Seit dem Mittelalter wurde die Bevölkerung in unregelmäßigen Abständen aufgefordert, die Reinhaltung der Straßen zu beachten, keinen Unrat von den Häusern auf die Gasse zu leeren, kein "unflättiges Wasser" dorthin auszugießen und nach den Marktzeiten keinen Unrat liegenzulassen. Auf Reinlichkeit wurde von der Stadtverwaltung insbesondere auch im Zusammenhang mit sanitären Überlegungen und in der Hoffnung, damit Seuchen verhindern zu können, geachtet. Die Kundmachung vom 14. November 1560 legte fest, dass Hausmist "nicht wie bisher auf offenen Plätzen oder in Winkeln und Gäßchen, auch nicht in Kirchen" heimlich abgelagert werden dürfe, sondern dass er in "Putten, Scheibtruhen oder auf Karren und Wagen aus der Stadt an die ausgezeigten Orte zu bringen" sei. Die ersten Hinweise auf eine planmäßig betriebene Abfallentsorgung stammen aus dem 17. Jahrhundert. Durch die Infektionsordnung vom 20. Oktober 1656 wurden Fuhrleute (Fliegenschützen) damit betraut, von den Bewohnern den Hauskehricht einzusammeln und diesen abzuführen, womit erstmals von einer geregelten Kehrichtabfuhr gesprochen werden kann; allerdings kamen die Fuhrleute ihrem Auftrag nicht immer zur Zufriedenheit der Stadtverwaltung nach. Noch im 18. Jahrhundert gehörte die Stadtsäuberung zu jenen Strafen, die Fuhrleuten angedroht wurden, wenn sie vorgeschriebene Zahlungen nicht leisteten. In späterer Zeit war die Abfallentsorgung ein Nebenerwerb der auf den Markt nach Wien fahrenden Bauern. Am 20. April 1839 verfügte eine Magistratskundmachung die Sammlung des Kehrichts in eigenen Gefäßen und dessen Abtransport durch den Mistbauer. Die übliche Entsorgung des hauptsächlich aus Asche und organischen Stoffen bestehenden Abfalls der Haushalte bestand in der Entleerung der Wägen in ein rinnendes Gewässer vor der Stadt oder der Verwendung als Tierfutter beziehungsweise Dünger; die Abfälle des Naschmarkts wurden meist in den (noch offen fließenden) Wienfluss geleert, sodass Zeitgenossen noch in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts berichten, die Überquerung der (späteren) Elisabethbrücke sei wegen des Gestanks der auf den Böschungen verfaulenden Abfälle äußerst unangenehm. Im 19. Jahrhundert sorgte das magistratische Departement für Straßenangelegenheiten durch Beauftragung und Bezahlung von Fuhrleuten für den Abtransport des Abfalls, 1902 übernahm die MA 6 diese Aufgabe, 1917 eine Bauamtsabteilung und 1920 eine eigene Magistratsabteilung für Straßenpflege (heute MA 48).
Erste Republik
Nach längeren Überlegungen hatte der Gemeinderat am 19. September 1918 das Angebot der Emaillierwerke "Austria" akzeptiert, einen Probebetrieb mit Wohnungsstandgefäßen nach dem deutschen System "Colonia" einzuführen, ging dann aber auf Hausstandgefäße über; das Colonia-System wurde 1923-1928 flächendeckend eingeführt; die motorisierten Abfuhrwagen (Abbildung Band 1, Seite 587) waren so konstruiert, dass Staub- und Geruchsbelästigung vermieden werden konnten (lediglich in Randgebieten der Stadt wurde die Abfuhr noch von privaten Unternehmern mittels Pferdewagen abgewickelt). Ab Mitte der 20er Jahre wurden außerdem auf den Straßen Abfallkörbe montiert; das Wegwerfen von Abfall auf der Straße wurde unter Strafe gestellt. Das Gebiet von Wien war in 37 Normaltouren eingeteilt; eigene Touren gab es für Hotels und Krankenhäuser. Im ersten Bezirk erfolgte die Leerung zwei- bis sechsmal wöchentlich, in anderen Bezirken in Abständen von acht bis zehn Tagen, in den Randgebieten des 21. Bezirks nur alle 14 Tage. Hausmüll, Glas, Blech und Hadern wurden durch Unternehmer, denen die Stadt eine Entschädigung zahlte, aussortiert und an Fabriken zur Wiederverwertung verkauft; der Restmüll kam auf zwei Ableerplätze (2, Bruckhaufen [Bretteldorf]; 10, Laxenburger Straße). An der Stelle einer ehemaligen Müll- und Schlackendeponie wurde 1927/1928 der Kongreßpark angelegt. Zur Bekämpfung des steigenden Müllanfalls wurde 1928 im Straßensäuberungsdepot (19, Grinzinger Straße) ein Müllverbrennungsofen in Betrieb genommen, der einige Jahre versuchsweise in Betrieb blieb; die im Hausmüll enthaltene Asche sowie feuchte Lebensmittelreste verhinderten zunächst einen Erfolg. 1930-1950 blieben die abgeführten Müllmengen konstant und bewegten sich um 500.000 Kubikmeter pro Jahr. Lange Zeit zogen auch noch Wanderhändler durch die Stadt, die in den Häusern Alttextilien, Knochen und Metalle (insbesondere Eisen und Messing) sammelten beziehungsweise gegen geringes Entgelt erwarben.
Zweite Republik
Der nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende wirtschaftliche Aufschwung und der ansteigende Stellenwert der Verpackungsmaterialien zwang die Stadt Wien Mitte der 1950er Jahre zu Lösungen, da der anfallende Müll noch zur Gänze auf Deponien abgelagert wurde. 1956 errichtete man eine Versuchsanlage für Müllkompostierung (die bis 1981 bestehende Biomüllanlage); die Nachfolgeanlage "Rinterzelt" scheiterte an der schlechten Qualität der aussortierten Stoffe. 1959 folgte der Beschluss des Gemeinderats zum Bau der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig, Mitte der 1960er Jahre folgte die Müllverbrennungsanlage Spittelau. Die Schlackerückstände sowie nichtbrennbare Anteile werden auf der Deponie Rautenweg (22) gelagert. Zur Beseitigung des Klärschlamms wurden 1978-1980 die Entsorgungsbetriebe Simmering (EbS) errichtet. 1978-1985 wurden in den Häusern die 110-1-Stahlblechtonnen gegen 120-1- und 240-1-Kunststoffgefäße umgetauscht und auf kombiniertes Schüttsystem umgestellt; 1987 standen 218 Müllwagen in Betrieb. Für die Entsorgung der Schlacken und Aschen aus den Müllverbrennungsanlagen wurde neben dem Rinterzelt eine Fabrik errichtet, in der seit April 1990 dieser Sonderabfall mit Zusatzstoffen zu Schlacke-Asche-Beton verarbeitet wird (der zur Errichtung des Ringwalls beim Rautenweg verwendet wird). Sperrmüll kann zu Sammelstellen gebracht werden beziehungsweise wird er gegen Bezahlung vom Haus abgeholt. Zur Vermeidung und Entsorgung des Mülls dienen das Wiener Müllabfuhrgesetz 1965 (Landesgesetzblatt 19/1965, Fassung 1990: Landesgesetzbltt 73/1990; ursprünglich Hauskehrichtgesetz), der Müllabfuhrabgabetarif 1993 (Amtsblatt 52a/1992), das Wiener Abfallwirtschaftsgesetz 1994 (Landesgesetzblatt 13/1994; Wiener Abfallwirtschaftskonzept 1985), das Umweltabgabegesetz 1994 (Landesgesetzblatt 16/1994), die Verpackungsverordnung (Bundesgesetzblatt 645/1992) und die Verordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie zur getrennten Sammlung von Abfällen (Bundesgesetzblatt 68/1992, 456/1994 [in Kraft ab 1. Jänner 1995]). Seit 1977 wird Altglas getrennt gesammelt, seit 1984 gibt es Sondermüllaktionen mit Problemstoffsammelstellen, seit 1985 (anfangs in unterschiedlicher Dichte) Container für Altpapier, Weißglas, Buntglas, Altmetalle, Getränkedosen, Joghurtbecher und Kunststoffolien (seit 1990 in allen Bezirken Altglas- und. Altpapiercontainer), 1986 startete der Modellversuch Biotonne (1988 Einführung des Sammelsystems, seit 1991 Aufstellung von Containern auf öffentlichen Verkehrsflächen [1994 33.000 Behälter, Aufkommen 90.000 Tonnen]). Die Stadt Wien verfügt über zwei Kompostieranlagen (Lobau, Schafflerhof, 22, Essling, Schafflerhofstraße; Kompostplatz für Gartenabfälle in der Freudenau). In Wien fallen jährlich (1994) etwa 800.000 Tonnen Hausmüll und hausmüllähnlicher Gewerbemüll an (Tendenz mit cirka 5 % steigend). Die Kapazität der Müllverbrennungsanlagen (9, 16, 21) beträgt 400-500.000 Tonnen pro Jahr; der Rest sollte über getrennte Sammlung verwertet werden (1994: 270.000 Tonnen [Altstoffverwertung, Kompostierung, Problemstoffentsorgung über 50 Sammelstellen]); ca. 19% des gesamten Abfalls kommen auf die Deponie Rautenweg (22, Breitenlee, Rautenweg 83), eine zweite Deponie befindet sich in Gerasdorf (21, Wagramer Straße an der Stadtgrenze).
Der Begriff Müllabfuhr wurde in den 1990er Jahren durch den Begriff Abfallwirtschaft ersetzt, da sich der Schwerpunkt der Aufgabenstellung von der Entsorgung der Abfälle zur Kreislaufwirtschaft mit getrennter Sammlung und nachfolgender Verwertung verlagerte.
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Literatur
- Perspektiven 1/1995
- Gemeinderat-Sitzungsprotokoll, 17.11.1982 [Stadtrat Veleta]
- Verwaltungsbericht der Stadt Wien (entsprechende Jahrgänge)
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1958, S. 705 ff.