Albertinischer Plan (1421/1422)
Übersicht
Der sogenannte "Albertinische Plan" ist die älteste bekannte planartige Darstellung der Stadt Wien, die zugleich in einer Art Nebenkarte auch Pressburg (heute: Bratislava, Slowakei) zeigt. Es handelt sich um eine kolorierte Federzeichnung. Er ist benannt nach dem römisch-deutschen König Albrecht II. Der Urheber ist nicht bekannt, möglicherweise entstand er im Kreis um Johannes von Gmunden.
Geschichte
Das Blatt wurde 1825 aus nicht überlieferter Quelle von Joseph Martin von Reider (1793-1862) in Bamberg für seine Sammlung erworben. 1849 sah dort der damalige Abgeordnete im Frankfurter Parlament und spätere Ordinarius für Geschichte in Innsbruck Heinrich Glax (1808-1879) den Plan. Noch im selben Jahr wurde er von Theodor Georg von Karajan erworben und nach Wien gebracht, wo er sofort großes Aufsehen erregte. 1876 schenkten ihn Karajans Erben der Stadt Wien.
Der Umstand, dass der Plan augenscheinlich dem 15. Jahrhundert entstammte und sowohl Wien als auch Pressburg zeigt, ließ sofort einen Zusammenhang mit Albrecht II. vermuten, der in seinen beiden letzten Lebensjahren als erster Habsburger sowohl deutscher (römischer) als auch ungarischer und böhmischer König war. So bürgerte sich die Bezeichnung "Albertinischer Plan" ein.
Ältere Forscher datierten ihn auf zwischen 1438/1439 und 1455, mit der Begründung der Regierungszeit von König Albrechts II., seinen Beziehungen zu Pressburg, sowie auf Grund einer falschen Datierung der Alsableitung aus der Stadt. Moritz Dreger bezeichnete ihn als Fälschung (vermutlich von Georg Zappert, zirka 1847/1849). Max Kratochwill deutet ihn als eine wahrscheinlich in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu datierende Kopie (unbekannter Hand) eines 1421/1422 entstandenen Originals, das im Zusammenhang mit der Eheschließung Albrechts entstanden sein dürfte, wobei er für die originale Planverfassung den Kreis um Johannes von Gmunden in Betracht zieht.
Inhalt
Auf dem Plan wird die Stadt Wien durch einen nach außen geklappten Mauerring mit Türmen und sieben (mit Namen bezeichneten) Stadttoren repräsentiert, in dessen Inneren sich die Beschriftung "Das ist die stat Wienn" findet. Er zeigt sowohl in wie vor der Stadt fast ausschließlich geistliche Objekte (Kirchen, Kapellen, Klöster, Spitäler) sowie die Alte Burg ("Das ist dy purck"), die Universität ("Das ist dy hoch schul") und das "Paradeyß" (einen landesfürstlichen Lustgarten vor dem Kärntner Tor, auf dessen Areal zwischen Wiedner Hauptstraße und Operngasse später das Starhembergsche Freihaus entstand). Sehr großzügig im Verlauf sind Wienfluss, Donauarm und Alsbach geführt, die ganze Darstellung ist grob nach Südsüdwest ausgerichtet. In gleicher Weise, jedoch genordet, findet sich in der linken oberen Ecke Pressburg ("Die stat prespurk") mit Mauer und der darüber liegenden Burg ("Das hauß ob prespurck") wiedergegeben.
Quellenkritik
Die Darstellung der Objekte zumeist im Aufriss, teilweise in einer Art Vogelschau, verdeutlicht deren topographische Lage. Für die tatsächlichen architektonischen Gegebenheiten bietet die Darstellung kaum Anhaltspunkte. Die auf den ersten Blick differenziert wirkenden Symbole lassen sich letztlich bei genauerer Betrachtung auf einige wenige Typen zurückführen, sie könnten als Vorformen von Kartensignaturen gesehen werden. Einfache und doppelte Linien im Vorstadtbereich wurden als Burgfriedensgrenze, Vorstadtbefestigungen, Verkehrswege oder Pilgerrouten gedeutet, ohne dass eine der vorgeschlagenen Erklärungen sich durchsetzen konnte. Möglicherweise verkörpern sie teils Verkehrswege (z.B. Wienflussbrücke und Wiedner Hauptstraße), teils Partien der Vorstadtbefestigung, vermutlich jedoch im Gelände tatsächlich sichtbare Linien und nicht nur ideelle wie etwa die Burgfriedensgrenze.
Problematisch ist auch der am rechten unteren Rand beigegebene graphische Maßstab über 1050 Schritt. Er kann nicht nachträglich auf dem vorliegenden Blatt eingezeichnet worden sein. Doch die Lagegenauigkeit der eingezeichneten Örtlichkeiten wie die unrichtige Anzahl der Stadttürme spricht gegen eine der Zeichnung vorangegangene Vermessung, allenfalls ein grobes Abschreiten ist vorstellbar. Es bleibt daher fraglich, ob sich der Maßstab bereits auf der vermuteten Vorlage von 1421/22 befand, oder ob er einfach "gelehrte Zutat" auf der Nachzeichnung aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ist. Auch lassen sich die Maßangaben (zehn "gemein schriet" entsprechen zwanzig "schuche[n]") nicht ohne weiteres mit uns bekannten Größen in Einklang bringen, letztlich bleibt unklar, welches Maßsystem ihm zugrunde liegt.
So stellen sich bei Betrachtung des "Albertinischen Plans" nach wie vor eine Reihe von Fragen, die noch nicht befriedigend beantwortet sind. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es sich um einen der ältesten überlieferten mittelalterlichen Stadtpläne handelt (von Jerusalem- und Romkarten abgesehen).
Quellen
Literatur
- Ernst Bemleithner: Niederösterreich im Kartenbild der Zeiten. In: Unsere Heimat. Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich. St. Pölten: Verein für Landeskunde von Niederösterreich 24 (1953), S. 192
- Ernst Bemleithner: Die Entwicklung der Kartographie in Österreich. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 22 (1959), S. 157
- Karl Fischer: Textkommentar zum Albertinischen Plan, in: Wien. Stadtpläne und Ansichten ab dem 15. Jahrhundert (Historischer Atlas von Wien, 13. Lieferung Wien 2010; DVD)
- R. Härtel: Inhalt und Bedeutung des "Albertinischen Planes" von Wien. Ein Beitrag zur Kartographie des Mittelalters. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Wien/München: Oldenbourg / Wien/Graz/Köln: Böhlau / Innsbruck: Wagner 87 (1979), S. 337 ff.
- Max Kratochwill: Zur Frage der Echtheit des "Albertinischen Plan" von Wien. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 29 (1973), S. 7 ff.
- Max Kratochwill: Neues zum "Albertinischen Plan" von Wien. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft 116 (1974), S. 202 ff.
- Max Kratochwill: Albertinischer Plan. In: Ingrid Kretschmer [u.a.]: Lexikon zur Geschichte der Kartographie. Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg. Band 1: Wien: Deuticke 1986, S. 10
- Karl Lind: Plan der Stadt Wien aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 10 (1869), S. 223 ff.
- Ferdinand Opll: Wien im Bild historischer Karten. Wien: Böhlau 1983, S. 80
- Richard Schuster: Zappert's "Ältester Plan von Wien". Wien: Tempsky 1892 (Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 127, 6)
- Franz Wawrik [u.a.] [Hg.}: Österreich auf alten Karten und Ansichten. Austria picta. Ausstellung der Kartensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Prunksaal 11. Mai bis 8. Oktober 1989. Handbuch und Katalog. Graz: Akademische Druck- und Verlags-Anstalt 1989, S. 342
- Carl Weiß: Wien's ältester Stadtplan aus den Jahren 1438 - 1455. Wien: Gerold 1869