Zwangsarbeiterlager Kernstockplatz 1
48° 12' 50.32" N, 16° 19' 5.94" E zur Karte im Wien Kulturgut
In 16., Kernstockplatz 1 (seit 1992 Familienplatz) befand sich von 1942 bis 1945 das Lager K 16 - Kernstockplatz 1 für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der nationalsozialistischen Zeit.
Auf dem "Lager-Ausweis" eines kosovarisch-jüdischen Zwangsarbeiters vom 15. Februar 1945 findet sich der Stempel "OT-Einsatz Wien / Lager / K 16 / Kernstockplatz 1". Er wurde dort als "Beschäftigt als Ha [Hilfsarbeiter] - Glaserer" bezeichnet, der in "Baracke Nr." und "Bett Nr." [ohne Eintragung der Nummern] untergebracht war. Er war mit seiner Familie nach der Flucht vor den Deutschen in Italien aufgegriffen und im April 1944 "in plombierten Viehwaggonen, ohne Nahrung und ohne Wasser, mit noch 60 Menschen zusammengepfercht, nach Wien überführt" worden (via das Durchgangslager Strasshof).
Vom Lager Kernstockplatz aus arbeitete eine serbische Zwangsarbeiterin von Juli 1944 bis Kriegsende für die Firma Kriwanek (Baustoff- und Estrichgesellschaft Heinrich Kriwanek in 12., Altmannsdorfer Straße 94), die laut Industrie-Compass Ostmark 1943/1944 in der nationalsozialistischen Zeit enge Geschäftsbeziehungen zum besetzten Jugoslawien hatte. Zwangseinsätze von Lagerinsassen gab es auch bei einem nicht näher benannten Zementwerk, beim "Bunkerbau in Wien" und von Mai 1942 bis Kriegsende unter anderem an der Instandsetzung der Wiener Kanalisation.
Laut Handbuch des Reichsgaues Wien 1944 befand sich an der Adresse Kernstockplatz 1 eine Volksschule für Jungen und Mädchen. In jenem Komplex mit den Adressen Kernstockplatz 1, Wattgasse 15 und Ottakringer Straße 150 war neben Feuerwehreinrichtungen ab 1924 zeitweise auch eine Schule für tschechische Kinder. Nach dem Krieg war dort zeitweise ein Flüchtlingslager.
Die Zusätze K plus Bezirksangabe führten hier und zumindest auch beim Lager K 12 Bischoffgasse dazu, dass das K als Kürzel für "Konzentrationslager" interpretiert wurde. In einem anderen Wiener Lagernummernsystem wurden bei den Bezirksziffern nicht entsprechende Zusatzzahlen verwendet (siehe INHA-Lager wie etwa Brunner Straße 340).
Weiters nennt auch eine Liste des Wilhelminenspitals[1] das Lager 16., Kernstockplatz 1 als "Albanerlager" der Gemeinde Wien für russische, albanische und jugoslawische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Diese Liste des Wilhelminenspitals verzeichnet die dort zwischen 1942 und 1945 behandelten Ausländerinnen und Ausländer. Die Liste enthält Aufnahmezahl, Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Geburtsort (Land), Eintritt, Austritt, "Bestimmungsort" mit Firma und Wohnadresse (mit den zeitgenössischen Straßennamen).[2]
Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich hier ein Flüchtlingslager.
Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien
Quellen
- Hermann Rafetseder: Aus Versöhnungsfonds-Anträgen gesammeltes Material (Kopien)
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer"
- Brigitte Rigele: Bearbeitung der Liste des Wilhelminenspitals (1999)
Literatur
- Stefan August Lütgenau: Zwangsarbeit im "Reichsgau" Wien 1938-1945. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 59 (2003), S. 167-186
- Hermann Rafetseder: Lager und lagerartige Unterkünfte der NS-Zeit in Wien für das Online-Lexikon "Wien Geschichte Wiki", auf Basis von Material des Österreichischen Versöhnungsfonds. 108 Lager-Artikel und vier "Bonus-Tracks", erstellt im Auftrag des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Linz: Eigenverlag 2017
- Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale. Erkenntnisse zu Erscheinungsformen der Oppression und zum NS-Lagersystem aus der Arbeit des Österreichischen Versöhnungsfonds. Bremen: Wiener Verlag für Sozialforschung in EHV Academicpress GmbH 2014, S. 602-603 (sowie S. 383)
Einzelnachweise
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer".
- ↑ Irrtümer bei den Bezirken und Hausnummern sind nicht ausgeschlossen. In die Bearbeitung aufgenommen wurden nur jene Adressen, bei denen "Lager" angegeben war, beziehungsweise nur jene Firmenlager, die als solche bezeichnet wurden.