, †Sterbejahr: 1880)
- Ortolf Harl (*Geburtsjahr: 1941)
- Alois Hauser (*Geburtsjahr: 1841, †Sterbejahr: 1896)
- Otto Hirschfeld (*Geburtsjahr: 1843, †Sterbejahr: 1922)
- Josef Keil (*Geburtsjahr: 1878, †Sterbejahr: 1963)
- Friedrich von Kenner (*Geburtsjahr: 1834, †Sterbejahr: 1922)
- Hedwig Kenner (*Geburtsjahr: 1910, †Sterbejahr: 1993)
- Ernst Kirsten (*Geburtsjahr: 1911, †Sterbejahr: 1987)
Bilder
Video
Literatur
- Leonhard Franz / Alfred Neumann [Hg.]: Lexikon ur- und frühgeschichtlicher Fundstätten Österreichs. Wien: Verlag Brüder Hollinek 1965
- Fritz Felgenhauer: Zur Geschichte des Faches „Urgeschichte" an der Universität Wien. In: Studien zur Geschichte der Universität Wien. Band 3. Wien / Graz [u.a.]: Böhlau 1965, S. 7 ff.
- Carl Blaha, Johann Jungwirth, Karl Kromer: Geschichte der Anthropologischen und der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien. Anthropologie und Prähistorie. 90 Jahre anthropologische und prähistorische Forschungsarbeit. In: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien 69 (1969), S. 451 ff.
- Manfred Niegl: Die archäologische Erforschung der Römerzeit in Österreich. Eine wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1980 (Denkschriften / Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, 141)
- siehe Stadtarchäologie
Einzelnachweise
- ↑ Siehe: APA-Meldung vom 17. Juni 2021: Torreste aus der Römerzeit vor Meinl am Graben in Wien freigelegt (zuletzt aufgerufen am 28. Juli 2021).