Wienerwaldbahn
Als Wienerwaldbahn wurden mehrere projektierte Eisenbahnstrecken von Wien ins westliche Umland bezeichnet. Seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es immer wieder Versuche das Verkehrsnetz im Bereich des Wienerwaldes engmaschiger weiterzuentwickeln. Trotz der großen Anzahl an Projekten, von denen einige in der Planung weit vorangeschritten waren, gelangte letztlich kein einziger Entwurf zur Ausführung.
Erste Konzepte nach der Gründerzeit
Am Ende der Gründerzeit der 1870er Jahre war das Umland der Haupt- und Residenzstadt Wien, besonders das Weinviertel, mit Lokalbahnen erschlossen. Schon 1845 gab es eine 5 Kilometer lange Stichbahn von der Südbahn zum Schloss Laxenburg mit eigenem Bahnhof für den Kaiser.
Da Wien in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts sehr stark wuchs und die Bevölkerung immer mobiler wurde, entwickelte man Pläne, den Wienerwald durch Eisenbahnen besser zu erschließen. Die Bahnen sollten neben der Aufgabe als Personentransportmittel in die Erholungsgebiete auch als Transporteur für Massengüter (Lebensmittel, Baumaterialen, Brennstoffe) herangezogen werden. Anfänglich wurden die Spurweiten nicht genau festgelegt, einige Projekte waren als Normalspur, andere als Schmalspur (Bosnische Spur) geplant. Der Wienerwald wurde direkt von der Westbahn, in den Randbereichen von der Südbahn sowie der Franz-Josefs-Bahn erschlossen. Folgende Projekte standen zur Diskussion:
- Gugging-Kierling-Klosterneuburg
- Hainfeld-Rekawinkel
- Hinterbrühl-Rodaun (Kaltenleutgebner Bahn)
- Baden-Alland-Klausenleopoldsorf
- Liesing-Kaltenleutgeben
- Wien-Exelberg-Sieghartskirchen (Wienerwaldbahn)
Die Wienerwaldbahn wurde im Laufe von ca. 50 Jahren in mehreren Varianten geplant. Die erste Variante, 1874 geplant, sollte bei der Endstation Nußdorfer Straße, Währinger Gürtel halten, dann durch das Tal des Krottenbachs, Neustift am Walde, Hameau, südlich des Hermannskogels vorbei an St. Andrä im Hagenbachtal, Königstetten nach Sieghartskirchen führen. Ein anderes Projekt verlief durch das Mauerbachtal. Die Trasse hätte entweder durch einen Tunnel oder über eine Bergstrecke ins Tullnerfeld geführt werden sollen. Von der Verwirklichung dieser Variante erhoffen die Bewohner des Mauerbachtales eine raschere Anbindung nach Wien, aber auch einen Wochenendtourismus aus Wien. Omnibusunternehmer brachten diese Variante Anfang des 20. Jahrhunderts zu Fall, da sie eine Konkurrenz durch diese Bahn befürchteten.
Federführend bei dem Projekt „Wienerwaldbahn“ war der Eisenbahningenieur Josef Fogowitz (1856-1940), der auch die Mariazeller Bahn geplant hatte, die 1907 eröffnet wurde. 1910 wurde vom Niederösterreichischen Landtag eine andere Trassenvariante der Wienerwaldbahn in Erwägung gezogen. Sie sollte von St. Pölten nach Sieghartskirchen und dann durch den Wienerwald bis zum Endpunkt in Gersthof (Vorortelinie) verlaufen. Diese Planungen wurden aber während des Ersten Weltkrieges nicht fortgesetzt.
Erste Republik
Nach Kriegsende nahm Fogowitz die Planungsarbeiten für die „Wienerwaldbahn“ wieder auf, nachdem Planungsverwirklichungen durch die Weltwirtschaftskrise 1873 und dem Ersten Weltkrieg gescheitert waren. Sein Projekt baute auf den bereits angedachten Varianten auf. Er favorisierte dabei den vom Niederösterreichischen Landtag projektierten Streckenverlauf Königstetten, Kirchbach, Exelberg, Neuwaldegg. Der Wienerwald sollte durch eine „Gebirgsbahn“ (die Tunnellösung wurde nicht in Betracht gezogen) überwunden werden. Es war beabsichtigt, diese Bahn zu elektrifizieren. Der Betrieb war für Güter- und Personenverkehr vorgesehen. Personenzüge sollten auch im Straßenbahnnetz bis ins Zentrum von Wien fahren können. Als Vorbild diente dabei die Lokalbahn Wien-Baden.
1925 wurde das Projekt von Fogowitz einer behördlichen Revision unterzogen. Man kam zum Schluss, dass „das Verkehrsbedürfnis durch Kraftwagenlinien“ abgedeckt werden kann. Fogowitz argumentierte dagegen, dass die Umwelt durch den Omnibusverkehr belastet werden würde und die Straßenerhaltungskosten hoch seien. Außerdem könne der Straßenverkehr nie dieselben Massentransportleistungen erbringen wie die Bahn. Diese Diskussion zog sich bis in die Mitte der 1930er Jahre. Vor dem Hintergrund der Massenarbeitslosigkeit in dieser Zeit versuchte Fogowitz neuerlich sein Bahnprojekt durchzubringen. Es wurden jedoch die großen Straßenbauprojekte, Bau der Großglockner Hochalpenstraße und der Wiener Höhenstraße bevorzugt. Fogowitz erkannte richtigerweise die Gefahr, dass Österreich mit dem forcierten Ausbau der Straßenverbindungen in Nord-Südrichtung zum Transitland werden würde und der Staat dafür die Kosten der Straßenerhaltung tragen müsse. Im Jahr 1938 wurde noch einmal ein Versuch gemacht, die Wienerwaldbahn verwirklichen zu können. Man hob dabei strategische Gesichtspunkte hervor, die für den Bau dieser Bahn sprachen. Der Plan wurde ein weiteres Mal abgelehnt, da man meinte, dass der „bescheidene Verkehr besser auf der Straße zu bewältigen sei.“ Somit wurde keine der angedachten Varianten der Wienerwaldbahn jemals verwirklicht.
Zweite Republik
Im Rahmen der Schnellfahrstrecke Wien - St. Pölten und im Zusammenhang mit der ÖBB-Schnellfahrstrecke durch das Tullnerfeld wurde 2012 der Wienerwaldtunnel fertiggestellt.
Realisierte Bahnen im Wienerwald
Im Gegensatz zur Wienerwaldbahn wurden andere Bahnen im Wienerwald in die Realität umgesetzt:
- Kahlenbergbahn (Zahnradbahn)
- Standseilbahn auf die Sophienalpe Knöpferlbahn
- Lokalbahn Mödling-Hinterbrühl (erste elektrische Bahn Österreichs) 1881-1932
- Kaltenleutgebner Bahn Liesing-Kaltenleutgeben
- Straßenbahnnetz Baden, Bad Vöslau
- Bahnstrecke Leobersdorf-St. Pölten, 1877 eröffnet, ab 2011 nicht mehr durchgehend befahrbar
Literatur
- Georg Rigele, Die Wienerwaldbahn. Das Projekt Fogowitz 1919-1938 und Vorläuferprojekte in: Wiener Geschichtsblätter Jg. 49 (1994), Wien, 1994, S. 15ff
- J.C.Fischer, Prospectus der Wiener-Wald-Bahn mit vier Tabellen und einer Übersichtskarte. Wien, 1874