Schauspielhaus Wien
48° 13' 11.82" N, 16° 21' 40.98" E zur Karte im Wien Kulturgut
Schauspielhaus Wien (9., Porzellangasse 19).
Das Schauspielhaus Wien wurde 1978 vom Wiener Regisseur Hans Gratzer und dessen damaligem Ensemble Werkstatt gegründet. Mit der Werkstatt, die 1973 gegründet wurde, hatte Gratzer seit 1973 die Räume des Neuen Theaters am Kärntnertor bespielt, ehe die Gruppe nach nur drei Jahren wieder ausziehen musste, da die kleine Übungsbühne der Bundestheater anderweitig genutzt werden sollte.
Die Stadt Wien bot dem erfolgreichen Ensemble damals zwei unterschiedliche Orte an, um ihre Arbeit in einem eigenen Theaterraum weiterzuführen: das ehemalige Rabenhofkino und das ebenfalls geschlossene Heimatkino. Gratzer selbst hätte gerne die Räume des Colosseum Kinos (9., Nussdorfer Straße 4) übernommen, das mit 700 Plätzen die Größe des Theaters in der Josefstadt entsprach und den jungen Theaterleiter damals mehr ansprach als die beiden wesentlich kleineren Räume. Doch die Verhandlungen scheiterten, und so entschied sich Gratzer zuletzt für den Standort Porzellangasse. Die Umbauten des zuletzt im Zuge des Wiener Theatersterbens als "Pornokino" geführten einst beliebten Bezirkskinos zog sich über Monate, und so konnte erst am 4. Mai 1978 mit Jean Genets "Der Balkon" eröffnet werden. Zur feierlichen Eröffnung des neuen Theaters in Wien kamen unter vielen anderen der damalige Bundesminister für Unterricht und Kunst, Fred Sinowatz (SPÖ), Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner (SPÖ), Burgtheater-Direktor Gerhard Klingenberg sowie die Künstler:innen Wolfgang Hutter, Marianne Mendt und André Heller. Nur drei Tage später folgte schon die nächster Eröffnungspremiere: "Kennedys Kinder" des New Yorker Off -Off -Broadway-Dramatikers Robert Patrick in der Regie des späteren Volkstheater-Intendanten Michael Schottenberg.
Das erste Jahrzehnt des Hauses wurde später als "die wilden Jahre" bezeichnet, als "hedonistisches Jahrzehnt", in dem sich eine Erfolgsproduktion an die nächste reihte. "Jung und dynamisch war Hans Gratzer", erinnert sich Schottenberg Jahrzehnte später, "als er das Schauspielhaus übernahm. Ein Magier, der alle, Schauspieler wie Publikum, in seinen Bann zog, der ein neues Gefühl in die Stadt brachte, eine neue Lebendigkeit. Viele Lichter zündete er am Theater an. Girlanden aus Glühlämpchen, auf der Bühne und im Zuschauerraum, unter dem Balkon. Eine wilde Theaterlust und -wut ging von diesem Haus in der Wiener Porzellangasse aus. Es machte die Stadt nicht nur heller, aufgeschlossener, gedankenfreier, moderner, Hans Gratzer gelang es auch, an diesem Theater ein wunderbares, zumindest von mir nicht gekanntes Gemeinschaftsgefühl zu wecken." In den Jahren 1981 bis 1984 stand das Theater am Zenit und beeindruckte mit Aufführungen wie "Bent", "Lear" mit Justus Neumann und der Kultproduktion "Rocky Horror Picture Show".
Doch zum Jahreswechsel 1986/87 verließ Hans Gratzer das Haus, um zum einen die letztlich künstlerisch gescheiterte Großproduktion "Castiglioni" zu realisieren, um anderen, einige Jahre in Amerika zu arbeiten. Doch letztendlich kommt es hier zu keiner einzigen Produktion, und Gratzer kehrt nach Wien zurück. "Ich bin nach Amerika gegangen, um den Broadway umzulegen. Ich wollte dort einfach Erfolg haben und habe mir den auch erwartet, weil die Regisseure dort nicht gut sind. Aber die kamen mit meinem Tempo nicht mit", erinnert er sich später an seine gescheiterten Versuche in den USA.
Nachdem George Taboris Theaterversuch Der Kreis im Schauspielhaus zeitgleich zu Ende ging, übernahm Hans Gratzer das Haus erneut und führte es bis in das Jahr 2000. In diesen Jahren brachte er Stücke der damals jungen österreichischen Autor:innen Gustav Ernst, Elfriede Jelinek und vor allem Werner Schwab heraus, mit denen er sowohl ein neues Konzept für das Haus vorstellte wie erneut an die Erfolge der frühen Jahre anschließen konnte.
23 Jahre und 143 Produktionen später fand am 4. Mai Mai 2001 die letzte Premiere der Direktion Hans Gratzer statt, die er dem benachbarten Ensemble Kabinetttheater überließ.
Von 2001 an führten Airan Berg und Barrie Kosky das Haus mit einem interkulturellen Ansatz weiter. 2007 folgte ihnen der deutsche Dramaturg Andreas Beck, der sich erneut auf den bereits von Hans Gratzer im Haus eingeführten Schwerpunkt auf zeitgenössische Dramatik konzentrierte, den er bereits in seinen Tätigkeitsjahren am Wiener Burgtheater erprobt hatte. Beck blieb bis 2017 künstlerischer Leiter, ehe dem Ruf in die Schweiz und zuletzt nach München folgte. Von 2017 bis 2023 war der 1977 in Wien geborene freie Theatermacher Tomas Schweigen künstlerischer Leiter und konnte das Haus weiter als relevante Wiener Bühne für Nachwuchstheatermacher:innen etablieren. Ab der Spielzeit erhält das Theater eine Vier-Personen-Leitung, zu der Marie Bues, Martina Grohmann, Mazlum Nergiz und Tobias Herzberg gehören.
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 15 Einträge von Personen, die im Schauspielhaus Wien engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
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Emmerich Arleth | Schauspieler Sänger | 14 August 1900 | 11 November 1965 | |
Wilfried Baasner | Schauspieler | 28 Mai 1940 | 28 März 2006 | |
Thomas Birkmeir | Regisseur Autor Schauspieler | 1964 | ||
Vera Borek | Schauspielerin | 20 September 1940 | ||
Andrea Eckert | Schauspielerin Dokumentarfilmerin | 17 September 1958 | ||
Rainhard Fendrich | Sänger Moderator Schauspieler Entertainer | 27 Februar 1955 | ||
Beatrice Frey | Schauspielerin Regisseurin | 24 Juli 1951 | ||
Hans Gratzer | Schauspieler Theaterdirektor | 16 Oktober 1941 | 19 Januar 2005 | |
Peter Gruber (Schauspieler) | Schauspieler Sprecher Regisseur | 23 September 1946 | ||
Erni Mangold | Schauspielerin | 26 Januar 1927 | ||
Luise Prasser | Schauspielerin | 17 April 1918 | 2009 | |
Otto Ludwig Preminger | Filmregisseur Theaterregisseur Schauspieler | 5 Dezember 1906 | 23 April 1986 | |
Hanno Pöschl | Schauspieler Gastronom | 2 Juli 1949 | ||
Michael Schottenberg | Schauspieler Regisseur | 10 Juli 1952 | ||
Ellen Umlauf | Schauspielerin Regisseurin Tänzerin | 17 August 1925 | 21 Februar 2000 |
Literatur
- Petra Paterno: Lichterloh. Das Wiener Schauspielhaus unter Hans Gratzer von 1978 bis 2001. Wien: Edition Atelier 2013 (Edition Theater, 3)