Wiener Literarische Anstalt
48° 12' 42.44" N, 16° 20' 47.81" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Wiener Literarische Anstalt ("Wila") wurde im Juni 1919 als Ges.m.b.H. gegründet. Zum verantwortlichen Geschäftsführer wurde der Schriftsteller Theodor Bock bestellt, seinen Sitz hatte das Unternehmen in Wien-Josefstadt, Krotenthallergasse 2. Nach seinem Selbstverständnis handelte es sich um einen Buch-, Kunst- und Musikverlag, dem ein Verkauf von Büchern, Kunstblättern und Musikalien sowie die Führung eines Buch-, Kunst- und Musikalienantiquariates angeschlossen waren. Die Buchhandlung befand sich in der Sonnenfelsgasse 17.
1922 wurde die Firma in die "Wila Verlags-Aktiengesellschaft" umgewandelt. Unter den insgesamt 105 Gründungsaktionären des Verlags befinden sich besonders viele Mitglieder des Hochadels (Rohan, Hartig, Nostiz, Schwarzenberg, Hoyos, Gayrsperg) und verhältnismäßig viele pensionierte Offiziere. Ein Fünftel der Aktionäre waren Beamte der Centralbank der deutschen Sparkassen. Größter Aktionär war die Wiener Merkantil-Bank mit rund 35 Prozent des Aktienkapitals, der Vorsitzende des Proponentenkomitees, Franz (Graf) Hartig hielt 14,5 Prozent, was zusammen fast die Hälfte des Kapitals ausmachte.
Schon nach einem Jahr schieden sieben von neun Mitgliedern aus dem Verwaltungsrat aus, was mit der allgemeinen Bankenkrise dieser Jahre zusammenhängen könnte. Neues Kapital und neue Personen wurden für die "Wila" berstimmend, wobei es viele personelle Querverbindungen zum "Kulturbund", einer Gründung des späteren NS-Sympathisanten Karl Anton Rohan. Im Februar 1923 wurde das Verlagsgeschäft um eine große Auslieferungsabteilung erweitert und zwei Monate später die "Vienna-Gesellschaft m.b.H." in der Bognergasse erworben und zum modernen Großstadtsortiment ausgestaltet. Es kam zur Einrichtung einer "Bücherstube", wo besonderer Wert auf Werke mit intellektuellem und bibliophilem Charakter gelegt wurde, was in seiner Besonderheit raschen Anklang fand. Auch die Idee, durch Veranstaltung von Vorträgen Interessierte zu beraten und d und zum Kauf anzuregen, wurde gut angenommen. Die "Bücherstube" veranstaltete eine Vortragsreihe "Das gesprochene Buch" und weitere Abende unter dem Motto "Das vorgelesene Buch", ebenso Informationen über das neue Medium Radio. 1923 ersuchte das Unternehmen um eine Konzession für die Aufstellung und den Betrieb drahtloser Telefonanlagen zur Übermittlung von musikalischen Aufführungen und Vorträgen an. Auch die Gründung einer "Gesellschaft zur Förderung des Radiowesens" und die Herausgabe einer Zeitschrift wurden in Angriff genommen. Schlussendlich setzte sich aber die 1924 ins Leben gerufene Österreichische Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) durch. Weiters eröffnete die Wiener Literarische Anstalt noch ein Theaterkartenbüro in den Räumen der "Bücherstube" ein und gründete im Spätherbst 1923 als "Musikabteilung" der Gesellschaft die "Ballettverlag Ges.m.b.H.", die sich gegen die zahlreiche Konkurrenz auf diesem Gebiet nicht behaupten konnte. Die Herstellung von Büchern spielte eine immer geringere Rolle.
Die schlechte finanzielle Situation des Verlags änderte auch eine Kooperation mit einem weiteren Bankhaus (Königswarter) nicht. Bereits im Frühjahr 1924 musste die Filiale in der Stafa geschlossen werden, im Sommer jenen Jahres die Kolportage- und die Auslieferungsabteilung. Im Spätherbst 1924 schien eine Fortführung des Wila-Verlags nicht mehr sinnvoll. Als Gründe für den Niedergang des einst florierenden Unternehmens gelten einerseits eine maßlose Expansion ohne genügende Kapitaldeckung wie andeererseits der Bedeutungsverlust des ursprünglichen Verlagsgeschäfts gegenüber anderen Unternehmensambitionen. Auch die Lagerkosten großer Vorräte verursachten wachsende Spesen. Auch der rigorose Abbau der Angestellten und das Auflösen der unrentablen Abteilungen konnten die Firma nicht retten. Am 31. August 1925 wurde der Antrag auf Liquidation der Gesellschaft beschlossen, die sich bis 1934 (Löschen aus dem Handelsregister) zog.
Programm und Produktion
Gründungsintention der Wiener Literarischen Anstalt war der Wunsch nach Förderung junger, unbekannter österreichischer Belletristik. Die verlegten Autorinnen und Autoren stammten mit wenigen Ausnahmen aus Österreich. Die Gesamtproduktion belief sich 1919 bis 1925 auf rund 160 Werke. Davon erschienen mehr als zwei Drittel in der Anfangszeit. Zu den verlegten Lyrikerinnen und Lyrikern zählen etwa Bruno Ertler, Kurt Frieberger, Julius Schütz, Grete von Urbanitzky, Felix Dörmann, Ernst Fischer, Alexander Lernet-Holenia, Joseph August Lux, Wolfgang Madjera, Hans Nüchtern oder Paul Rainer. Editierte Romane stammten neben den bereits Erwähnten unter anderem von Paul Busson, Marie Eugenie Delle Grazie, Irma Höfer von Feldsturm, Theodor Heinrich Mayer, Gustav Renker, Robert Weil und Käthe Wilhelm. Außerdem spezialisierte sich der Wila-Verlag auf Novellen und schuf 1920 eine eigene Novellenreihe, die beispielsweise Werke von Artur Anders, Rudolf Hans Bartsch, Hermine Cloeter, Bruno Ertler, Kurt Frieberger, Franz Karl Ginzkey, Ludwig Hirschfeld, Adam Müller-Guttenbrunn, Hans Nüchtern, Felix Salten, Georg Terramare oder Rose Silberer umfasste. Für die Publikationen verwendete der Verlag vielfach Rotationspapier, für Bücher unübliches, eher minderwertiges Papier, die nach dem Ende der Inflation kaum noch abgesetzt werden konnten.
Darüber hinaus publizierte der Wila-Verlag auch Varia wie die Erinnerungen von Anna Bahr-Mildenburg, Felix Brauns "Aktaion", Felix Dörmanns "Der Herr von Abadessa", Max Mells "Das Kripperl von 1919" oder Friedrich Schreyvogls "Der zerrissene Vorhang". Aufgrund der grassierenden Inflation mussten immer wieder "Teuerungszuschläge" auf die Ladenpreise aufgeschlagen werden. Auch Erscheinungen auf dem Gebiet Theater und Kunst sowie Wissenschaft zählten zum Verlagsprogramm, so etwa ab Mai 1920 eine Folge von Monographien unter Mitwirkung von Hermann Bahr und Hugo von Hofmannsthal, herausgegeben von Richard Smekal (später: Max Pirker). Ende Juni 1923 begann der Verlag mit der Veröffentlichung der vom österreichischen Außenministerium herausgegebenen Sammlung "Österreich-Bücherei", die ein umfassendes Bild des österreichischen Wiederaufbaues entwerfen sollte. Bis 1924 erschienen 14 Bände in dieser Reihe. 1923 erschien "Das österreichische Jahrbuch", ebenfalls ein Auftragswerk von Bundesdienststellen. Zu erwähnen ist auch die "Bücherei der Zukunft", hervorgegangen aus einer Vortragsserie an der Universität Wien, die wiederum den Anlass zur Gründung einer "Wiener Gesellschaft für deutsche Zukunftskultur" gab. Die "Neue Österreichische Biographie", die mehrfach den Verlag wechselte, erschien eine Folge lang im Verlag der Wiener Literarischen Anstalt.
Unter der Herausgeberschaft von Othmar Spann erschien eine weitere Reihe unter dem Titel "Die Herdflamme. Sammlung der gesellschafts-wissenschaftlichen Grundwerke aller Zeiten und Völker", deren Einzelbände von Friedrich Schreyvogls "Ausgewählte Schriften des Thomas von Aquino" bis zu Wolfgang Schultz' "Staatszustände und Staatsaussichten der alten Iraner" reichten. Die umfangreichste Reihe, "Die Wiedergabe. Wiener Gegenwart und ihr Besitz", ist eine Sammlung kleiner Bücher unter der Ägide von Paul Stefan. Bis zum Frühjahr 1924 erschienen in drei Reihen 22 Bände mit Biographien und Monographien zum Wiener Theaterleben.
Der Wila-Verlag konnte drei eigene Almanache herausbringen, die Beiträge von Verlagsautoren, Biographien, Publikationen usw. enthielten. Ende 1923 erschien schließlich der "Kärntner Almanach auf das Jahr 1924" mit Veröffentlichungen alter volkskundlicher Funde und modernen Beiträgen von Alexander Lernet-Holenia, Josef Perkonig und anderen.
Wie andere Wiener Verlage jener Zeit engagierte der Verlag der Wiener Literarischen Anstalt arrivierte wie avancierende bildende Künstlerinnen und Künstlerzur Ausgestaltung der Verlagswerke, entweder mit besonderen Einbandzeichnungen oder mit Originalzeichnungen. Darunter sind zum Beispiel Maria Vera Brunner (Mitarbeiterin der Wiener Werkstätte), Albin Egger-Lienz, Fritz Gareis, Maria Grengg, Elise Haugg, Fritz Jäger, Ada Nigrin, M. Schrötter-Malliczky, Ulf Seidl, Fritz Silberbauer, Hans Stalzer, Hans Strohofer und Karl Alexander Wilke zu erwähnen.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien. Registerakt, Reg. B, Bd. 13, pag. 137
Literatur
- Christian Teissl: Wiener Dach für Grazer Gruppe. In: Wiener Zeitung extra, 22/23.06.2019, S. 43