Renate Austerlitz
Renate Austerlitz, * 15. November 1902 Wien, † 13. Oktober 1944 Konzentrationslager Stutthof, Aktionärin der "Deutschlandsberger Papierfabriken".
Biografie
Renate Austerlitz, geborene Kraus, war die Tochter des Industriellen Josef und seiner Ehefrau Sophie Kraus, geborene Weiß. Über ihre Kindheit und Bildung ist nichts bekannt. Am 7. Dezember 1919 heiratete sie in der Israelitischen Kultusgemeinde Wien den tschechoslowakischen Staatsbürger und Industriellen Wilhelm Austerlitz (1888–unbekannt), der auch bei diversen Kraus'schen Familienunternehmen im Verwaltungsrat und Vorstand tätig war. Die Ehe wurde 1927 geschieden.
1929 wurde Austerlitz als Verwaltungsrätin bei den von ihrem Vater geleiteten "Deutschlandsberger Papierfabriken" eingesetzt. Gemeinsam mit ihm hielten sie den Großteil der Aktien. Inwiefern sie in das tatsächliche Geschäft eingebunden war, ist nicht bekannt. Nachdem sie in Rom 1936 den ehemaligen Sprachlehrer und Gesangskorrepetitor Antonio Amaducci kennengelernt hatte, kehrte das Paar verlobt nach Wien zurück. Amaducci wurde als künftiger Schwiegersohn der einzigen Tochter von Josef Kraus auch im Unternehmen als Nachfolger betrachtet und übernahm Funktionen in den "Deutschlandsberger Papierfabriken". Wohl aufgrund der befürchteten Enteignung durch das nationalsozialistische Regime sollte Amaducci, der weder Geschäftsmann war noch Erfahrung im Papiersektor hatte, Renate Austerlitz' und Josef Kraus' Aktien vorübergehend übernehmen. Dieses Vorgehen konnte das Unternehmen jedoch nicht retten. Im Juli 1939 galten die "Deutschlandsberger Papierfabriken" als zahlungsunfähig, am 9. Jänner 1940 wurde das Konkursverfahren eröffnet.
Die Hochzeit von Austerlitz und Amaducci kam nie zustande und es besteht die Vermutung, dass es Amaducci – der auch als Hochstapler bezeichnet wird[1] – vor allem um das Vermögen und die Unternehmen ging. Im Dezember 1939 wurde er von der Gestapo wegen des Verdachts der betrügerischen Krida und Betrug verhaftet und bis 31. Mai 1941 inhaftiert.
Renate Austerlitz' Verfolgung als Jüdin durch das nationalsozialistische Regime lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Von Wien wurde sie wohl zuerst nach Ungarn, anschließend in das Vernichtungslager Auschwitz und schließlich in das Konzentrationslager Stutthof deportiert. Dort wurde sie am 13. Oktober 1944 ermordet. Auch ihre Eltern überlebten die Shoah nicht.
Franz "Francis" Herbert Kraus und Helene Schanz – Austerlitz' Cousinen – strengten 1959 ein Restitutionsverfahren für die Deutschlandsberger-Aktien von Renate Austerlitz und Josef Kraus an.
Quellen
- Wienbibliothek Digital: Adolph Lehmann’s allgemeiner Wohnungs-Anzeiger
- ANNO: Renate Austerlitz bei Deutschlandsberger Papierfabriken als Verwaltungsrat eingetragen. In: Wiener Zeitung, 07.04.1929, S. 208 (16)
- Deutsche Digitale Bibliothek: Verfahren Helene Schanz, Wien 1, Seilergasse 4, gegen das Deutsche Reich [Stand: 12.03.2024]
- Deutsche Digitale Bibliothek: Verfahren Francis Herbert Kraus, 67 Iselin Teracce Larchmont, NY, USA, gegen das Deutsche Reich [Stand: 12.03.2024]
Literatur
- Katharina Prager / Simon Ganahl [Hg.]: Karl Kraus-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Berlin: J.B. Metzler 2022
- Georg Gaugusch: Wer einmal war A–K. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938. 2 Bände. Wien: Amalthea 2011, S. 1545–1549
- Peter Melichar: Arisierungen und Liquidierungen im Papier- und Holzsektor. In: Clemens Jabloner et al (Hg.): Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Band 10: Zwangsverkauf, Liquidierung und Restitution von Unternehmen in Österreich 1938 bis 1960, Teil 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen. Wien: Oldenbourg 2004, S. 279–741
Weblinks
- DÖW – Datenbank zu Häftlingen in Auschwitz: Renate Austerlitz [Stand: 12.03.2024]
- "Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben". Die Familie des Satirikers Karl Kraus (Ausstellung der Wienbibliothek im Rathaus 2024) [Stand: 27.02.2024]
Referenzen
- ↑ Peter Melichar: Arisierungen und Liquidierungen im Papier- und Holzssektor. In: Clemens Jabloner et al (Hg.): Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Band 10: Zwangsverkauf, Liquidierung und Restitution von Unternehmen in Österreich 1938 bis 1960, Teil 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen. Wien: Oldenbourg 2004, S. 279–741, hier S. 390