Harmonietheater
48° 13' 10.75" N, 16° 21' 32.08" E zur Karte im Wien Kulturgut
Harmonietheater (9., Wasagasse 33).
Erbauung und Eröffnung
Die Schauspielerin des Josefstädter Theaters, Amalia von Vogl, vermählte Freifrau Pasqualati, war die Begründerin eines bis 1862 bestehenden Liebhabertheaters im Schönbornpalais (8.; "Pasqualatitheater"), in dem sie selbst als Schauspielerin aufgetreten war. 1860 bemühte sie sich um die Konzession für ein öffentliches Theater, zu dessen Bau sie (nach Intervention Franz Josephs I.) am 30. Oktober 1860 die Genehmigung erhielt. Das "k. k. privilegierte Harmonietheater" in der Alservorstadt wurde 1864/1865 nach Plänen der Baumeister Dräsche und Weiß erbaut, der Theatersaal von Stadtbaumeister Anton Dittrich nach Plänen Otto Wagners eingerichtet. Beim Ausheben der Baugrube war man auf die Fundamente des weitläufigen Hauses "Zum goldenen Engel" gestoßen und entdeckte weitverzweigte Keller beziehungsweise unterirdische Gänge, die größtenteils abgemauert wurden. Die Eröffnungsvorstellung fand am 20. Jänner 1866 statt. Der Prolog kündigte Operette, Lustspiel, Posse, Scherz und Schwank als Aufgaben des jungen Hauses an, ein Programm, zu dem das spätere Orpheum erst nach 25 Jahren unter Direktor Gabor Steiner wieder zurückkehrte. Ludwig Anzengruber stand im Harmonietheater im Frühjahr 1866 unter dem Namen Gruber erstmals auf der Bühne.
Schließung und Neueröffnung
Erster Kapellmeister der Bühne war der Komponist F. C. Konradin, der zweite Carl Millöcker. Das Theater wechselte mehrmals seine Direktoren. Robert Löwe hat schließlich das nicht rentable Theater am 9. Mai 1867 geschlossen. Am 6. Mai 1867 hatte Amalia von Pasqualati einen Vertrag mit Carl Schwender unterzeichnet, demzufolge sie diesem den Theaterfundus für sein im Bau befindliches Varieté-Theater in der Hietzinger Neuen Welt überließ, das am 1. Juni 1867 mit dem unter Vertrag genommenen Harmonietheater-Ensemble eröffnet wurde. Nachdem das Harmonietheater über den Sommer leergestanden hatte, erfolgte am 26. Oktober 1867 durch den Komponisten und neuen Direktor Johann Klerr die Wiedereröffnung. Klerr brachte zahlreiche Novitäten und engagierte auch ausländische Schauspielgesellschaften für Gastspiele.
Zu den Komponisten und Autoren des Harmonietheaters gehörten Ludwig Anzengruber, Alexander Baumann, Ignaz Franz Castelli, Philipp Fahrbach, Carl Millöcker, Johann Nestroy, Jacques Offenbach und Franz von Suppé.
Nachdem der finanzielle Erfolg ausblieb und es zu Zahlungsschwierigkeiten kam, verlor das Unternehmen für kurze Zeit seine Konzession, ehe der neue Pächter, der Kapellmeister Johann Baptist Kerr, gefunden wurde, der auch die Spielerlaubnis bis 1869 erhielt, jedoch schon nach einer Spielzeit im April 1868 wieder aufgab.
Neueröffnung als Orpheum
Im August 1868 wurde ein neuer Pächter bekannt, der Direktor des Stadttheaters in Krems, Robert Löwe, dessen eigener Wiener Theaterbau kurz zuvor noch vor der Eröffnung abgebrannt war. Löwe nannte das Harmonietheater dementsprechend um und eröffnete es neu als "Orpheum" mit einem vorwiegend auf Varieté und Artistik spezialisierten Spielplan. Löwe ließ auch die von Wagner stammende Inneneinrichtung abtragen, die Wände mit tausenden kleinen Spiegeltafeln ausstatten und die nun statt Sitzreihen im Saal platzierten Tische und Stühle mit "lebenden Blumen" schmücken.
Nur ein Jahr später musste auch Löwe Konkurs anmelden, zog diesen wieder zurück und zog sein neuerliches Konzessionsansuchen schließlich ganz zurück, die Konzession ging an die Tanzschulinhaberin Vincentia Kastner, die mit ihren Elevinnen hier auftrat und aufgrund des guten Erfolgs hier länger als geplant blieb, ehe dem Programm, das zuletzt vor allem aus Cancan-Revuen bestand, durch die Wiener Polizei ein Ende gesetzt wurde.
Danzers Orpheum
1872 übernahm Eduard Danzer gemeinsam mit dem Volkssänger Schildorfer das Theater. Danzer präsentierte den Wienern hier die neuesten Varietéstars und brachte das Theater unter dem Namen "Danzers Orpheum" zu großer Blüte, sodass die Konzession in seinem Falle auch auf "Pantomimen mit Dekorationswechsel" erweitert werden konnte.
Sein Nachfolger war Carl Wenzel Pertl, der das Etablissement weiterhin mit Erfolg führte, nach dessen Tod im Jahr 1894 erhielt seine Witwe Marie Pertl "ausnahmsweise" die Spielbewilligung. Noch im selben Jahr übertrug sie diese an den ebenfalls erfahrenen Singspielhallenleiter Franz Kriebaum, der das Orpheum weiterhin als "Varietébühne ersten Ranges" führte, jedoch aufgrund der hohen Kosten für den stetig wachsenden Betrieb 1897 ebenfalls aufgeben musste.
Schließlich folgte noch in diesem Jahr der "erfolgreiche Direktor des 'Englischen Gartens' im Prater, Gabor Steiner" (Franz Hadamowsky), der nach vollständiger Renovierung und Umgestaltung des Hauses in ein intimes Theater dieses am 29. Oktober 1900 mit der großen Ausstattungsoperette Venus auf Erden eröffnete.
1907 legte Steiner seine Konzession zurück, "ohne sein Ziel eines Volltheaters erreicht zu haben" (Franz Hadamowsky). Ihm folgte Karl Tuschl, der zuvor einige Jahre lang hier als Regisseur tätig gewesen war, als Direktor jedoch wenig erfolgreich war, 1908 gab er die Direktion an Robert Wiener weiter.
Neue Wiener Bühne
Wiener war Schauspieler, hatte zudem in Berlin Jus studierte, und auch er versuchte, aus der Singspielhalle ein Theater zu machen. Die Tische und Stühle wurden in Sitzreihen umgewandelt, das Theater von "Danzers Orpheum" in "Neue Wiener Bühne" umbenannt und mit der Komödie Der König von Paris von Caillavet und de Flers im September 1908 als Sprechtheater eröffnet. Nur zwei Wochen später legte Wiener seine Konzession zurück.
Erneut wurde eine "ausnahmsweise" Konzession an eine nun gegründete Betriebsgesellschaft m. b. H. vergeben, ehe schließlich nach mehreren personellen Änderung in der Gesellschaft im August 1912 Emil Geyer (eigentlich Dr. Emil Goldmann) die alleinige Leitung übernahm.
Schließung
Nach dessen Berufung an das Theater in der Josefstadt folgte ihm Eugen Robert; 1925 stand die Bühne unter Siegfried Geyer in Verbindung mit den Kammerspielen. Das Theater schloss 1928 seine Tore, Zuschauerraum und Bühne wurden abgetragen, 1934 in der Gassenfront Wohnungen eingerichtet.
Siehe auch: Danzers Orpheum
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 1 Einträge von Personen, die im Harmonietheater engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
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Amalia von Pasqualati und Osterberg | Tänzerin Schauspielerin Theaterdirektorin Theater | 19 Mai 1818 | 18 März 1903 |
Quellen
Literatur
- Felix Czeike: IX. Alsergrund. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1979 (Wiener Bezirkskulturführer, 9), S. 63
- Franz Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Wien: Jugend und Volk 1988, S. 662-669
- Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund. Wien: Museumsverein Alsergrund 1960 - lfd., Band 267,1966, S. 3
- Hans Mück: Quellen zur Geschichte des Bezirks Alsergrund. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1978 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 3), S. 39
- Hans Pemmer: Das Harmonietheater in der Wasagasse. 14. Sonderausstellung des Heimatmuseums Alsergrund vom 22. Mai bis 26. Juni 1966. In: Beiträge zur Heimatkunde des IX. Bezirks. Hg. vom Heimatmuseum Alsergrund. Wien: Selbstverlag 1966, S. 5 ff.