Städtische Nutzwasserleitungen
Weder im Zuge der Errichtung der Ersten noch der Zweiten Hochquellenleitung wurde ein flächendeckendes Nutzwasserleitungsnetz eingeplant. Lediglich punktuell wurden städtische Nutzwasserleitungen geschaffen: die Wasserleitung für den Schlachthof St. Marx (aus einem 20 Meter tiefen Brunnen), die Stadtpark- und die Ringstraßen-Wasserleitung (beide zur Bewässerung der Bäume und Pflanzen) sowie das Lagerhausschöpfwerk im Prater (1873; für Lagerhaus und Rotunde, unmittelbar veranlasst durch die Weltausstellung). Dazu kamen Schöpfbrunnen (zum ausschließlichen Zweck der Straßenbesprengung, insgesamt 66 Brunnen). Private Industriebetriebe schufen sich in verschiedenen Fällen eine eigene Wasserversorgung, z.B. das Brauhaus St. Marx.
Ringstraßen-Wasserleitung
Die Bewässerung der Bäume entlang der Ringstraße erfolgte durch Spritzenwagen, die das Wasser aus der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung bezogen. Der Gemeinderatsabgeordnete Josef Nikola entschloss sich zur Entlastung dieser Wasserleitung, den bereits verlegten aber noch ungenutzten Rohrstrang der Ersten Hochquellenleitung bis zu dessen Inbetriebnahme für die Bespritzung der Ringstraße zu benutzen und eine provisorische Leitungsanlage zu errichten. Diese bestand aus einem Wasserhebewerk am Schanzel in der Roßau, hier wurde das ungefilterte Wasser des Donaukanals in einen rund sechs Kilometer langen Rohrstrang befördert. 12 Jahre lang wurden die Bäume drei mal täglich bewässert.
Vom Februar 1866 bis Ende Juni 1866 wurde an der Ringstraßen-Wasserleitung gebaut. Die Leistungsfähigkeit betrug rund 42 m³ in zwölf Stunden, die Gesamtkosten betrugen ca. 154.000 Gulden. Die Bewässerung erfolgte durch 69 an diese Wasserleitung angeschlossene Hydranten. Für die restliche Bespritzung der Straßen wurden Aufspritzwägen mit einem Wasserfass von 40 Eimern Inhalt herangezogen, die Auffüllung geschah durch eigene Hydranten.
An Parkanlagen wurden der Stadtpark, der Resselpark vor dem Polytechnikum, der Grünbereich des Maria-Theresien-Platzesvor dem Naturhistorisches Museum und dem Kunsthistorisches Museum, der Burggarten und der Volksgarten sowie der Rathauspark und der Park entlang des Franz-Josefs-Kais (heute: Beserlpark) bewässert.
Stadtpark-Wasserleitung
Zur Bewässerung des auf den Grundstücken des ehemaligen Wasserglacis errichteten Stadtparks wurde 1862 bei der Stubenbrücke über den Wienfluss ein Maschinenhaus erbaut. In diesem befindet sich eine kleine Dampfmaschine, welche das Wasser mit einem entsprechenden Pumpwerk aus einem Brunnen nahe der Ausmündung des Wiener Neustädter Kanals in den Wienfluss in einen Wasserbehälter befördert, von wo aus das Wasser an die Versorgungsstellen und Brunnen im Stadtpark, Kinderpark und Markthallen zugeführt wurde. Die tägliche Lieferung betrug in den Sommermonaten ca. 12.000 Eimer.
Lagerhausschöpfwerk im Prater
Das Schöpfwerk im Prater diente der Beschaffung von Nutzwasser für den Zentralviehmarkt sowie für den Schlachthof St. Marx, ferner für das Lagerhaus und die Rotunde. Letzere wurde auch im Rahmen der Weltausstellung 1873 errichtet. Ein 6 Meter breiter und 9 Meter tiefer Brunnen schöpfte ca. 7000 m³ täglich, die Pumpenanlage förderte das Wasser in ein Reservoir mit 260 m³ auf einen 42 Meter hohen Turm.
Wasserleitung Schlachthof St. Marx
Die Versorgung des bedeutendsten der sechs Wiener Schlachthöfe erfolgte durch die Beförderung des Wassers aus einem ca. 20 Meter tiefen Brunnen mithilfe einer kleiner Dampfmaschine von acht Pferdekraft in ein Reservoir. Die tägliche Lieferung betrug durchschnittlich 170 Liter.
Schöpfbrunnen
Zum ausschließlichen Zweck der Straßenbesprengung bestanden an verschiedenen Punkten 66 gegrabene und mit Schöpfwerken versehene Brunnen, aus welchen händisch das Wasser in die Fässer der Aufspritzwägen gefördert wurde. Unter Annahme einer 10 Stunden währenden Verwendung betrug das Quantum der Wasserlieferung rund 210 Kubikmeter täglich. Stellvertretend für die teilweise mit Gasmotoren ausgestatteten Schöpfwerke soll jenes im Koflerpark am Ludo-Hartmann-Platz und jenes auf dem Stillfriedplatz (beide Ottakring) genannt werden.
Siehe auch:
Situation der Josefstädter Straße bei Lenaugasse
Literatur
- Josef Donner: Dich zu erquicken, mein geliebtes Wien ... Geschichte der Wiener Wasserversorgung von den Anfängen bis 1910. Wien: Norka-Verlag 1990, S. 37f.
- Ruth Koblizek, Nicole Süssenbek, Die Trinkwasserversorgung der Stadt Wien von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Teil 2B (ungedruckte Dissertation Wien). Wien. 1999/2000, S. 301f
- Rudolf Stadler: Die Wasserversorgung der Stadt Wien in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Denkschrift zur Eröffnung der Hochquellen-Wasserleitung im Jahre 1873. Wien: Gemeinderat 1873, S. 55f