48° 9' 57.15" N, 16° 18' 29.37" E zur Karte im Wien Kulturgut
Hetzendorfer Schloss (12., Hetzendorfer Straße 79; Modeschule Hetzendorf).
Geschichte
1675 kaufte Maria Fürstin Piccolomini von den Augustinern auf der Landstraße einen Hof in Hetzendorf. 1690 erwarb Franz Sigismund Graf Thun den Hof von der Fürstin, erweiterte 1694 das Areal durch den Ankauf von drei angrenzenden Höfen und ließ sich (möglicherweise von Johann Bernhard Fischer von Erlach, doch lässt sich dies nicht mit Sicherheit behaupten) ein Jagdschlösschen, den Thunhof, erbauen (Baubeginn noch 1694). 1709 kam die Nichte des kinderlos verstorbenen Grafen, Eleonora Barbara Fürstin Liechtenstein, in den Alleinbesitz des Schlösschens und wollte dieses 1712 durch Johann Lukas Hildebrandt umbauen lassen. Es kam jedoch lediglich zu einer Veränderung der Innenausstattung, die Hildebrandt übertragen wurde. Aus dieser Zeit um 1715 stammen die Fresken des großen Empfangssaales von Carlo Innocenzo Carlone und die Plastiken im Stiegenhaus von Lorenzo Mattielli. 1715 wurde auch eine Kapelle eingerichtet (Hetzendorfer Schlosskapelle).
Das Gebäude wurde schließlich nach den Plänen von Anton Johann Ospel und Antonio Beduzzi zu einem barocken Gartenschloss mit Ehrenhofanlage ausgebaut (Fassadenentwurf und Detailpläne; Innenausstattung des Hauptgebäudes). Die Arbeiten waren 1719 weitgehend abgeschlossen. 1723 kam die Realität auf dem Erbweg an Adam Fürst Liechtenstein, der das Objekt jedoch seiner Schwester Karoline Gräfin Salm abtrat. Das Hetzendorfer Schloss kam später an den minderjährigen Sohn der Gräfin, Anton Graf Salm-Reifferscheidt, dessen Vormund Johann Wenzel Fürst Liechtenstein es mit allen zugehörigen Gebäuden und Gärten 1742 um 22.000 Gulden an die Hofkammer verkaufte.
Maria Theresia ließ das Schlösschen ab 1743 durch ihren Hofarchitekten Nikolaus Pacassi erweitern und bestimmte es zum Witwen- und Alterssitz für ihre Mutter, die Kaiserin-Witwe Elisabeth Christine, der die Ärzte wegen ihrer Wassersucht den Aufenthalt empfohlen hatten, weil im Schlosspark damals noch eine schwefel- und eisenhältige Quelle entsprang. 1746/1747 malte Daniel Gran allegorische Wand- und Deckengemälde (darunter "Aurora" in der Sala terrena) sowie 1747/1748 Deckenfresken ("Unbefleckte Empfängnis und daraus erwachsende Erlösung"). Auch die heutige Schlosskapelle und große Teile der Innenausstattung stammen aus dieser Bauphase. Nach Elisabeth Christines Tod (1750) wurde das Schloss von anderen Mitgliedern des Kaiserhauses benützt: Unter anderem von Erzherzogin Marie Christine, einer Tochter Maria Theresias, und deren Gemahl Herzog Albert Kasimir von Sachsen-Teschen, Begründer der nach ihm benannten "Albertina" in Wien. Joseph II., der das Schloss durch Anbau von Nebengebäuden vergrößerte, diente es in seinen letzten Jahren zeitweilig als Residenz. 1800/1801 lebte hier im Schlösschen von Christian August Graf Sailern (später "Marien-Villa", dann Café Silier, heute Firma Aspro; 12, Schönbrunner Allee 60) sein Bruder Erzherzog Maximilian Franz, Hochmeister des Deutschen Ordens und letzter Kurfürst von Köln († 27. Juni 1801). Er hatte unter anderem Ludwig van Beethoven nach Wien gebracht.
1848 hatte Alfred Fürst Windisch-Graetz im Schloss sein Hauptquartier. 1873, im Jahr der Wiener Weltausstellung, waren Kaiser Franz Joseph I. sowie die Kronprinzen von Preußen und Sachsen mit ihren Familien zu Gast. 1912-1914 wohnte hier Erzherzog Karl Franz Josef (der spätere Kaiser Karl I.) mit seiner Gattin Zita von Bourbon-Parma. 1918 ging das Schloss in den Staatsbesitz der Republik über. 1923-1934 war es die Heimstätte von Anton Hanak. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss teilweise zerstört. 1946 wurde es Sitz der damaligen Kunst- und Modeschule der Stadt Wien (Modeschule Hetzendorf). Durch die allmähliche Restaurierung der historischen Räume und den Wiederaufbau des Osttraktes konnte nach und nach ein regulärer Schulbetrieb aufgebaut werden.
Ab 1991 kam es zu Restaurierungsarbeiten, die bis 2011 andauerten. Der Fokus lag zunächst auf der Außeninstandsetzung: Von den historischen Putzen waren nur noch geringe Reste vorhanden. Der schadhafte Putz aus jüngerer Zeit musste nahezu vollständig erneuert werden. Die Farbgebung folgte dem historischen Befund. Die Dachdeckung wurde ebenso erneuert wie die unzureichende Verblechung und Entwässerung. Danach folgte die Restaurierung der vier steinernen Sphingen im Ehrenhof wie auch des Figurenschmucks auf der Attika und an den Fassaden. Restauriert wurden auch das Vestibül/Aula und die Marmorgalerie. Die Restaurierungsarbeiten in der Schlosskirche konnten nach jahrelangen Vorbereitungsarbeiten schließlich im 1997 in Angriff genommen werden. Diese beinhalteten das Gewölbefresko, die Architekturmalerei an den Wänden, den Stuckmarmor, die Stuckputten, Marmorsockel, Mensa und Tabernakel sowie das Hochaltarbild und die beiden Seitengemälde. Die letzte 2011 beendete Restaurierungsphase betraf vor allem die gartenseitigen Prunkräume im ersten Obergeschoß: So wurden die Spiegelgalerie und die Fresken im Prunksaal restauriert.
Beschreibung
Zweigeschossiger Haupttrakt mit zurückspringendem Mitteltrakt. Die Attikaplastik (um 1716) schuf wahrscheinlich Lorenzo Mattielli, die Steinsphingen an den seitlichen Eingängen gestaltete er nach Zeichnungen von Antonio Beduzzi. Die niedrigen Nebengebäude bilden einen Ehrenhof, weitere Höfe und Wirtschaftsgebäude schließen an. Hinter dem Schloss liegt ein über 3 Hektar großer englischer Park (in dem die Modeschauen präsentiert werden). Im Inneren enthält das Schloss reichen Bilderschmuck. Die Gemälde stammen größtenteils aus Schloss Schönbrunn und dem Belvedere. Das Deckenfresko "Aurora" im Vestibül schuf Daniel Gran, die Stuckreliefs stellen Taten des Mucius Scaevola und des Marcus Curtius dar. Das Deckenbild "Putten und Genien" in der Marmorgalerie stammt möglicherweise von Balthasar Hagenmüller (Entwurf von Beduzzi). Die Fresken im Festsaal (erster Stock) wurden von Beduzzi entworfen und ab 1716 von Carlo Carlone und F. Messenta ausgeführt (Deckenbild "Apollo und die vier Jahreszeiten"). Das Chinesische Zimmer besitzt eine kostbare dunkle Holzvertäfelung, Specksteinreliefs und vergoldete Ornamente.
Literatur
- Hans W. Bousska: Geschichte Hetzendorfs - Zeittafel. In: Meidling. Blätter des Bezirksmuseums. Wien: Verein zur Erhaltung und Förderung des Meidlinger Heimatmuseums 1948 - lfd. Band 33,1993, S. 3 ff.
- Wolfgang Mayer: XII. Meidling. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1984 (Wiener Bezirkskulturführer, 12), S. 22 ff.
- Hans Tietze: Die Denkmale der Stadt Wien (XI. - XXI. Bezirk). Wien: Schroll 1908 (Österreichische Kunsttopographie, 2), S. 30 ff.
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 157 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2. - 21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 330
- Albert Ilg: Das Lustschloß Hetzendorf. In: Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener-Zeitung, 20.05.1880, Nr. 114, S. 453 f.
- Karl Hilscher: Hetzendorf. Eine kurze Geschichte des ehemaligen Vorortes und jetzigen Teiles des 12. Wiener Gemeindebezirks und seines kaiserlichen Lustschlosses. In: Meidlinger Bezirksbote 5 (1918), S. 1-4
- Karl Hilscher: Hetzendorf. Eine kurze Geschichte des ehemaligen Vorortes und jetzigen Teiles des 12. Wiener Gemeindebezirks und seines kaiserlichen Lustschlosses. In: Meidlinger Bezirksbote 11/12 (1918), S. 1-4
- Das Schloß Hetzendorf in Wien. In: Bruno Grimschitz: Johann Lucas von Hildebrandt. Wien [u.a.]: Herold 1959, S. 74
- Julius Brunner: Hetzendorf und sein Schloß. Wien [u. a.]: Jugen & Volk 1972, S. 165 ff.