Emma Fridezko
Emma Fridezko, * 5. April 1860 Gitschin, Böhmen (Jičín, Tschechische Republik), † 1942 Vernichtungslager Treblinka.
Biografie
Emma Fridezko, geborene Kraus, war das älteste Kind von Jacob und Ernestine Kraus und wurde 1860 in der böhmischen Kleinstadt Jičín geboren, wo ihre Vorfahren mütterlicherseits, die Kantors, schon über Generationen etabliert waren und ihr Vater ein erfolgreiches Geschäftsimperium aufbaute. Sie war etwa 17 Jahre alt, als die Familie 1877 nach Wien übersiedelte, um das Familienunternehmen in der Haupt- und Residenzstadt weiter auszubauen. Über die Bildung von Emma Fridezko ist – wie bei vielen ihrer Zeitgenossinnen und auch ihren anderen Schwestern – nichts bekannt. Aufgrund der familiären Herkunft mütterlicherseits erscheint ein Wissenstransfer von der wohl gut erzogenen und gebildeten Mutter zur ältesten Tochter wahrscheinlich; eventuell übernahm auch die Großmutter, die in Jičín bei der Familie ihrer Tochter wohnte, eine Rolle dabei. Außerdem beschäftigte die Familie Kraus Gouvernanten und Hauslehrer, an deren Unterricht wohl auch die Mädchen partizipieren konnten.
Mit 23 Jahren heiratete Emma 1883 den Schuhwarenfabrikanten Julius Fridezko (1851–1935). Das Paar hatte zwei Kinder: Margarethe ("Gretl") wurde am 2. April 1884 und Stefan am 10. April 1885 in Wien geboren. 1899 wurde die Ehe durch die Israelitischen Kultusgemeinde aufgelöst. Während Julius Fridezko erneut heiratete, blieb Emma Fridezko unverheiratet. Nach der Auflösung der Ehe lebte sie gemeinsam mit ihren Kindern wiederholt für längere Zeit in London, von wo aus sie etwa ihren Bruder Karl Kraus mit Lebensmittelpaketen versorgte. Immer wieder kehrte sie aber auch nach Wien zurück. Ihr Sohn fiel am 3. Juni 1918 als Soldat im Ersten Weltkrieg bei Malga. Ab 1932 scheint Emma Fridezko wieder im Wiener Adressbuch "Lehmann" mit der Adresse 9., Schwarzspanierstraße 6 auf, was eventuell auf eine vermehrte Anwesenheit in Wien schließen lässt.
Wie sehr Emma Fridezko in die Geschäfte des Krausʼschen Familienunternehmens involviert war, bleibt offen. 1928 wurde sie jedenfalls nachweislich als Mitglied des Verwaltungsrates der zugehörigen "Deutschlandsberger Papierfabriken" bestellt und schied 1938 aus dieser Funktion aus.
Wie andere Familienmitglieder besuchte auch Emma Fridezko Vorlesungen ihres Bruders Karl Kraus. In seinem Testament vermachte er ihr ein Drittel des Inhalts seiner Wohnung; die anderen Teile gingen an die beiden anderen, noch lebenden Schwestern Louise Drey und Malvine Weingarten.
Emma Fridezko wurde am 22. Juli 1942 gemeinsam mit ihrer Schwester Louise Drey von Wien in das Ghetto Theresienstadt deportiert, das zu dieser Zeit an seine Kapazitätsgrenzen stieß. Als Reaktion darauf wurde auf Befehl der SS mit der Deportation von älteren Personen begonnen, die bis dahin zum Teil geschützt waren, und erstmals keine Rücksicht auf das Zusammenbleiben von Familienangehörigen genommen. Die Transporte führten in die Vernichtungslager Treblinka und Maly Trostinec. Emma Fridezko war Teil eines solchen Transports und wurde 81-jährig am 21. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka verlegt und dort ermordet.
Quellen
- Wienbibliothek Digital: Emma Fridezko
- Wienbibliothek Digital: Adolph Lehmann’s allgemeiner Wohnungs-Anzeiger
- ANNO: Bekanntgabe der Eintragung Emma Fridezkos als Mitglied des Verwaltungsrates bei den Deutschlandsberger Papierfabriken. In: Wiener Zeitung, 5.2.1928, S. 86 (S. 22)
- ANNO: Bekanntgabe der Löschung Emma Fridezkos als Vorstandsmitglied bei den Deutschlandsberger Papierfabriken. In: Neues Wiener Tagblatt, 29.5.1938, S. 19
Literatur
- Katharina Prager / Simon Ganahl [Hg.]: Karl Kraus-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Berlin: J.B. Metzler 2022
- Anna Hájková: The Last Ghetto. An Everyday History of Theresienstadt. New York: Oxford University Press 2020
- Georg Gaugusch: Wer einmal war A–K. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938. 2 Bände. Wien: Amalthea 2011, S. 1545–1549
- Gertrud Simon: Hintertreppen zum Elfenbeinturm. Höhere Mädchenbildung in Österreich – Anfänge und Entwicklungen. Wien: Wiener Frauenverlag 1993
- Karl Kraus Online: Emma Fridetzko [Stand: 26.01.2024]
- Opferdatenbank Theresienstadt: Emma Fridetzko [Stand: 26.01.2024]
Emma Fridezko im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.