Fürsttheater
48° 13' 2.76" N, 16° 23' 46.94" E zur Karte im Wien Kulturgut
Fürsttheater, Jantschtheater, Lustspieltheater, Kino-Lustspieltheater (2., Prater 1; Volksprater). Praterhütte 45, vor 1871 Nr. 78.
Erste Jahre des Fürsttheaters
1808 stand an dieser Stelle, der Praterhütte Nr. 45, ein kleines mechanisches Theater. 1845 kaufte der Menageriebesitzer Heinrich Schreyer die Hütte - von nun an konnte man dort das Schreyer'sche Affentheater besuchen, in dem unter anderen ein Ameisenbär auftrat und seine Kunststücke zeigte.
Nach Schreyers Tod führte dessen Frau den Betrieb noch einige Zeit weiter, ehe sie ihn 1861 an den Volkssänger Johann Fürst verkaufte. Das erste Ansuchen zur Errichtung eines Volkstheaters noch in diesem Jahr wurde abgelehnt, doch schon im Jahr darauf suchte Fürst erneut um Erteilung der Theaterkonzession an, dieses Mal mit Erfolg.
Johann Fürst eröffnete den Holzbau am 21. April 1862 als Singspielhalle, einer, so Franz Hadamowsky, "Art Oper des kleinen Mannes, Mittelding zwischen Theater und Volkssängervorführung". 1865 übernahm Fürst zusätzlich das Josefstädter Theater, das er - nach der Sommerspielzeit im Prater - am 7. Oktober 1865 eröffnete. Doch das Josefstädter Unternehmen hatte keinen Erfolg, und bereits 1866 führte Fürst erneut nur noch sein "Fürsttheater" im Prater, machte jedoch in den folgenden Jahren immer wieder Abstecher an andere Orte, ehe er zwischen 1874 und 1877 erneut das Josefstädter Theater pachtete und parallel zu seinem Prater Unternehmen bespielte.
1872 wurde das Objekt im Vorfeld der Weltausstellung 1873 und im Zuge der diese begleitenden Praterregulierung nach Plänen des Architekten Lothar Abel als Riegelwandbau neu erbaut und zu einem gegen die Feuerwerkshalle vorgerückten, wesentlich größeren Theater umgestaltet. das sich ab dem Ostermontag 1873 auch offiziell "Fürsts Volkstheater im k. k. Prater" nennen durfte. Gegenüber dem Fürsttheater entstand 1873 der Circus Carré.
1877 stieß der Komiker Ludwig Gottsleben zu Fürst.
Johann Fürst erhielt vorerst eine Spielgenehmigung für fünf Jahre. Ab 1879 wurden die Praterhüttengenehmigung jedoch nur noch jährlich vergeben, und Fürst musste bis zu seinem Tod im Jahr 1882 jährlich um eine Konzessionsverlängerung einreichen.
Weiterbetrieb durch Paul Mestrozi
Nach Fürsts Tod wurde die Bühne, die nun von seinen beiden minderjährigen Kindern, Barbara und Bertha, beziehungsweise deren Vormund geleitet wurde, noch weitere vier Jahre mit gutem Erfolg geführt, ehe die Mutter der beiden Erbinnen, die Tänzerin Betty Nippicher, heiratete, mit den Töchtern nach Brüssel zog - und das Theater 1886 an den Kapellmeister Paul Mestrozi verkaufte. Mestrozi konnte das Theater jedoch aufgrund seiner "unseriösen Lebenshaltung" nicht betreiben, auf Druck der Behörden wurde er dazu verpflichtet, einen künstlerischen Leiter an seine Seite zu holen, um so die Bühne nicht zu verlieren. Das Theater konnte sich so noch weitere sechs Jahre halten, Anfang 1892 zwang jedoch Mestrozis Hauptgläubiger diesen, den Betrieb zur Bezahlung der Ausstehenden Schulden an den bekannten Wiener Theaterdirektor und Dichter Heinrich Jantsch zu verkaufen.
Jantschtheater
Unter Jantschs Leitung wurde das Theater adaptiert und als "Wiener Volkstheater im k. k. Prater" wiedereröffnet und in den folgenden sechs Jahren als reines Sommertheater geführt. Da der Name zu Irritationen führte, änderte Jantsch ihn bald schon zuerst in "Jantsch Wiener Volkstheater im k. k. Prater" und schließlich 1893 in "Jantschtheater". Nach sechs Jahren, in denen er nur im Sommer im Prater spielen konnte und im Winter an immer wieder anderen "winterfesten" Orten spielen musste, entschloss sich Jantsch, den Betrieb im Prater winterfest zu machen.
1898 wurde das Etablissement nach Plänen von Alfred Bayer neu errichtet und am 3. September mit dem Stück "Julius Cäsar" eröffnet. Von nun an sollten hier im Winter Klassiker und ernste Stücke und im Sommer Komödien und Ausstattungsstücke gezeigt werden. Doch Jantsch starb völlig unerwartet am 2. Februar 1899, seine beiden Kinder Heinz und Margaretha erbten das Theater, der Betrieb wurde von Jantschs langjährigem Sekretär und Stellvertreter August Lischke weitergeführt, doch die Konkurrenz durch Gabor Steiners "Venedig in Wien" war zu groß: Der Betrieb konnte sich in dieser Form nicht weiter tragen und die Erben entschlossen sich, ihr Theater vorerst zu verpachten. Das Konzessionsansuchen des Wiener Theateragenten Karl Weiß wie auch jenes von Josef Jarno wurden jedoch vorerst abgewiesen, und am 1. Juni 1900 erhielt der Innsbrucker Theaterdirektor Adolf Ranzenhofer die Konzession auf sechs Jahre - doch bereits 1904 wurde diese obsolet, da Jantschs Erben das Theater nun doch zur Gänze verkauften.
Lustspieltheater
Der neue Eigentümer, Josef Jarno, ließ das Theater neuerlich adaptieren und eröffnete es am 23. April 1905 unter dem Namen "Lustspieltheater" mit einem französischen Lustspiel. "Da Jarno zwei Theater zu betreuen hatte, bestimmte er für das Lustspieltheater Stellvertreter: 1905 J. H. Grohs, 1908 Wolfgang Geier, 1911 Josef Bürger, 1912 [[Rudolf Beer (Regisseur) | Dr. Rudolf Beer]]. Der Spielplan Jarnos im Lustspieltheater glich in den folgenden Jahren sehr dem des Josefstädter Theaters, da sein Ensemble abwechselnd in beiden Theatern spielte; in Serienaufführungen französischer Schwänke waren literarische Abende eingestreut; das Volksstück war im Spielplan des Lustspieltheaters stärker vertreten als in dem der Josefstadt; im Prater spielte er auch Operetten, die im 8. Bezirk gänzlich fehlten."[1]
1906 verpachtete Jarno das Theater an Kurt von Lessen (Siegfried von Lützow), doch bereits 1907 legte Lessen die Konzession erneut zurück, Jarno führte den zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sehr erfolgreichen Praterbetrieb erneut allein weiter. Während des Ersten Weltkriegs blieb das Theater monatelang geschlossen, danach wurde es von Jarno an die Brüder Schwarz verpachtet - deren Eröffnungsproduktion "Prinzessin Revue" über 400 Vorstellungen in Serie erlebte. 1921 ging die erfolgreiche Pacht zu Ende, Jarno verpachtete nun an andere Personen, ehe er, nachdem er das Theater in der Josefstadt aufgeben musste, ab 1923 und bis zum Ende des Theaterbetriebs an diesem Standort wieder alleinverantwortlich im Prater tätig war.
Mit einer Aufführung des Schwanks "Die Keuschheitskommission" von Richard Manz schloss das Theater am 31. August 1927 für immer seine Pforten und wurde daraufhin zu einem Kino mit 1.065 Sitzplätzen auf drei Etagen umgestaltet.
Umgestaltung zum Prater Lustspielkino
Am 1. Dezember 1927 wurde das Lustspieltheater als Kino wieder eröffnet. Zur Geschichte des Kinos siehe: Lustspiel Theater Kino.
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 18 Einträge von Personen, die im Fürsttheater engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
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Rudolf Beer (Regisseur) | Regisseur Schauspieler | 22 August 1885 | 9 Mai 1938 | |
Lucie Englisch | Schauspielerin | 8 Februar 1902 | 12 Oktober 1965 | |
Johann Fürst | Volkssänger Theaterdirektor | 17 April 1825 | 19 Oktober 1882 | |
Ludwig Gottsleben | Schriftsteller Schauspieler | 24 November 1836 | 26 Februar 1911 | |
Karl Gründorf | Schauspieler Regisseur Schriftsteller Dichter | 1 Mai 1830 | 24 Juli 1906 | |
Heinrich Jantsch | Schauspieler Theaterdirektor Schriftsteller Stenograph | 7 März 1845 | 5 Februar 1899 | |
Josef Jarno | Schauspieler Theaterdirektor | 25 August 1865 | 11 Januar 1932 | |
Hermine Kleiber | Sängerin Schauspielerin | 10 April 1843 | 28 Juni 1920 | |
Fritz Lunzer | Schauspieler Bühnenschriftsteller | 19 Oktober 1877 | 16 März 1940 | |
Josef Matras | Sänger Komiker Schauspieler Volkssänger | 1 März 1832 | 30 September 1887 | |
Hansi Niese | Schauspielerin Sängerin | 10 November 1875 | 4 April 1934 | |
Viktoria Pohl-Meiser | Schauspielerin Sängerin Tänzerin | 28 November 1859 | 17 Juni 1936 | |
Annie Rosar | Schauspielerin | 17 Mai 1888 | 5 August 1963 | |
Clemens Franz Stix | Schauspieler Schriftsteller | 1822 | 8 Mai 1872 | |
Katharina Straßer | Schauspielerin | 11 März 1984 | ||
Leopold Straßmeyer | Schauspieler | 23 Dezember 1846 | 3 Dezember 1927 | |
Betty Vanini | Schauspielerin Sängerin Opernsängerin | 25 April 1814 | 31 Mai 1916 | |
Turl Wiener | Schauspieler Sänger | 7 September 1875 | 15 August 1971 |
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8: 19 - Jantschtheater; Fürsttheater; Lustspieltheater
- Theaterzettel 1862-1927
Literatur
- Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 166, 184, 202
- Christian Dewald / Werner Michael Schwarz: Kino des Übergangs. Zur Archäologie des frühen Kinos im Wiener Prater. In: Christian Dewald / Werner Michael Schwarz (Hg.): Prater Kino Welt. Der Wiener Prater und die Geschichte des Kinos. Wien 2005, S. 11-85
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 1: Geschichte, historische Hilfswissenschaften, Festungswerke und Kriegswesen, Rechtswesen, Kulturgeschichte, Sittengeschichte. Wien: Touristik-Verlag 1947, S. 420
- Franz Hadamowsky: Wien – Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, S. 651 ff.
- Hans Pemmer / Ninni Lackner: Der Prater. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien, München: Jugend & Volk 1974 (Wiener Heimatkunde), S. 140 ff.
- Hans Pemmer / Ninni Lackner: Der Prater einst und jetzt. Leipzig / Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1935
- Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 198
- Ursula Storch: Das Pratermuseum. 62 Stichwörter zur Geschichte des Praters. Wien 1993
- Ursula Storch: Vom Wurstelprater zum Volksprater. Die Praterregulierung anlässlich der Weltausstellung. In: Wolfgang Kos / Ralph Gleis: Experiment Metropole. 1873: Wien und die Weltausstellung. Ausstellungskatalog Wien Museum. Wien 2014
- Paul S. Ulrich: Wiener Theater (1752–1918). Dokumentation zu Topographie und Repertoire anhand von universalen Theateralmanachen und lokalen Theaterjournalen. Mit einem Überblick zu Zeitungen mit Theaterreferaten und deren Referenten. Wien: Hollitzer 2018 (= Topographie und Repertoire des Theaters 1), S. 49-53
Einzelnachweise
- ↑ Franz Hadamowsky: Wien – Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, S. 658 f.