Zwangsarbeiterlager Bischoffgasse 10

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Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation NS-Institution Zwangsarbeiterlager
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1944
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1945
Benannt nach
Prominente Personen
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  59401
GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien, Meidling, Juden, NS-Zeit
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48° 10' 56.53" N, 16° 19' 18.11" E  zur Karte im Wien Kulturgut

In 12., Bischoffgasse 10 befand sich 1944 bis 1945 in einem Schulgebäude das Lager K 12 der nationalsozialistischen Zeit für vor allem ungarisch-jüdische Deportierte.

In der Bischoffgasse 10 war laut Handbuch des Reichsgaues Wien 1944 der Standort einer "Jungen- und Mädchen"-Volksschule, die noch besteht (Stand 2018). Laut Lehmanns Adressbuch 1938 war dort außerdem ein Heimatmuseum sowie 1944 die Ballettschule Meidling, in deren Klassenräumen 1944/1945 ungarisch-jüdische Deportierte in dort installierten Stockbetten untergebracht waren.

Der Stempel "Gauselbstverwaltung des Reichsgaues Wien / Abteilung G 45 / Arbeitseinsatz / Lager K 12 Wien XII/82, Bischoffgasse 10 – Ruf" (ohne ausgefüllter Telefonnummer) findet sich auf mehreren Dokumenten zu ungarisch-jüdischen Familien, mit der Einstufung als "e.f." (einsatzfähig) und "n.f." (nicht einsatzfähig) sowie mit Zeitangaben zu verschiedenartigen Zwangseinsätzen, wobei diese Arbeitseinsätze frühestens am 12. Juli 1944 begannen.

Laut einer wohl aus dem Sommer 1944 stammenden Auflistung waren damals im Lager Bischoffgasse 585 Menschen ungarisch-jüdischer Herkunft interniert, darunter 320 Frauen, 206 Männer und 59 Kinder. Von den 585 Personen wurden 420 anfangs als "arbeitsfähig" eingestuft, also 72 Prozent. In jener Liste heißt das Lager nur "Bischoffg. 10, Lager 12", ohne den "K"-Zusatz des Stempels, dessen Bedeutung unklar ist. In einer undatierten anderen Liste der Lager mit ungarisch-jüdischen Deportierten in Groß-Wien ohne Zahlen fehlt durchwegs der K-Zusatz (siehe auch Lager Kernstockplatz K 16 und Hackengasse K 15, also ebenfalls K plus Bezirksangabe).

Inwieweit beziehungsweise in welchem Umfang die Organisation Todt (OT) in die Organisation des Lager Bischoffgasse involviert war, ist nicht geklärt. Laut den vorliegenden Dokumenten der Abteilung G 45 wurde es offensichtlich nicht von der Organisation Todt betrieben, es scheint jedoch gelegentlich auf Dokumenten der Abteilung G 45 der Hinweis auf einen "O.T. Sondereinsatz" auf. Dazu passt auch, dass von einer im Lager Bischoffgasse untergebrachten jüdisch-kosovarischen Familie der Vater ab Februar 1945 unter O.T.-Ägide im Lager Kernstockplatz war.

Die meisten im Lager Bischoffgasse untergebrachten ungarisch-jüdischen Deportierten stammten aus Debrecen und Umgebung, die im Juni 1944 zuerst ins Durchgangslager Strasshof, und dann anscheinend erst im Juli 1944 ins Lager Bischoffgasse kamen. Das Lager Bischoffgasse scheint jedoch - zumindest anfangs - schon im April 1944 auch als Internierungsort für jugoslawisch-jüdische und tschechoslowakisch-jüdische Familien in Funktion gewesen zu sein.

Offenbar gab es auch im Herbst 1944 noch Einlieferungen in das Lager Bischoffgasse, zum Teil über das Arbeitserziehungslager (AEL) Oberlanzendorf.

Zumindest ein Teil der Betroffenen war noch im April 1945 in Wien, ein Teil wurde im März via Konzentrationslager Mauthausen nach Gunskirchen getrieben.

Die erwähnten Formulare waren zwar für Arbeitseinsätze jeweils einer Person gedacht, was von der Abteilung G 45 aber umorganisiert wurde: In den eigentlichen Namensfeldern wurde jeweils ein Familienoberhaupt ausgesucht, dessen oder deren Angehörige in den ersten Feldern über Arbeitseinsätze eingefügt wurden, samt "e.f." und "n.f."-Deklaration.

Die ersten Einsätze erfolgten ab Juli 1944 etwa bei "Wibeba" (Wiener Betriebs- und Baugesellschaft GmbH mit Zentrale 1., Wallnerstraße 4) und "F. Schindler" (Baufirma des Stadtbaumeisters Ferdinand Schindler mit Sitz 10., Hasengasse 32), dann auch bei Deutsche Erdöl-Aktiengesellschaft Erdölwerke "Nova" mit Sitz in Schwechat. Für 12. bis 21. Jänner 1945 steht offenbar bei einem Großteil der Lagerinsassen in der Rubrik "Zugewiesen zur Firma": "Schneeschfl", das heißt Schneeschaufeln im Kontext des Magistrats Wien. Von März 1945 bis Kriegsende scheint vielfach eine Firma "Schwarzer" auf (offenbar die Baufirma Edmund Schwarzer mit Sitz in 15., Mariahilfer Straße 194 beziehungsweise Lehnergasse 2; Firmendetails nach Industrie-Compass Ostmark 1943/1944). Die Arbeit für diese Firma betraf unter anderem Räumarbeiten nach Luftangriffen im Bereich des Kaiserin-Elisabeth-Spitals in Wien 15, das am 21. Februar 1945 schwer beschädigt worden war. Weitere Einsatzorte waren etwa von Juli bis August 1944 der Schönbrunner Schlosspark, Bombenschäden-Räumarbeiten in der Meidlinger Hauptstraße, Neu-Erlaa und Siebenhirten, sowie als Orte des Schneeschaufelns die Mariahilfer Straße. Genannt werden auch die Baufirma Buchwieser, manchmal auch neuerlicher Rücktransfer nach Strasshof, um dort Panzergräben zu errichten (von Jänner bis April 1945). Transporte vom Lager zu den Einsatzorten und zurück sind laut Aussagen von Betroffenen in Lastkraftwagen erfolgt.

Der als Lagerführer tätige Franz Knoll händigte offensichtlich nach der Befreiung des Lagers durch die Sowjetarmee im April 1945 den ungarisch-jüdischen Deportierter in einigen Fällen ihre Karte zur "Aufforderung zur Volks-Röntgenuntersuchung" aus. Diese war ursprünglich für Einheimische gedacht, wurden dann aber auch zur Hygiene-Administration der in Viehwaggons via Durchgangslager Strasshof verschleppten Menschen aus Ungarn verwendet.

Franz Knoll, ein Magistratsbeamter, wurde 1948 wegen der schlechten Behandlung der Bischoffgasse-Lagerinsassen zu 18 Monaten Haft verurteilt, allerdings wegen der Untersuchungshaft gleich auf freien Fuß gesetzt.

Weiters nennt auch eine Liste des Wilhelminenspitals[1] das Lager 12., Bischoffgasse 10 der Gemeinde Wien für russische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Diese Liste des Wilhelminenspitals verzeichnet die dort zwischen 1942 und 1945 behandelten Ausländerinnen und Ausländer. Die Liste enthält Aufnahmezahl, Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Geburtsort (Land), Eintritt, Austritt, "Bestimmungsort" mit Firma und Wohnadresse (mit den zeitgenössischen Straßennamen).[2]

Auch im Volksgerichtsakt von Dr. Siegfried Seidl befindet sich eine Liste eines jüdischen Arztes, der diese 1946 als Zeuge im Prozess gegen Seidl vorgelegt hat.[3] Es handelt sich dabei um Lager ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den Bezirken 10 bis 25 und außerhalb Wiens sowie die Firmen, denen die Lager zugeordnet waren. Demnach befand sich hier ein Lager für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der "Gemeinde Wien Abtlg.G.45 Luftschutzbauten I."

Erinnern

2006 wurde an einer Ecke des Gebäudes Bischoffgasse 10 auf Initiative des Instituts für Jüdische Geschichte Österreich und der Bezirksvorstehung Meidling eine Gedenktafel angebracht.

Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien

Quellen

Weblinks

Literatur

  • Kinga Frojimovics / Éva Kovacs: Jews in a “Judenrein” City: Hungarian Jewish Slave Laborers in Vienna (1944-1945). In: Hungarian Historical Review 4/3 (2015), S. 705-736
  • Eleonore Lappin: Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in Wien 1944/45. In: Martha Keil / Klaus Lohrmann [Hg.]: Studien zur Geschichte der Juden in Österreich. Band 1. Wien / Köln: Böhlau 1994 (Handbuch zur Geschichte der Juden in Österreich, Reihe B, 2), S. 140-165
  • Eleonore Lappin-Eppel: Strukturen der Verantwortung. Volksgerichtsverfahren wegen Verbrechen gegen ungarische Juden in österreichischen Zwangsarbeitslagern des Sondereinsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD in Ungarn, Außenkommando Wien. In: Zeitgeschichte 6 (2007), S. 351-371
  • Stefan August Lütgenau: Zwangsarbeit im "Reichsgau" Wien 1938-1945. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 59 (2003), S. 167-186
  • Eleonore Lappin-Eppel: Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45: Arbeitseinsatz - Todesmärsche – Folgen. Wien: LIT Verlag 2010
  • Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale. Erkenntnisse zu Erscheinungsformen der Oppression und zum NS-Lagersystem aus der Arbeit des Österreichischen Versöhnungsfonds. Bremen: Wiener Verlag für Sozialforschung in EHV Academicpress GmbH 2014, S. 603-606 (sowie 178 f., 306, 408 und 592)
  • Hermann Rafetseder: Lager und lagerartige Unterkünfte der NS-Zeit in Wien für das Online-Lexikon "Wien Geschichte Wiki", auf Basis von Material des Österreichischen Versöhnungsfonds. 108 Lager-Artikel und vier "Bonus-Tracks", erstellt im Auftrag des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Linz: Eigenverlag 2017

Einzelnachweise

  1. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer".
  2. Irrtümer bei den Bezirken und Hausnummern sind nicht ausgeschlossen. In die Bearbeitung aufgenommen wurden nur jene Adressen, bei denen "Lager" angegeben war, beziehungsweise nur jene Firmenlager, die als solche bezeichnet wurden.
  3. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht, A1 - Vg Vr-Strafakten: Vr 770/1946: Dr. Siegfried Seidl & Mittäter.