Schloss Neugebäude
48° 9' 38.31" N, 16° 26' 32.50" E zur Karte im Wien Kulturgut
Neugebäude (11., Simmeringer Hauptstraße 337, Neugebäudestraße).
Die Vorliebe Maximilians II. für Gärten, Tiergehege (Tiergarten, sub 1 [Kaiserebersdorf]) und Landschaftsgestaltung (Kaiserebersdorf, Katterburg, Prater) gipfelte 1568-1575 in der Errichtung des „neuen Fasan oder Lustgartens" zwischen Simmering und dem alten kaiserlichen Jagdschloß Ebersdorf (Kaiserebersdorf). Die riesige Anlage, zu der vielleicht Jacopo da Strada das Konzept entworfen hat, wurde von Pietro Ferrabosco ausgeführt. Sie erstreckte sich auf zwei zur Donau hin abfallenden Geländeterrassen; auf der oberen Terrasse entstand ein viereckiger innerer Garten, gesäumt von gedeckten Arkadengängen mit massiven Ecktürmen; rund um diesen erstreckte sich der viereckige äußere Garten (mit Obstbaumpflanzungen und einem Labyrinth), umschlossen von einer mit zahlreichen kleinen Türmen besetzten Mauer und einem Wasserturm, der ein Schöpfwerk enthielt. Der dritte Garten erstreckte sich auf der unteren Geländestufe und besaß einen Teich.
In den Gärten tummelten sich Fasane, Rebhühner und Mufflons, im Teich gab es Schwäne. Die Blumenbeete waren (der Renaissance entsprechend) geometrisch gestaltet; die drei marmornen Brunnen schuf der berühmte Bildhauer Alexander Colin (1570/1571-1574, 1575-1583). Das Innere der Türme und Arkadengänge wurde von italienischen Malern dekoriert. Zur Bewässerung der Gärten errichtete Hans Gasteiger 1568-1570 eine Wasserleitung aus Kaiserebersdorf und 1571-1575 eine solche aus Schwechat. Nach dem Tod Maximilians II. (1576) ließ sein Sohn Rudolf II. die Ausgestaltung des „Fasangartens" fortsetzen. Zwischen der oberen und der unteren Geländeterrasse entstand 1576-1585 ein großes, mit offenen Säulengängen gestaltetes steinernes Lusthaus, dessen Untergeschoß vermutlich zur Aufstellung antikisierender Statuen gedacht war; für dieses Lusthaus kommt erstmals 1597 die Bezeichnung „Neu(es) Gebäude" vor, die im späteren Sprachgebrauch allmählich auf die gesamte Anlage überging. Rudolf II. ließ sie mit einer von zehn Türmchen überragten Mauer umgeben. 1576-1597 schuf man eine neue Wasserleitung durch Ableitung des Inzersbachs bei Altmannsdorf.
1597 wurden alle Arbeiten aus finanziellen Gründen eingestellt (Osmanenkrieg 1593-1606); insbesondere die Innendekorierung des „neuen Gebäudes" unterblieb; 1600 stürzte dort ein Gewölbe ein; die Wasserleitung aus Altmannsdorf war schon 1599 durch ein Hochwasser zerstört worden. Erst unter Ferdinand II. und Ferdinand III. wurden 1622-1633 und 1637-1644 die schon sehr desolaten Gartengebäude wiederhergestellt. Die Hauptfunktion des Neugebäudes war nun die Tierhaltung (Tiergarten, sub 2); die bisher in Kaiserebersdorf gehegten Löwen und anderen Raubtiere wurden hierher gebracht. Aus dem Jahr 1665 ist erstmals die Überlieferung bekannt, dass das Neugebäude eine steinerne Nachbildung der 1529 auf dem Areal befindlich gewesenen Zeltstadt des Sultans Suleiman sei; aus diesem Grund blieb das Neugebäude beim Osmaneneinfall 1683 verschont, wurde jedoch als Magazin benutzt. Kara Mustapha besuchte das Neugebäude am 15. Juli 1683; auch später wurde es gerne von osmanischen Reisenden aufgesucht. Die ungarischen Kuruzzen plünderten das Schloss am 9. Juni 1704; sie töteten Löwen, Tiger und Leoparden und zogen ihnen die Häute ab. Das Neugebäude wurde zwar bald wieder instand gesetzt, konnte seinen früheren Glanz aber nicht mehr zurückgewinnen. Die Tierhaltung (von Karl VI. nochmals gefördert) florierte noch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts (1736 wurde der Bestand des Tiergartens des verstorbenen Prinzen Eugen ins Neugebäude überstellt). 1752 wurde die Tierhaltung aufgelassen, die Tiere kamen in den neuen Tiergarten von Schönbrunn.
Das Neugebäude diente fortan militärischen Zwecken; schon 1744 war auf Befehl Maria Theresias Pulver, das man bisher auf den Wiener Stadtbefestigungen verwahrt hatte, im Neugebäude eingelagert worden. 1775 ließ die Monarchin die riesigen Säulen am Hauptgebäude entfernen und dem Hofarchitekten Hetzendorf von Hohenberg übergeben, der einen Teil von ihnen bei der Errichtung der Gloriette in Schönbrunn verwendete. Die katastrophale Explosion des Pulverturms an der Nußdorfer Linie am 26. Juni 1779 gab Anlass, die zehn Türme der Umfassungsmauer des äußeren Gartens in Pulvermagazine umzubauen; im selben Jahr wurde die gesamte Anlage dem k. k. Militärärar übergeben. Im Revolutionsjahr 1848 wurde das Neugebäude wegen der riesigen Pulvermengen, die dort lagerten, besonders scharf bewacht, insbesondere während des Gefechts mit den Ungarn bei Schwechat; rundum wurden 13 Schanzen aufgeworfen. Nach der Kapitulation Wiens (31. Oktober 1848) wurden die abgelieferten Waffen im Neugebäude eingelagert. Ab 1850 bewahrte man dort auch scharfe Munition auf. Die zunehmende Verbauung der Umgebung des Neugebäudes (Anlage des Wiener Zentralfriedhofs bis 1874) gab Anlass zur Abtragung der Schanzen, zum Abverkauf ärarischen Gründe (1870) und zur sukzessiven Einschränkung der um das Neugebäude bestehenden Bauverbotszone.
Am 18. Juni 1902 beschloss der Gemeinderat auf Antrags Bürgermeister Karl Luegers, dem Militärärar das Depot abzukaufen; das Neugebäude sollte niedergerissen und das Areal für die Verbauung freigegeben werden (man plante Fabriken und Gartenanlagen). Der Simmeringer Gemeinderat Johann Fickeys wollte das Hauptgebäude wegen seines Kunstwerts erhalten wissen, was Lueger in Aussicht stellte und außerdem in Erwägung zog, das Areal zur Vergrößerung des Zentralfriedhofs zu verwenden. Obwohl die Gemeinde Wien 1909 (nach langjähriger Unterbrechung) einen Kaufvertrag mit dem Heer schloss (Kaufpreis 2,275 Millionen Kronen), wurde das Pulvermagazin erst 1918 vom Militär geräumt; die Eintragung der Gemeinde Wien ins Grundbuch erfolgte erst 1924. Bereits 1922/1923 wurde durch die sozialdemokratische Stadtverwaltung unter Bürgermeister Jakob Reumann innerhalb des Areals des Neugebäudes durch Clemens Holzmeister das Krematorium (mit dem Urnenhain; Feuerbestattung) errichtet; in den Bauformen ließ sich der Architekt vom Stil des Neugebäudes inspirieren.
1941 wurde der auf einem Teil des Geländes befindliche Eichenhain zum Naturdenkmal erklärt. 1943-1945 arbeitete im Keller und Erdgeschoß des Hauptgebäudes ein Rüstungsbetrieb der Saurer-Werke (Herstellung von Panzermotoren, Kettenfahrzeugen und Lkw). Am Beginn der 80er Jahre wurde man sich der kunstgeschichtlichen Einmaligkeit des Neugebäudes bewusst. Daraufhin begannen, initiiert durch den damaligen Kulturstadtrat Helmut Zilk, Überlegungen, das Neugebäude zu revitalisieren, doch scheiterten alle Planungen bisher an den enormen Kosten. Im Rahmen eines 1987-1989 laufenden Forschungsprojekts fanden historische, archäologische, kunstgeschichtliche und gartenkundliche Untersuchungen statt, am 7./8. November 1989 erörterte man im Rahmen einer Enquete Alternativen zur Restaurierung des Neugebäudes und zu seiner künftigen Nutzung, doch fielen keine Entscheidungen. Sage Löwenbraut.
Quellen
Literatur
- Christine Dobretsberger: Des Kaisers Lustschloss. Die wechselvolle Geschichte von Schloss Neugebäude (Wien Museum Magazin, 2024)
- Rupert Feuchtmüller: Das Neugebäude. Wien [u.a.]: Zsolnay 1976 (Wiener Geschichtsbücher, 17)
- Hilda Lietzmann: Das Neugebäude in Wien. Berlin 1987
- Renaissance in Österreich (Katalog Schallaburg). 1974, S. 260 ff.
- Katalog Fürstenhöfe der Renaissance - Giulio Romano und die klassische Tradition (Kunsthistorisches Museum) 1989/1990, S. 356 ff.
- Albert Ilg: Das Neugebäude bei Wien, in: Jahrbuch kunsthistorischer Sammlungen ah. Kaiserhaus 16. 1895, S. 81 ff.
- Robert Messner: Die Landstrasse im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südöstlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1978 (Topographie von Alt-Wien, 5), S. 151 ff.
- Wolfgang J. Müller: Die älteste Darstellung des Neugebäudes, in: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien. Band 6, 1951, S. 47 ff.
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- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Neugebäude, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Wien/München: Oldenbourg / Wien/Graz/Köln: Böhlau / Innsbruck: Wagner 1880 - lfd. Band 59, 1951, S. 136 ff.
- Ralph Gälzer: Zur Rekonstruktion der Gärten des Schlosses Neugebäude in Wien, in: Steine sprechen 83/1987, S. 3 ff.
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- Gustav Gugitz: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien. Wien: Hollinek 1952 (Österreichische Heimat, 17), S. 151 ff. (Löwenbraut)
- Karl Teply: Die Bausage des Neugebäudes in Wien. Eine Wiener Volkssage türkischen Ursprungs, in: Österreichische Zeitschrif für Volkskunde 29. 1975, 1 ff.
- Hans Havelka: Das wiederentdeckte Schloß am Rande Wiens - das Neugebäude und seine Revitalisierung, in: Simmeringer Museumsblätter. Wien: Museumsverein Simmering 25 (1987), S. 79 ff
- Hans Havelka: „Der Vulkan von Wien - das Neugebäude fällt!", in: Simmeringer Museumsblätter. Wien: Museumsverein Simmering 26 (1987), S. 105 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 327