Helene Schanz
Helene Schanz, * 14. Mai 1907 Wien, † unbekannt.
Biografie
Helene "Eni" Gertrud Natalie Schanz, geborene Kraus, war die Tochter des Industriellen Rudolf und seiner Ehefrau Anna Maria "Marianne" Kraus, geborene Fröhlich (1880–1943). Sie hatte einen vier Jahre älteren Bruder, Franz "Francis" Herbert Stefan. Wie ihre Eltern, die vom Judentum zum Protestantismus übergetreten waren, und ihr Bruder wurde sie in der Evangelischen Stadtpfarre getauft. Über ihre Kindheit und Bildung ist nichts bekannt. Erhalten ist lediglich eine Fotopostkarte der einjährigen Helene mit ihrem Bruder, die dieser aus dem Sommerurlaub am Semmering an den Onkel Karl Kraus schickte.
Sie heiratete Fritz Schanz (auch Schantz, 1901–1987), Prokurist der Arbeiterbank und ab 1933 Geschäftsführer der Kino-Betriebs-Anstalt. Am 14. November 1929 zeigte ihr Vater seinem Bruder Karl Kraus die Verlobung an.
Helene Schanz wurde nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich 1938 als Jüdin verfolgt. Sie schaffte – wie ihr Bruder – die Flucht in die Vereinigten Staaten, wo sie im Exil überlebte und die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm. Ihre Eltern wurden 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Eventuell lebte das Ehepaar Schanz zu diesem Zeitpunkt getrennt, denn Fritz Schanz floh 1938 wahrscheinlich Richtung Ungarn und kehrte nach Kriegsende wieder nach Wien zurück.
Helene Schanz kam 1947 nach Wien zurück und lebte zunächst in der 1., Seilergasse 4, später in der 1., Wollzeile 24. Gemeinsam mit ihrem Bruder strengte sie einen aufreibenden Restitutionsprozess an. 1950 reichten sie einen Antrag nach dem Zweiten und Dritten Rückstellungsgesetz gegen die Republik Österreich um ein Gemälde von Ferdinand Georg Waldmüller ("Familie des Baron Geymüller in einem Park", später auch "Die Familie Geymüller im Park") ein, das ihre Eltern 1932 von Hermann Reif gekauft hatten. Zehn Jahre später – 1960 – endete das Verfahren mit einem Vergleich und der Rückgabe des Gemäldes gegen die Bezahlung von 60.000 Schilling. Die beiden Geschwister führten außerdem auch ein Restitutionsverfahren um die Aktien der "Deutschlandsberger Papierfabriken" ihrer Nichte Renate Austerlitz und ihres Onkels Josef Kraus. Beide wurden während des Nationalsozialismus ermordet.
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, H.I.N.-169770, Fotopostkarte von Franz und Helene Kraus an Karl Kraus, 1908
- Wienbibliothek Digital: Adolph Lehmann’s allgemeiner Wohnungs-Anzeiger
- Wienbibliothek Digital: Brief von Rudolf Kraus an Karl Kraus vom 14.11.1929 zur Verlobung seiner Tochter
- ANNO: Fritz Schantz wird Geschäftsführer der "Kiba". In: Österreichisches Abendblatt, 7.8.1933, S. 3
- Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, Teilnachlass Edward Timms, ZPH-1805, 4.1.1.20.
- Deutsche Digitale Bibliothek: Verfahren Helene Schanz, Wien 1, Seilergasse 4, gegen das Deutsche Reich [Stand: 12.03.2024]
- Deutsche Digitale Bibliothek: Verfahren Francis Herbert Kraus, 67 Iselin Teracce Larchmont, NY, USA, gegen das Deutsche Reich [Stand: 12.03.2024]
Literatur
- Katharina Prager / Simon Ganahl [Hg.]: Karl Kraus-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Berlin: J.B. Metzler 2022
- Georg Gaugusch: Wer einmal war A–K. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938. 2 Bände. Wien: Amalthea 2011, S. 1545–1549
- Peter Melichar: Arisierungen und Liquidierungen im Papier- und Holzsektor. In: Clemens Jabloner et al (Hg.): Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Band 10: Zwangsverkauf, Liquidierung und Restitution von Unternehmen in Österreich 1938 bis 1960, Teil 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen. Wien: Oldenbourg 2004, S. 279–741
Weblinks
- OGND: Fritz Schanz [Stand: 21.03.2024]
- "Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben". Die Familie des Satirikers Karl Kraus (Ausstellung der Wienbibliothek im Rathaus 2024) [Stand: 27.02.2024]