48° 12' 1.56" N, 16° 21' 21.42" E zur Karte im Wien Kulturgut
Burgfried (Burgfrieden).
Bedeutung
Im Mittelalter ein niederer Herrschaftsbezirk für zivilrechtliche Angelegenheiten. Innerhalb des Wiener Burgfrieds, der nicht gleichbedeutend war mit der Stadtmauer, sondern auch die Vorstädte mit einschloss, standen der Stadt beziehungsweise dem Magistrat die Gerichtsbarkeit und verschiedene administrative Befugnisse zu. Erstmals belegt ist der Burgfried bereits in der spätbabenbergischen Zeit.
Da der Burgfried zugleich städtischer Steuerbezirk war, prallten hier auch finanzielle Interessen aufeinander. Als ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Burgfried lässt sich der zur Burgsiedlung (Stadt) gehörige Bezirk erkennen, für dessen Bewohner das städtische Friedensrecht galt. Die Entstehung eines solchen Bezirks ist daher eng mit der Entstehung der städtischen Gemeinde verbunden, im speziellen mit dem Beginn einer Gemeindeautonomie.
Erstmalige Nennung und Geltungsbereich
Der Burgfried wird erstmals in der Bestätigung des Stadtrechts Leopolds VI. (1221) durch Herzog Friedrich II. erwähnt (1244); seine räumliche Ausdehnung zu dieser Zeit lässt sich nicht festlegen. Da die in ottokarischer Zeit gegründeten Siechenhäuser jedoch ziemlich genau an den Burgfriedgrenzen lagen, dürften diese damals durchaus geläufig gewesen sein.
Mit der Definition der Burgfriedgrenzen im Stadtrecht 1296 sollte der Geltungsbereich des Stadtgerichts fixiert werden. Der Stadtrichter hatte sich nämlich aus einem Repräsentanten des Stadtherrn zu einem Funktionär der Stadt gewandelt, sodass es verständlich erscheint, dass die Landesherren gegen Ende des 13. Jahrhunderts verschiedentlich versuchten, dessen Macht zu begrenzen.
Seit dem 14. Jahrhundert tritt Wien als Käufer von Grundherrschaften auf: 1337 beziehungsweise 1386 Unterer Werd, 1396 Teil des Oberen Werds. Burgfriedliche Rechte der Stadt wurden jedoch seit jeher hauptsächlich im verbauten Gebiet wirksam. Im wesentlichen ging es der Stadt um den steuerlichen Zugriff auf Häuser.
Schon frühzeitig suchte man den städtischen Anspruch damit zu untermauern, dass man ganz allgemein die Vorstädte mit dem Burgfried gleichsetzte. 1551 wurde in einem Vergleich mit den Landständen festgelegt, dass alle bis dahin ins Mitleiden der Stadt gekommenen Herrenhäuser auch künftig darin verbleiben sollten. In der Praxis kam es zu starken Veränderungen zuungunsten der Stadt. 1552 bestanden 115 nicht zahlende Freihäuser, 1664 582 Freihäuser gegenüber 843 bürgerlichen Häusern. Ein 1623 der Stadt verliehenes Recht, nichtbürgerliche Häuser einzulösen, scheiterte im großen und ganzen an der finanziellen Kapazität der Stadt.
Der Versuch, durch Einbeziehung neuer Vorstädte den Burgfriedbereich zu vergrößern, scheiterte im 16. und 17. Jahrhundert am Widerstand des Hofs. Als der Stadt 1618 beispielsweise die Jurisdiktion über den Weißgerbergrund zugesprochen wurde, behielt das Vizedomamt die Grunddienstbarkeit.
Die Ausweitung des Glacis unter Leopold I. in den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts betrachtete die Stadt als einen Eingriff in ihre Rechte, das heißt eine Bedrohung des Burgfrieds. Nach der Zweiten Türkenbelagerung wurde eine Erneuerung und Erweiterung des Burgfrieds zum dringenden Bedürfnis; am 15. Juli 1698 erließ Leopold I. deshalb ein Burgfriedensprivileg, in dem er den Burgfried juridisch und territorial definierte.
Immer Streit um die Grenze - Grenzsteine
Trotz der Bemühungen der Stadt, die danach systematisch Grenzsteine aufstellen ließ und einen eigenen Burgfriedinspektor bestellte, hielten dennoch die Streitigkeiten an; einzelne Grundherrschaften versuchten immer wieder, diverse Rechte für sich in Anspruch zu nehmen. Eine neue Dimension in die Auseinandersetzungen brachte die Errichtung des Linienwalls (1704), den man sehr bald als eigentliche Vorstadtgrenze empfand, obwohl er sich mit dem Burgfried territorial nicht völlig deckte. Die Stadt versuchte in der Folge durch Kauf die noch vorhandenen Grund- und obrigkeitlichen Rechte über die in den Vorstädten gelegenen Güter an sich zu bringen.
Die Konstituierung der Katastralgemeinden unter Joseph II. ging hinsichtlich des Steuerbezirks von der traditionellen Grenze ab.
1826 hat Stadtbauinspektor Anton Behsel die ganze Burgfriedenslinie mit Hilfe von Grundbüchern, Plänen und sichtbaren Anhaltspunkten bestimmt; die Fixierung der Grenze erfolgte durch Versetzung von 90 (später 98) Marksteinen. Ein einziger hat sich beim Eingangstor der Stiftskirche, 7, Mariahilfer Straße 24, erhalten.
Die Festlegung des neuen Gemeindegebiets ließ 1850 die alte Burgfriedgrenze völlig in Vergessenheit geraten.
Grenzsteine
Siehe weiters:
- Burgfriedensgrenze, Währing, Döbling, Spittelau (1670)
- Burgfriedensgrenze, Magdalenengrund, Gumpendorf (1766)
- Grenzen und Grundherrschaften 1779-1900
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handschriften, A 8: Gedenkbuch über den Burgfried, 1740-1791
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handschriften, A 9: Behsel, Beschreibung des Burgfriedens der Stadt Wien 1698, verfasst 1825
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handschriften, A 10: Behsel, Beschreibung des Burgfriedens der Stadt Wien 1698, verfasst 1826
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Historischer Atlas von Wien, 4.2.1 - Grenzen im Wiener Raum
Literatur
- Ferdinand Opll: Der Burgfried der Stadt Wien. Studien zum Kompetenzbereich des Magistrats vor und nach der Türkenbelagerung von 1683. Wien: Deuticke 1985 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 15)
- Ferdinand Opll: Alte Grenzen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1986 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 4), S. 107 ff.
- Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), S. 46 ff.
- Josef Buchowiecki: Der letzte erhaltene Burgfriedstein. In: Wiener Geschichtsblätter 25 (1970), S. 123