Katholischer Wohltätigkeitsverband für Niederösterreich
Der "Katholische Wohltätigkeitsverband für Niederösterreich" ist die Vorgängerorganisation des Caritasverbandes für die Erzdiözese Wien. Er ging aus der 1897 gegründeten "Centralstelle der katholischen Vereine für freiwillige Armenpflege" hervor und konstituierte sich am 28. Mai 1903 im Vorfeld des "Zweiten Congreßes der katholischen Wohltätigkeitsvereine Österreichs", der von 7. bis 8. Juni 1903 in Graz stattfand. Seinen Sitz hatte er bis 1908 in 1., Bäckerstraße 14. Der Katholische Wohltätigkeitsverband für Niederösterreich wuchs rasch zu einer großen Organisation, der bereits 1908 mehr als 100 Vereine angehörten.
1908 bekam der Verband von der Gemeinde Wien das ehemalige Waisenhaus in 7., Kaiserstraße 92 geschenkt mit dem Auftrag, ein Kaiserjubiläums-Zentralfürsorgeheim zu errichten.
Während des Ersten Weltkriegs erwarb er 1916 ein weiteres Caritashaus am Währinger Gürtel 104 und verlegte seinen Sitz von der Kaiserstraße hierher.
Die Aufgabenfelder des Verbandes waren vielfältig: offene Armenpflege, Kinder- und Jugendschutz, Hauskrankenpflege, Unterstützung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Wohnungslosenhilfe, Gefangenenfürsorge, Sorge um Auswandernde.
Während in den ersten Jahren für neue Tätigkeitsfelder Vereine gegründet wurden, um sich dem jeweiligen Themengebiet zu widmen - wie beispielsweise die Bahnhofsmission oder der Zentralverein für Hauskrankenpflege -, übernahm der Verband später auch eigene Aufgaben. So entstand im Haus in der Kaiserstraße ein Heim für obdachlose Familien, eine Krisenunterbringung für (Straßen-)Kinder und das Hilfskomitee für die Jugendgerichtshilfe, später auch eine Berufsberatung für Jugendliche.
Während des Ersten Weltkriegs beteiligte sich der Verband auch an der Kriegsküchenaktion, betrieb eigene Krankenküchen, ein Kinder-Belichtungsambulatorium und eine Kostplatzvermittlung für Kinder. In 11., Molitorgasse 13 errichtete er die Jugendfürsorgeanstalt St. Raphael.
1919 vereinigte sich der Katholische Wohltätigkeitsverband für Niederösterreich mit dem "Reichsverband der katholischen Wohltätigkeitsorganisationen Österreichs" zum "Österreichischen Karitasverband für Wohlfahrtspflege und Fürsorge". Damals galt dieser Verband als "größtes Werk der privaten Fürsorge und Wohltätigkeit".
Präsidenten und deren Stellvertreter*innen
- 1903: Präsident: Maximilian von Vittinghoff-Schell
Stellvertreter*innen: Franz Martin Schindler, Aloisia Fünfkirchen-Liechtenstein
- 1904–1906: Präsident: Kurt Spiegel-Diesenberg
Stellvertreter*innen: Franz Martin Schindler, Aloisia Fünfkirchen-Liechtenstein
- 1906–1908: Präsident: Franz Martin Schindler
Stellvertreter*innen: Ignaz Stich, Aloisia Fünfkirchen-Liechtenstein
- 1908–1909: Präsident: Ferdinand von Bouquoi
Stellvertreter*innen: Ignaz Stich, Aloisia Fünfkirchen-Liechtenstein
- 1910–1919: Präsident: Maximilian Vittinghoff-Schell
Stellvertreter*innen: Ernst Marschall, Stephanie Wenckheim
Vereine im Verband (Auswahl)
- Elisabethverein (gegründet 1854)
- Epileptiker-Fürsorge (gegründet 1918)
- Fürsorgeverein Maria Josefinum (gegründet 1902)
- Haupt-Verein für Kinder-Bewahranstalten (gegründet 1831)
- Haus der Barmherzigkeit (gegründet 1854)
- Hilfsverein für Lungenkranke (gegründet 1902)
- Katholische Bahnhofsmission in Wien (gegründet 1904)
- Katholischer Frauen-Wohltätigkeitsverein (gegründet 1848)
- Katholischer Gesellenverein (gegründet 1852)
- Katholischer Waisen-Hilfsverein (gegründet 1878)
- Mater-admirabilis-Verein (gegründet 1872)
- Schutzverein für die gefährdete männliche Jugend (gegründet 1917)
- St. Raphael-Verein (in Wien gegründet 1890)
- Verein "Fürsorge für Schwachsinnige" (gegründet 1902)
- Verein Kinder-Schutzstationen (gegründet 1901)
- Verein Mädchenschutz und Fürsorge (gegründet 1906)
- Verein Volkslesehalle (gegründet 1899)
- Vinzenzverein (in Wien gegründet 1854)
- Werk des heiligen Philipp Neri (gegründet 1894)
- Wiener Brockensammlung (gegründet 1904)
- Zentralverein für Hauskrankenpflege (gegründet 1900)
Literatur
- Silvia Ursula Ertl: Geschichte der Caritas der Erzdiözese Wien. Die verbandliche Organisierung 1897-1921. Linz: Wagner Verlag 2022