Zwangsarbeiterlager Hackengasse 11

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation NS-Institution Zwangsarbeiterlager
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1944
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1945
Benannt nach
Prominente Personen
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  59415
GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien, Meidling, Juden, NS-Zeit
RessourceUrsprüngliche Ressource 
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 7.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri

Es wurden noch keine Adressen erfasst!


Frühere Adressierung

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst.

Es wurden noch keine Personen erfasst.

Die Karte wird geladen …

48° 11' 53.74" N, 16° 20' 2.45" E  zur Karte im Wien Kulturgut

In 15., Hackengasse 11 befand sich in einem Schulgebäude von 1944 bis 1945 das Lager K 15 Hackengasse 11 / Goldschlagstraße 17 für ungarisch-jüdische Deportierte.

Das Lager Hackengasse bestand formell zumindest von 5. Juli 1944 bis 7. April 1945 in den städtischen Volksschulen für Knaben und Mädchen (im Handbuch des Reichsgaues Wien 1944 als zwei getrennte Einrichtungen mit eigener Direktion angeführt, aber mit selber Adresse Hackengasse 11 und auch selber Telefonnummer). Laut Dehio-Handbuch handelte es sich um einen "ärarische[n], späthistoristische[n] Schulbau".

Laut einer wohl aus dem Sommer 1944 stammenden Auflistung waren im Lager Hackengasse 450 Menschen ungarisch-jüdischer Herkunft interniert, davon 248 Frauen, 126 Männer und 76 Kinder. Von den 450 Personen wurden anfangs 346 als "arbeitsfähig" eingestuft, also 77 Prozent.

Auf zwei erhaltenen Formularen "Anmeldung zur Lagerverpflegung", auf denen rechts oberhalb die vorgedruckten Alternativen "Nichtsowjetischer Kriegsgefangener", "Sowjetischer Kriegsgefangener", "Bewachungsmann (Wehrmachtsangehöriger)" und "Ostarbeiter" zu finden sind, wurden alle durchgestrichen, dafür das Wort "Jude" klein darunter handgeschrieben und groß darüber gestempelt. In den darunter folgenden Namensfeldern ist jeweils im durchgestrichenen "Ostarbeiter"-Feld "Jude" gefolgt vom Namen zu finden.

Diese in Viehwaggons via Strasshof nach Wien deportierten Menschen wurden anscheinend erst "mit 5. Juli 1944 zur Lagerverpflegung angemeldet", allerdings mit Stempel vom 10. Juli 1944 der "Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien / Abteilung G 45 Arbeitseinsatz / Lager K 15 / Wien XV/101, Hackengasse 11 – Ruf" (ohne eingesetzter Telefonnummer; laut Handbuch Reichsgau Wien 1944, S. 221, hieß die Abteilung G 45 "Arbeits- und Baustoffeinsatz", unter Leitung von Stadtbaudirektor Dipl.-Ing. Hans Gundacker).

In der erwähnten Statistik vom Sommer 1944 heißt das Lager nur "Hackengasse XV", also mit Bezirksangabe ohne den "K"-Zusatz des Stempels; in einer undatierten anderen Liste der Lager mit ungarisch-jüdischen Deportierten in Groß-Wien ohne Zahlen fehlt durchwegs der K-Zusatz (siehe Lager K 12 Bischoffgasse und K 16 Kernstockplatz, also ebenfalls K plus Bezirksangabe).

Die "Abmeldung aus der Lagerverpflegung" erfolgte durchwegs "mit 7. April 1945" mit demselben Stempel der Abteilung G 45 (und wieder ohne eingesetzte Telefonnummer) wie bei der Anmeldung. Die "Unterschrift des Lagerführers" ist durchwegs gleich, aber kaum leserlich.

Laut Fußnote auf dem Anmeldungsformular war der "Lagerführer […] verpflichtet, gleichzeitig mit der Anmeldung die als drittes Blatt der Drucksorte angefügte 'Abmeldebestätigung für Lagerverpflegte' vorbereitend auszufüllen und dem Landesernährungsamt zu übergeben." Dort stand dann aber eindeutig "Lagerverpflegung", und nicht "Lagerverpflegte".

Nicht alle Betroffenen waren bis zur Befreiung im Lager Hackengasse: So wurde ein ungarisch-jüdischer Deportierter im Jänner 1945 vom Lager Hackengasse nach Sankt Anna am Aigen in der Steiermark transferiert, wo er im Rahmen der Organisation Todt beim Stellungsbau eingesetzt war; dann überlebte er im März/April den Todesmarsch via Konzentrationslager Mauthausen ins Konzentrationslager Gunskirchen. Aber auch direkt vom Lager Hackengasse aus wurden etliche ungarisch-jüdische Deportierte auf den Todesmarsch via Mauthausen in das Konzentrationslager Gunskirchen getrieben und, sofern sie es überlebt hatten, dort befreit. Es scheint so, dass zumindest die im direkt-städtischen Dienst stehenden Frauen nicht auf den Todesmarsch geschickt wurden, und im April in Wien befreit wurden.

Vom Lager Hackengasse erfolgten Zwangseinsätze zum Beispiel für die Deutsche Erdöl-Aktiengesellschaft Erdölwerke "Nova" in Schwechat (vermutlich in der Raffinerie), für das Beschaffungsamt am städtischen Holzplatz Hasnerstraße im 16. Bezirk, zur Straßenreinigung, zum Schneeräumen und zu Bauarbeiten, etwa für die Architekten und Stadtbaumeister Hans Horner (Sitz in 5., Schönbrunner Straße 85) und Adolf Skodny (Sitz in 8., Tigergasse 9). Auch beim Schutträumen nach Luftangriffen wurden die in Lager Hackengasse festgehaltenen ungarisch-jüdisch Deportierten eingesetzt, darunter auch teilweise erst achtjährige Kinder. Im Dezember 1944 wurden alle männlichen Lagerinsassen ab etwa 16 Jahren zum Stellungsbau am Rand von Wien abgestellt, dann ab Jänner zum Südostwallbau.

In einigen Fällen kamen ungarisch-jüdische Deportierte noch im Februar 1945 in das "Straflager No. 15" (also offenbar Hackengasse), beispielsweise via Schanzarbeiten an der ungarischen Grenze im Dienst der Wehrmacht und das Arbeitserziehungslager (AEL) Oberlanzendorf.

Auch im Volksgerichtsakt von Dr. Siegfried Seidl befindet sich eine Liste eines jüdischen Arztes, der diese 1946 als Zeuge im Prozess gegen Seidl vorgelegt hat.[1] Es handelt sich dabei um Lager ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den Bezirken 10 bis 25 und außerhalb Wiens sowie die Firmen, denen die Lager zugeordnet waren. Demnach befand sich hier ein Lager für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der "Gemeinde Wien Abtlg.G.45 Luftschutzbauten I."

Erinnern

Zum 50-Jahr-Jubiläum der Befreiung wurde an der Fassade des Gebäudes Hackengasse 11 eine von Horst Stöckel gestaltete Gedenktafel enthüllt mit der Inschrift: "In diesem Haus waren zwischen Juni 1944 und April 1945 etwa 500 ungarische Juden, darunter zahlreiche Kinder, interniert. Sie waren von den Nationalsozialisten als Arbeitssklaven verschleppt worden. Viele von ihnen starben an den erlittenen Entbehrungen und Misshandlungen. […]. Museumsverein Rudolfsheim-Fünfhaus 1995." Diese Tafel verschwand 2010 offenbar im Zuge eines Gebäudeabrisses.

Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien

Quellen

Weblinks

Literatur

  • Hermann Rafetseder: Lager und lagerartige Unterkünfte der NS-Zeit in Wien für das Online-Lexikon "Wien Geschichte Wiki", auf Basis von Material des Österreichischen Versöhnungsfonds. 108 Lager-Artikel und vier "Bonus-Tracks", erstellt im Auftrag des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Linz: Eigenverlag 2017
  • Kinga Frojimovics / Éva Kovacs: Jews in a “Judenrein” City: Hungarian Jewish Slave Laborers in Vienna (1944-1945). In: Hungarian Historical Review 4/3 (2015), S. 705-736
  • Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale. Erkenntnisse zu Erscheinungsformen der Oppression und zum NS-Lagersystem aus der Arbeit des Österreichischen Versöhnungsfonds. Bremen: Wiener Verlag für Sozialforschung in EHV Academicpress GmbH 2014, S. 601-602 (sowie 217, 337 und 408)
  • Eleonore Lappin-Eppel: Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45: Arbeitseinsatz - Todesmärsche - Folgen. Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2010 (Austria: Forschung und Wissenschaft – Geschichte, 3)
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes [Hg.]: Gedenken und Mahnen in Wien 1934-1945. Gedenkstätten zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung. Eine Dokumentation. Wien: Deuticke 1998, S. 337 (sowie Foto auf S. 333)
  • Eleonore Lappin: Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in Wien 1944/45. In: Martha Keil / Klaus Lohrmann [Hg.]: Studien zur Geschichte der Juden in Österreich. Band 1. Wien / Köln: Böhlau 1994 (Handbuch zur Geschichte der Juden in Österreich, Reihe B, 2), S. 140-165
  1. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht, A1 - Vg Vr-Strafakten: Vr 770/1946: Dr. Siegfried Seidl & Mittäter.