48° 12' 16.97" N, 16° 24' 57.05" E zur Karte im Wien Kulturgut
Hauptallee (2, im Prater, zwischen Praterstern und Lusthaus).
Die Allee entstand unter Ferdinand I. 1537/1538 durch Schlägerung im Praterauwald ("Langer Gang"). Sie erschloß das kaiserliche Jagdgebiet. Bereits vor 1566 wurde für Maximilian II. in ihrem hinteren Bereich (sie verlief am Lusthaus vorbei noch ein Stück weiter) ein kleines Jagdschlösschen errichtet, das 1781-1783 durch den heutigen Bau ersetzt wurde (Lusthaus). 1780/1781 wurde die Hauptallee in das strahlenförmige Erschließungskonzept des Pratersterns integriert. Damals wurde die Hauptallee jenseits des neuen Sternplatzes durch eine Allee zum Augarten, die heutige Heinestraße, weitergeführt. Ursprünglich nicht unterbrochen, wurde die Allee im 17. Jahrhundert durch Änderungen im Donauverlauf geteilt. Das Lusthaus konnte über einen Weg entlang des (heutigen) Heustadelwassers (bis zur Donauregulierung ein Donauarm) erreicht werden, der wieder in die übrige Hauptallee mündete[1].
Die Hauptallee durchzieht den Prater in einer Länge von heute 4,5 Kilometer (bis zum Umbau des Pratersterns in den 1950er Jahren waren es 4,8 km) und war ab dem 18. Jahrhundert die schönste Korsostraße für die Wagenausfahrten des Hofs sowie der Angehörigen des Adels und des wohlhabenden Großbürgertums, wobei dem 1. Mai als Auftakt der Saison besondere Bedeutung zukam. Das Zusammenströmen der vornehmen Welt motivierte vor allem Cafetiers, in der Hauptallee Lokalitäten zu eröffnen. Um 1786 entstanden kurz nacheinander drei Praterkaffeehäuser, die der Einfachheit halber, entsprechend ihrer räumlichen Abfolge vom Praterstern aus, als Erstes, Zweites und Drittes Kaffeehaus bezeichnet wurden.
Das Erste Kaffeehaus wurde durch seine Veranstaltungen bekannt (1814 spielte Beethoven [es war sein letztes öffentliches Auftreten als Klaviervirtuose], 1824 konzertierte hier Lanner); das Zweite Kaffeehaus war eine Gründung des bekannten Cafetiers Johann Evangelist Milani und gehörte im Vormärz Ignaz Wagner, dem Vater der Lebensgefährtin Ferdinand Raimunds, Antonie; das Dritte Kaffeehaus lockte im Vormärz auch deshalb Besucher an, weil es ein Laboratorium beherbergte, in dem aus dem Saft von Ahornbäumen Zucker hergestellt wurde, wogegen im späteren 19. Jahrhundert Anton Ronacher hier ein Sommertheater betrieb.
Auch zahlreiche Veranstaltungen wurden in der Hauptallee abgehalten; so werden in den Eipeldauer-Briefen (unter anderem 1794) Stafettenläufe erwähnt; bis 1847 fanden in der Hauptallee auch die Lauferrennen statt (Wettrennen der herrschaftlichen Laufer, die 1848 wegen "Unmenschlichkeit" verboten wurden). Gegen Ende des Vormärz (nach 1830) wurden in der Hauptallee Trabfahrten abgehalten, vor allem fanden jedoch in der Hauptallee am 1. Mai die berühmten "Praterfahrten" statt, bei denen es zu respektablen Wagenauffahrten und am Abend zu entsprechenden Verkehrsstauungen bei der Rückfahrt in die Stadt kam (man zählte bis zu 1.200 Equipagen, die an der Auffahrt teilnahmen); bei dieser Gelegenheit wurde auch die Mode für die kommende Saison kreiert.
Auch Festivitäten verschiedenster Art wurden in die Hauptallee verlegt: unter anderem fand hier am 29. April 1854 anlässlich der Vermählung Kaiser Franz Josephs ein "Kaiserfest" statt. 1866/1867 wurde das zwischen erstem und zweitem Rondeau liegende Stück der Hauptallee als "Notstandsarbeit" (Arbeitslosigkeit nach dem preußisch-österreichischen Krieg 1866) planiert und trassiert, sodass seither die Hauptallee in gerader Linie bis zum Lusthaus führte (bis dahin Verbindung entlang des Heustadelwassers).
Ab 1860 fanden in der Hauptallee Trabrennen statt. 1870 gab es eine Fiakerwettfahrt. 1871/1872 wurde der Volksprater "reguliert" (Mitwirkung von Architekt Lothar Abel), 1873 wurde nahe der Hauptallee als zentrales Gebäude des Weltausstellungsgeländes die Rotunde errichtet; der Aushub der Weltausstellungsbauten wurde nahe der Hauptallee zum Konstantinhügel aufgeschüttet.
Der 1873 gegründete "Wiener Trabrenn-Verein" veranstaltete sein erstes Trabrennen in der Hauptallee am 29. Mai 1874; weitere folgten, bis 1878 der Trabrennplatz eröffnet wurde. Am 29. / 30. Mai 1886 arrangierte Pauline Fürstin Metternich den ersten Blumenkorso. Die Etablierung politischer Parteien und der Kampf um das allgemeine Wahlrecht, der nach dem Hainfelder Einigungsparteitag der Sozialdemokraten (1888/1889) in ein neues Stadium trat, sowie die Einführung des 1. Mais als Arbeiterfeiertag hatten zur Folge, dass ab 1890 an diesem Tag die Arbeiterschaft in den Prater marschierte und dort vornehmlich auf der Hauptallee promenierte (Maifeier), bis die Maiaufmärsche in den 1920er Jahren auf die Ringstraße verlegt wurden; in logischer Konsequenz wurde als Pendant zum Kutschenblumenkorso des Adels und der Bürger in der Hauptallee ein Radfahrerblumenkorso der Arbeiter veranstaltet (erstmals am 26. Mai 1897).
1903 wurde zum Abschluss der Fernfahrt Paris-Wien in der Hauptallee eine Autowettfahrt abgehalten. 1925 fand eine "Praterfahrt von einst" statt, zugleich auch der erste Autoblumenkorso.
1964 wurde der Autoverkehr in der Hauptallee großteils verboten.
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
- ab 1878: Pfarre St. Johann
- ab 1921: bis zur Ostbahnlinie Grenze zwischen Pfarre St. Johann (im Südwesten) und Pfarre Donaustadt (im Nordosten); von Ostbahnlinie bis Lusthaus: Pfarre Donaustadt
Literatur
- Manuel Swatek: Die neue Prater-Lust. Zur Entstehung des Pratersterns unter Kaiser Joseph II. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 72/73 (2016/2017, erschienen 2018)
- Felix Czeike: II. Leopoldstadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 2), S. 64 f.
- Felix Czeike: Leopoldstadt und Brigittenau. Zaltbommel: Europäische Bibliothek 1992 (Wien in alten Ansichtskarten), Abb. 55-58, Abb. 86-87
- Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 328
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 104 f.
- Hans Pemmer / Ninni Lackner: Der Prater. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien, München: Jugend & Volk 1974 (Wiener Heimatkunde), S. 146 ff.