Schottenstift (Grundherrschaft)
Das Schottenstift war seit seiner Dotation durch Heinrich II. Jasomirgott im Jahr 1161, also seit dem hohen Mittelalter, einer der bedeutendsten Grundherrn in Wien und im Wiener Raum.[1] Es besaß Häuser, Weinberge, Äcker und Wälder.
Die Dotation des Stifts kann als überdurchschnittlich gut bezeichnet werden. Grundbesitz hatte es teilweise zurückgehend bis ins Mittelalter in der Umgebung von Wien, im Marchfeld sowie im mittleren und nördlichen Weinviertel. Hinzu kamen die 1700 erworbenen Güter in Ungarn. Das Stift reagierte auf das schnelle Stadtwachstum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, indem es Gründe innerhalb der Linie parzellierte und versteigerte. Auch Herrschaften außerhalb der Linie wurden angekauft, wie zum Beispiel 1777 ein Gutshof und Grundstücke in Ottakring. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte der Schottenwald vergrößert werden, auch stiftliche Areale von Hütteldorf über Baumgarten und Ottakring bis Dornbach. Mit den Liegenschaften standen den Schotten in sechs Grundherrschaftsbereichen polizeiliche, gerichtliche und finanzielle Ansprüche zu. 1845 wurde das Stiftsgut Montserrat gekauft. Damit stieg die Zahl der untertänigen Häuser innerhalb der Linie auf 1.550 mit circa 53.000 Bewohnerinnen und Bewohnern. Neben den Häusern kam vor allem dem Zehent in den Weinbaugebieten große finanzielle Bedeutung zu.
Die Grundherrschaft im Vormärz
Im Vormärz, also wenige Jahrzehnte vor der Aufhebung der Grundherrschaft 1848, waren die Schotten eine von lediglich sieben verbliebenen Herrschaften im Bereich innerbalb der Linie. Im Bereich der Stadt Wien hatte das Stift aufbauend auf der Dotation aus dem Mittelalter Besitz-, Steuer-, Gerichts- und Verwaltungsrechte akkumuliert. Die Grundherrschaft bestand aus sechs geschlossene Herrschaftsbereichen.
- Die Stiftsherrschaft Schotten in Wien. Diese umfasste die Ortsobrigkeit über die Vorstädte St. Ulrich, Neubau, Schottenfeld und Breitenfeld sowie die Grundobrigkeit über andere Vorstädte. Es handelte sich um die größte nicht-magistratische Grundherrschaft Wiens. Ihr war in Vertretung des Wiener Domkapitels auch die Gerichtsbarkeit in schweren Polizeiübertretungen in Mariahilf und Hernals übertragen, bis 1835 auch im Bereich der Herrschaft Lichtental.
- Die vereinigte Herrschaft Stammersdorf-Breitenlee mit Ortsobrigkeit über die beiden gleichnamigen Dörfer und zum Teil über Enzersfeld. Sitz der Herrschaft war Breitenlee.
- Die Herrschaft Penzing, erworben 1845/46 mit Ortsobrigkeit über Penzing, Reindorf und Rustendorf. Zeitweise übte diese Herrschaft stellvertretend die Ortsobrigkeit über Braunhirschen aus.
- Die Stiftsherrschaft Gaunersdorf (Gaweinstal). Zu dieser Herrschaft gehörten die Landgerichtsbarkeit über den Markt Gaunersdorf und die Ortsobrigkeit über Wieden, Aigen, und Markt Gaunersdorf sowie über Hipples.
- Die Herrschaft Zellerndorf, 1826 im Tauschweg gegen verstreute Liegenschaften erworben. Sie besaß die Ortsobrigkeit über die Ort selbst und grundherrliche Rechte in den Pfarrherrschaften Pulkau und Eggendorf sowie über Untertanen in neun weiteren Orten.
- Die Stiftsherrschaft Telky in den Budaer Bergen mit der Ortsobrigkeit über die Dörfer Jenö, Telky und zum Teil Paty.
Das Stift versuchte, einen möglichst hohen Integrationsgrad seiner Herrschaften zu erreichen. Insbesondere trifft dies im Vormärz für die vier westlichen Vorstädte der Stiftsherrschaft Wien (Schottenfeld, Neubau, St. Ulrich und Breitenfeld) sowie die Herrschaften Stammersdorf-Breitenlee, Gaunersdorf und Zellendorf zu. Dort besaßen die Schotten jeweils die Ortsobrigkeit, die Grundherrlichkeit, das Schulpatronat (mit Ausnahmen), die Pfarrhoheit, die niedere Gerichtsbarkeit und (mit Ausnahme von Zellerndorf) die Steuerbezirksobrigkeit. In Ungarn fehlten Schulpatronat und Pfarrhoheit. Am wenigsten integriert war die neu angekaufte Herrschaft Penzing. Dort hatte man die Ortsobrigkeit und Grundherrlichkeit.
Verwaltungsgliederung der Wiener Stiftsherrschaft
An Geschäftsbereichen bestanden in Wien:
- Die Abteilung für bürgerliche Rechtsangelegenheiten unter der Leitung eines Hofrichters
- Die Abteilung für politische Gegenstände. Dieser unterstanden unter anderem das Grundbuch, das Waisen-, Depositen und Steueramt sowie ein Hilfsamt für Sperr-, Bau- und Schätzungswesen
- Die Abteilung für schwere Polizeiübertretungen
Die lokale Infrastruktur bildeten die vier in den herrschaftseigenen Vorstädten befindlichen Grundgerichte. In allen sechs Herrschaften waren Herrschaftskanzleien eingerichtet, die teilweise als regelrechte Amtshäuser angesprochen werden konnten. Abt Wenzel hatte 1825 in Neubau ein stiftliches Gerichtshaus und in Jenö einen Herrschaftshof errichten lassen. Die Zentralverwaltung befand sich im Schottenhof in der Stadt, lediglich die Abteilung für schwere Polizeiübertretungen amtierte im Gerichtshaus in Neubau. 1847 beschäftigten die Schotten 69 Verwaltungsbeamten, hinzu kamen fallweise 35 beeidete Schätzmeister. Die Zentralkanzlei wurde vom Hofmeister geleitet. Kanzleidirektor war immer ein Priester, der intern Kämmerer hieß.
Aus der grundherrlichen Tätigkeit erwachsenes Verwaltungsmaterial wird heute im Archiv des Schottenstifts und im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrt.
Siehe auch:
- Schottenwald
- Grenzsteine: Schottenwald Grenzsteintypus 1; Schottenwald Grenzsteintypus 2; Schottenwald Grenzsteintypus 3; Schottenwald Grenzsteintypus 4
Quellen
Urkunden
Grundbücher
- Grundbücher Schotten; Zur Topographie und Besitzgeschichte von Wien und Niederösterreich, vor allem von Erdberg, Matzleinsdorf, Lerchenfeld, Breitenfeld, Alsergrund, "Hangende Lüsse", Altmannsdorf, Meidling, Reindorf, Rustendorf, Hütteldorf, Ottakring, Hernals, Döbling, Dornbach, Grinzing, Nussdorf, Sievering, Stammersdorf, Strebersdorf, Aspern, Breitenlee, Hirschstetten, Kagran, Stadlau, Süßenbrunn, Inzersdorf, Achau (Niederösterreich, Bezirk Mödling), Aderklaa (Niederösterreich Bezirk Gänserndorf), Brunn am Gebirge (Niederösterreich, Bezirk Mödling), Enzesfeld (Niederösterreich, Bezirk Baden), Hagenbrunn (Niederösterreich, Bezirk Korneuburg), Kleinengersdorf (Niederösterreich, Bezirk Korneuburg, Gemeinde Bisamberg), Klosterneuburg (Niederösterreich, Bezirk Wien-Umgebung), Königsbrunn (Niederösterreich, Bezirk Korneuburg), Laxenburg (Niederösterreich, Bezirk Mödling), Niederrußbach (Niederösterreich, Bezirk Korneuburg), "Oberschönbühel", Pulkau (Niederösterreich, Bezirk Hollabrunn), Rannersdorf (Niederösterreich, Bezirk Wien-Umgebung, Gemeinde Schwechat) , Reinprechtsdorf (Niederösterreich, Bezirk Horn), Schwechat (Niederösterreich, Bezirk Wien-Umgebung), "Wienerberg", Zellerndorf (Niederösterreich, Bezirk Hollabrunn): Dienst-, Satz- und Gewerbücher: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 29 - Grundbuch Schotten 1314-1880
- Zu Häusern in der Herrengasse: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 103 - Grundbuch Schotten 1672-1850 Grundherrschaft niederösterreichische Stände (1718-1848)
- Zu Stadt (Basteihäuser), Erdberg und Simmering: Dienst-, Satz- und Gewerbücher, Häuserverzeichnis: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 105 - Grundbuch Heiligenkreuz - Klosterneuburg - Minoriten 1850-1880
- Vor allem zu Gumpendorf und St. Ulrich, Grundherrschaft Schotten seit 1708: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 143 - Grundbuch Domkapitel 1685-1748
- Vor allem zu Neubau, St. Ulrich und Schottenfeld, Grundherrschaft Schotten 1629/31-1850: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 144 - Grundbuch St. Ulrich (Oberhof) 1586-1880
- Vor allem zu Gut Neudeggerhof (St. Ulrich und "Puechfeld") und von Schottenfeld; Grundherrschaft Schotten seit 1694: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 145 - Grundbuch Bistum Passau 1533-1880
- Vor allem zu Alsergrund ("Neuhof"): Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 149 - Grundbuch Schotten 1657-1880
- Vor allem zu Breitensee; Uttendorfer Stiftung auf St. Katharinenaltar bei den Schotten: Wiener Stadt-und Landesarchiv, Grundbücher, 184 - Grundbuch Uttendorfer-Stiftung (1519)-1719-1880
- Vor allem zu Fünfhaus; Grundherrschaft Schotten 1629-1850: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 204 - Grundbuch Oberhof St. Ulrich 1430-1880
- Vor allem zum 15. Bezirk: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, Grundbuch Bezirksgericht Sechshaus und Hernals 1872-1881
- Vor allem zu Gersthof, Währing, Döbling, Grinzing, Sievering; Grundherrrschaft Schotten 1783-1850: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 219 - Grundbuch Bergamt Währing 1483-1880
- Vor allem zum 19. Bezirk: Schotten als Vorgängergrundherrschaft über Währing, Oberdöbling, Sievering und Grinzing (auch Zahnradbahn Kahlenberg): Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grrundbücher, 234 - Grundbuch Bezirksgericht 1850-1880
Patrimoniale Verwaltung
- Patrimonialverwaltung: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Patrimoniale Verwaltung und Justiz, Herrschaft Stift Schotten 1554-1850
- Herrschaft Montserrat; Grundherrschaft Schotten seit 1783: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Patrimoniale Verwaltung und Justiz, 15 - Herrschaft Montserrat 1618-1850
- Herrschaftsverwaltung: Archiv des Schottenstifts
Literatur
- Ernest Hauswirth: Abriß einer Geschichte der Benedictinerabtei U. L. F. zu den Schotten in Wien. Wien: Mechitharisten-Congregations-Buchdruckerei 1858
- Walter Sauer: Stift und Grundherrschaft Schotten im Vormärz. In: Unsere Heimat. Zeitschrift des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 54 (Heft 1, 1983), S. 16-35