Hofnamen (Gemeinde Wien)

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Letzte Änderung am 19.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
BildnameName des Bildes Karl-Seitz-Hof.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Karl-Seitz-Hof (1953)

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Die Wohnbauten der Gemeinde Wien, die einen Hofnamen erhalten haben, stellen zahlenmäßig die weitaus größte homogene Gruppe der Höfe. Die überaus starke Zunahme der Gemeindebauten im 20. Jahrhundert erklärt sich aus der Tatsache, dass um 1900 in Wien ca. 300.000 Menschen ohne eigene Wohnung waren. Über 90 Prozent aller Wohnungen waren Substandard, das heißt, sie hatten kein Wasser in der Wohnung (Bassenawohnungen) und bestanden zumeist lediglich aus einem Zimmer. Der Wohnbau befand sich praktisch ausschließlich in privater Hand.

Mit der Übernahme der Stadtverwaltung durch die Sozialdemokratie, 1919 (erster Bürgermeister Jakob Reumann, s. auch Rotes Wien), und der Ausgliederung von Wien aus Niederösterreich als eigenes Bundesland ab 1920 sowie der damit verbundenen Steuerhoheit waren die Grundlagen geschaffen, um die finanziellen Mittel für den kommunalen Wohnbau sicherzustellen. Damit konnten innerhalb von zwölf Jahren in knapp 350 Wohnhausanlagen über 61.000 Wohnungen errichtet werden, dazu kamen 42 Siedlungen mit mehr als 5.200 Siedlungshäusern, die oft unter Mithilfe der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner errichtet wurden. Damit war der Grundstein für die Gemeinde Wien als weitaus größten Hauseigentümer von Wien gelegt. Heute leben in den 220.000 Gemeindewohnungen gut eine halbe Million Menschen. Mehr als 82.000 Wohneinheiten befinden sich in Gemeindebauten, die als Höfe benannt sind.

In der Ära der Zwischenkriegszeit, 1919 bis 1934 unter den Bürgermeistern Jakob Reumann und Karl Seitz, versuchte die Sozialdemokratie Kontrapunkte zur adeligen und bürgerlichen Gesellschaft zu setzen. In der Öffentlichkeitsarbeit wurden Begriffe verwendet wie "Versailles der Arbeiter" für den Karl-Marx-Hof und "Ringstraße des Proletariats" für die Wohnbaukomplexe auf den ehemaligen Draschegründen entlang des Margaretengürtels.

Architektonischer Ansatz für die Umsetzung der "Monumente des sozialen Gedankens" waren monumentale Gestaltung, Symmetrie und Axialität. Illustriert wird dies unter anderem durch den Ausspruch von Karl Seitz anlässlich der Übergabe der Wohnungen des Karl-Marx-Hofes: "Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen." Nicht zuletzt wurden hier viele Ideen des 1918 verstorbenen Otto Wagner umgesetzt, da bedeutende Anlagen von Wagner-Schülern geplant wurden. So finden sich hier Karl Ehn (Karl-Marx-Hof, Lindenhof), Hermann Aichinger (Rabenhof, Matteottihof), Hubert Gessner (Karl-Seitz-Hof, Reumannhof) und Alfons Hetmanek (Friedrich-Engels-Hof).

Wurden in der Zwischenkriegszeit einzelne Architekten mit der Ausführung mitunter sehr großer Komplexe beauftragt, ließ sich nach 1945 eine Entwicklung zur Vergabe an Architektengruppen feststellen. Immer stärker ging dann die Gemeinde Wien dazu über, bei größeren Anlagen mehrere Architekten Teile dieser Anlagen unabhängig voneinander entwickeln zu lassen. So sollte stärkere Diversifizierung in den Erscheinungsbildern erzielt werden, um nicht zuletzt über die unterschiedliche Gestaltung von Gebäudegruppen eine stärkere Identifizierung der Bewohner mit ihrer unmittelbaren Umgebung zu erreichen.

Gleiche Ziele und Solidaritätsbezeugungen waren in einigen Fällen für die Namensgebungen ausschlaggebend, so sollte der George-Washington-Hof an den siegreichen Revolutionär erinnern und das zu verfolgende Ziel vorgeben. Der Matteottihof erinnerte an den Kampf gegen den gemeinsamen Feind der österreichischen und der italienischen Sozialdemokratie, den Faschismus.

Interessant ist, dass bei großen Gebäudekomplexen auch Teilhöfe benannt wurden (Ahornhof, Akazienhof usw. als Teile des George-Washington-Hofs).

Eine Umbenennung eines Hofes wie diese würde wahrscheinlich heute nicht mehr so stattfinden: Der Aline-Furtmüller-Hof wurde 1949 nach der 1941 verstorbenen Aline Furtmüller benannt. Nach dem Tod ihres Ehemanns Carl Furtmüller 1951 wurde 1952 das "Aline" kurzerhand aus dem Namen gestrichen, der nun als Furtmüllerhof an beide erinnern sollte. Im Gegensatz dazu stehen zum Beispiel der Maria-und-Rudolf-Fischer-Hof und weitere zwei Höfe, die nach beiden Ehepartnern benannt wurden.

Bei der Gliederung der Hofnamen von Gemeindebauten nach Personengruppen sind Politiker mit rund zwei Dritteln als weitaus größte Gruppe repräsentiert, und in dieser Gruppe finden sich wiederum Bezirksvorsteher und –Stellvertreter mit einem Viertel vertreten. Hier macht sich sichtlich das Vorschlagsrecht der Bezirke für die Hofbenennungen bemerkbar und führt dabei auch zu Ausnahmen von der sonst vorhandenen Dominanz der Personen mit sozialdemokratischem Hintergrund.

Faschistische Umbenennungen von Höfen

Da die Namensgebung nicht zuletzt eine gesellschaftspolitische Aussage darstellt, waren vor allem die Gemeindebauten vielfach nach Personen benannt worden, die der Sozialistischen Partei angehörten oder ihr nahe standen. So nimmt es nicht wunder, dass in Diktaturzeiten (Austrofaschismus, Nationalsozialistische-Zeit) sechs Umbenennungen stattfanden, die jedoch alle bis auf eine nach 1945 wieder rückgängig gemacht wurden. Lediglich beim ehemaligen Austerlitzhof, der 1935 in Rabenhof umbenannt wurde, verabsäumte man die Rückbenennung, und da in der Zwischenzeit eine andere Wohnhausanlage den Namen Austerlitzhof erhalten hatte, blieb es in diesem Fall beim Rabenhof.

Der Matteottihof wurde 1934 in Giordanihof umbenannt, nach einer Märtyrerfigur des italienischen Faschismus; Giordani war 1920 von italienischen Kommunisten erschossen worden. Diese Umbenennung sollte wohl ein Kontrapunkt zu Matteotti sein, dem Generalsekretär und Abgeordneten der italienischen Sozialistischen Partei, der nach einer Parlamentsrede gegen die faschistische Herrschaft von Faschisten ermordet worden war.

Eine interessante Namensgeschichte weist der Karl-Marx-Hof auf: 1934 wurde er kurzzeitig nach dem Heimwehrkommandanten Karl Biedermann in Biedermannhof umbenannt (1935 bis 1953 Heiligenstädter Hof). Der Indianerhof wurde 1934 nach dem Heimwehrführer und Vizekanzler Emil Fey benannt; die Rückbenennung erfolgte 1945. Die Wohnhausanlage in der Laxenburger Straße 98 wurde während der NS-Zeit nach Otto Planetta benannt, dem 1934 hingerichteten Putschisten, der die tödlichen Schüsse auf Bundeskanzler Dollfuß abgegeben hatte. 1949 wurde diese Anlage in Würdigung der Opfer des Faschismus Maria und Rudolf Fischer in Maria-und-Rudolf-Fischer-Hof umbenannt.


Siehe auch:


Literatur

  • Peter Autengruber, Ursula Schwarz: Lexikon der Wiener Gemeindebauten, Pichler, Wien 2013


Weblinks

Gemeindebaubeschreibungen