Kasernentransaktion
Kasernentransaktion.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entsprach ein Großteil der innerhalb des Linienwalls gelegenen Kasernen nicht mehr den militärischen Erfordernissen, außerdem bot sich ihr Areal in den bereits dicht verbauten Stadtteilen für die Errichtung von Wohnbauten an. Die Eingemeindung der Vororte (Gesetz vom 19. Dezember 1890), durch die die Stadt um ein ausgedehntes, nur locker verbautes Gebiet vergrößert wurde, bildete die Voraussetzung für die Auflassung von Kasernen im alten Stadtgebiet und deren Verlegung an die Peripherie der äußeren Bezirke. Die Kosten sollten aus dem Verkauf der alten Gebäude bzw. Grundstücke gedeckt, die gewonnenen Grundflächen ziviler Verwendung zugeführt werden; der Gemeinde Wien fielen als Baubehörde die Parzellierung des Areals und die Beschaffung von Ersatzgründen zu.
Mit Gesetz vom 10. Juni 1891 wurde der Finanzminister ermächtigt, die Franz-Joseph-Kaserne (Infanteriekaserne; Abbruch 1900/1901), die Josefstädter Kaserne (Kavalleriekaserne; Abbruch 1903-1910), die Gumpendorfer Kaserne (Infanterie-[Grenadier-]kaserne; Abbruch 1902/1903), die Fuhrwesenkaserne und die Holzhofkaserne (Abbruch um 1900), das Militärverpflegungsdepot in der Florianigasse sowie weitere ärarische Realitäten (darum fielen dann auch die Getreidemarktkaserne [Abbruch 1903], die Alser Kaserne [Abbruch 1911/1912], die Heumarktkaserne [Abbruch 1909] und das Invalidenhaus [Abbruch 1909]) zu verkaufen; 1910 begann auch teilweise die Parzellierung des Exerzierplatzes auf der Schmelz.
Da sich die Vorfinanzierung durch den Stadterweiterungsfonds als nicht zweckmäßig erwies, wurde mit Vertrag vom 1. Juli 1901 ein von der Gemeinde Wien, der Unionbank und der Allgemeinen Depositenbank bestehendes Konsortium gebildet, das die Transaktionen mit dem Militärärar besorgte, bis 1907 bestand, mit Vertrag vom 18. Februar 1908 erneuert wurde und bis längstens 1920 tätig sein sollte; den Vertrag über den Ankauf des Neugebäudes, das erhalten blieb, schloß die Gemeinde 1902 ohne Zwischenschaltung des Konsortiums ab. Als Ersatz für die (wegen ihrer Lage in einem vordringlich benötigten Gebiet) als erste demolierte Franz-Joseph-Kaserne wurden die Graf-Radetzky-Kaserne (Infanteriekaserne) auf der Schmelz sowie die Erzherzog-Albrecht-Kaserne (Infanteriekaserne) und die Erzherzog-Wilhelm-Kaserne (Artilleriekaserne) im Prater errichtet.
Die Truppen aus der Gumpendorfer und der Josefstädter Kaserne kamen überwiegend in die Kavalleriekaserne in Breitensee, zu einem kleineren Teil in Räumlichkeiten der Technischen Militärakademie in der Stiftkaserne (die ihrerseits nach Mödling verlegt wurde), jene der Getreidemarktkaserne in die Stiftkaserne, jene aus der Heumarktkaserne in die Franz-Ferdinand-Kaserne (Trostkaserne), jene aus der Alser Kaserne in die Erzherzog-Carl-Kaserne jenseits der Donau sowie jene aus der Trainkaserne in der Ungargasse und aus der Holzhofkaserne in die Meidlinger Trainkaserne. An die Stelle der Heumarktkaserne traten Miethäuser sowie die neue Marokkanerkaserne, der Getreidemarktkaserne Miethäuser, der Gumpendorfer Kaserne Miethäuser und der Loquaiplatz (mit Parkanlage), der Josefstädter Kaserne Miethäuser sowie das Militärgeographische Institutsgebäude B, die Handelsakademie II und ein Teil des Hamerlingplatzes, der Alser Kaserne der Otto-Wagner-Platzes samt dem (später errichteten) Gebäude der Oestereichischen Nationalbank.
Erhalten blieben (abgesehen von dem außerhalb des Linienwalls gelegenen, heute jedoch zum 3. Bezirk gehörigen Arsenal) die Rennweger Kaserne (3; teilweiser Abbruch erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts), die (teilweise auf dem Areal der Heumarktkaserne errichtete) Marokkanerkaserne (Polizeikaserne), die Stiftkaserne (in der bis 1991 auch das Kriegsarchiv untergebracht war) und die Kronprinz-Rudolf-Kaserne (Roßauer Kaserne; Polizeikaserne). Die „Transaktionsbauten" entsprachen den an sie gestellten Anforderungen und modernen Bauvorschriften, wobei insbesondere darauf Bedacht genommen wurde, die bei Massenquartieren zu stellenden hygienischen Anforderungen zu erfüllen und von vorteilhaften bautechnischen Errungenschaften Gebrauch zu machen. Im Rahmen der Kasernentransaktion wurden auch Mittel zur Erbauung des neuen Kriegsministeriums am Stubenring (heute Regierungsgebäude) bereitgestellt.
Literatur
- Czeike, Die Wiener Kasernen seit dem 18. Jahrhundert. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 35 (1980), S. l6l ff. (Nachdruck aus: Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Forschungs- und Sitzungsberichte 114 [Hannover 1977], S. 269 ff.)
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv: Kleine Bestände (Sch. 52/5, Mappe 9)
- Ebda: HA-Akt 583/1 (1908)
- Österrisches Staatsarchiv (Kriegsarchiv), Bestand Reichskriegsministerium (Bauabteilung, 1897, Sch. II W 36/1-2)