48° 12' 48.99" N, 16° 21' 20.58" E zur Karte im Wien Kulturgut
Geschichte
In der Regel wurde die Zivilgerichtsbarkeit in zweiter Instanz von den Landesgerichten übernommen.
Am 1. Juli 1850 nahm das Gericht seine Tätigkeiten auf für das Gebiet Niederösterreich und Wien. Als Bezirkskollegialgericht war es jedoch nicht für das gesamte Stadtgebiet zuständig. In seiner Eigenschaft als Appell- und Schwurgericht und als Zivilgericht erster Instanz war die Zuständigkeit für die Sprengel der acht Wiener Bezirksgerichte und der Bezirksgerichte Tulln, Klosterneuburg, Hernals, Sechshaus, Hietzing, Purkersdorf, Mödling, Bruck/Leitha, Hainburg, Schwechat, Korneuburg, Stockerau, Groß-Enzersdorf, Marchegg, Matzen, Wolkersdorf, Mistelbach, Zistersdorf, Feldsberg, Laa (an der Thaya), Ober-Hollabrunn (heute: Hollabrunn), und Haugsdorf zuständig.
In seiner Eigenschaft als Bezirkskollegialgericht (BKG) war das Landesgericht für die Sprengel der acht Wiener Bezirksgerichte und der Bezirksgerichte Tulln, Klosterneuburg, Hernals, Sechshaus, Hietzing, Purkersdorf sowie Mödling. Das bedeutet, dass sich die Zuständigkeit als BKG nicht auf das gesamte Stadtgebiet ausweitete.
Bereits im Jahr 1854 kam es zu Sprengeländerungen. Damit umfasste der Sprengel nur mehr das damalige Wiener Stadtgebiet und die Bezirke Bruck an der Leitha, Hernals, Hietzing, Hainburg, Klosterneuburg, Mödling, Purkersdorf, Schwechat und Sechshaus.
Aus dem Jahr 1853 liegen Edikte vor, welche die Besoldung des Personals aufzeigen. Der Präsident des Landesgerichts Wien erhielt eine Besoldung von 4000 fl. und eine Funktionszulage von 1000 fl. Die drei Vizepräsidenten erhielten jeweils 3000 fl, 3000 fl und 2500 fl. Des weiteren waren 56 Räte vorgesehen (18 zu je 1800 fl, 19 zu je 1600 fl und 1400 fl). Daneben gab es acht Ratssekretäre und 56 Gerichtsadjunkte.
Bis 1897 war es in eine zivilrechtliche (Grundbuchsangelegenheiten und zivilrechtliche Personenangelegenheiten, die gemäß der Gerichtsorganisation dem Landesgericht und nicht den Bezirksgerichten zugewiesen waren) und eine strafrechtliche Abteilung geteilt (erst der § 9 der Strafprozeßordnung 1873 regelte längerfristig die Kompetenz für jene Strafsachen, die bei Bezirksgerichten abgehandelt wurden). 1898 erfolgte die Trennung in zwei selbstständige Gerichtshöfe I. Instanz.
Mit dem neuen 21. Bezirk wurde das Bezirksgericht Floridsdorf im Jahre 1906 an die Zuständigkeit des Landesgericht Wien vom Kreisgericht Korneuburg übergeben, da der Teil des Sprengels an Wien überging. Dabei kam es auch zu Änderungen der Bezirksgrenzen, welche an die Stadtgrenzen angepasst wurden. Am 15. Februar 1911 wurden die Stadtgrenzen erneut erweitert. Es kam zur Eingemeindung von Strebersdorf (21. Bezirk) und ein Grundstücksteil im Auhof und ein Teil des KG Mauer kamen ebenfalls hinzu (13. Bezirk).
Das Gericht war von Anfang an disloziert. Es gab das Präsidium und die Zivilabteilung, sowie die Strafabteilung. Die Zivilabteilung inklusive dem Präsidium war am Minoriten- beziehungsweise am Ballhausplatz (Ballplatz) 3 (ehemals 40) einquartiert worden. Hier fanden bis zur Eröffnung des neuen Gemeinderatssitzungssaals im (alten) Rathaus 1853 auch Sitzungen des Wiener Gemeinderates statt. Am 30. September 1854 erfolgte die Übernahme des Grundbuchs- und Landtafelamtes vom Bezirksgericht Innere Stadt. Am 21. Juni 1881 zog das Gericht in den Justizpalast um. Der Umzug gestaltete sich laut Berichten als schwierig und dürfte 17 Tage gedauert haben. Am 1. Jänner 1898 erfolgte eine Namensänderung und das Gericht wurde zweigeteilt. Das Gericht hieß nun „Landesgericht in Zivilrechtssachen“. Jedoch wurde es weiterhin als ein einheitliches Gericht geführt.
Die Strafabteilung des Landesgerichts Wien war im sogenannten „Grauen Haus“ untergebracht (heute Landesgerichtsstraße 11). Die Abteilung wurde bald faktisch wie offiziös Landesgericht in Strafsachen genannt. Am 31. Mai 1859 wurde dem jeweiligen Leiter der Abteilung ein gewisses Maß an Selbstständigkeit eingeräumt. Am 29. März 1873 wurde dem Leiter der Titel „Zweiter Präsident“ des Landesgerichts verliehen, anstelle des Vizepräsidenten. Zwischen 1870 und 1878 wurden beim „Grauen Haus“ Umbauarbeiten in drei Phasen vorgenommen. Das Gefangenenhaus wurde dabei erweitert der Schwurgerichtstrakt wurde ebenfalls neu errichtet. Ab 1. Jänner 1898 trug der Leiter den Titel „Präsident des Landesgerichts in Strafsachen“, jedoch war es weiterhin ein einheitliches Gericht. Zwischen 1905 und 1907 wurde der sogenannte „Amtstrakt“ im Grauen Haus aufgestockt. Dabei wurde der zweistöckige Flügeltrakt um einen dritten und der dreistöckige Flügeltrakt um einen vierten Stock erhöht. Auch die Risalitentürme wurden dementsprechend erweitert.
Nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie kam es am 23. September 1920 zu einer Neuordnung der Gerichtsverfassung, bei der das Landesgericht in drei selbstständige Gerichtshöfe geteilt wurde: das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, das Landesgericht in Strafsachen Wien I (Bezirke 1-12, 16, 17 und 20; 1921 wechselten der 16. und 17. Bezirk zum Landesgericht II) und das Landesgericht in Strafsachen Wien II (1924 änderte sich die Bezeichnung in "Landesgericht für Strafsachen"). Weitgehende Änderungen brachte die nationalsozialistische Machtübernahme 1938. Am 22. März 1938 (GBl. für das Land Österreich 20/1938) wurde die Verordnung über die Rechtspflege in Österreich, am 23. April 1938 (ebda. 250/1938) jene zur Überleitung der Rechtspflege im Land Österreich auf das Deutsche Reich erlassen. Das Handelsgericht, die Landesgerichte und der Jugendgerichtshof wurden unter der Bezeichnung "Landgericht Wien" mit Wirksamkeit vom 1. Mai 1939 zusammengefasst (ebda. 522/1939). Die endgültige Aufhebung der Selbstständigkeit der beiden Landesgerichte für Strafsachen wurde erst mit 1. Juni 1944 erreicht. Das GO-Gesetz 1945 (StGBl. 47/1945 vom 3. Juli 1945) stellte die am 13. März 1938 bestandene Gerichtsorganisation unter Beibehaltung einiger Änderungen wieder her. Eine neuerliche Teilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien unterblieb.
Zuständigkeiten
- 1. Juli 1850: Aktivierung, Sprengel Niederösterreich und Wien, Bezirkskollegialgericht, Appell- und Schwurgericht
- 1854: Sprengeländerungen
- 30. September 1854: Übernahme des Grundbuchs- und Landtafelamtes vom Bezirksgericht Innere Stadt
- 31. Mai 1859: Mehr Selbstständigkeit für Leiter der Abteilungen
- 29. März 1873: Leiter der Strafabteilung Titeländerung in Zweiter Präsident
- bis 1897: Teilung in zivilrechtliche (Grundbuchsangelegenheiten und zivilrechtliche Personenangelegenheiten, strafrechtliche Abteilung
- 1898: Trennung in zwei selbstständige Gerichtshöfe I. Instanz, Namensänderung: Landesgericht in Zivilrechtssachen
- 1906: Übernahme der Zuständigkeit für das Bezirksgericht Floridsdorf (21. Bezirk)
- 15. Februar 1911: Erweiterung der Stadtgrenzen
- 23. September 1920: Teilung des Gerichts in drei selbstständige Teile mit den Namen Landesgericht in Zivilrechtssachen Wien, Landesgericht in Strafsachen I und Landesgericht in Strafsachen II
- 1. Mai 1939: Zusammenfassung der Landesgerichte, Handelsgericht und Jugendgerichtshof unter dem Namen Landgericht Wien
- 1. Juni 1944: Endgültige Aufhebung der Selbstständigkeit der Landesgerichte für Strafsachen
- 1945: Wiedererrichtung ohne Teilung
Gebäude
Das Gebäude am Ballplatz 40 besteht heute nicht mehr. Es war das Gebäude des ehemaligen Minoritenklosters am Minoritenplatz und zuvor war die Niederösterreichische Landesregierung untergebracht gewesen. Des Weiteren war auch die III. Sektion des Bezirksgericht Innere Stadt Wien (Grundbuchs- und Landtafelamt) im Gebäude untergebracht gewesen.
Im sogenannten „Grauen Haus“ war neben der Strafabteilung des Landesgerichts Wien auch die Bezirksgerichte Josefstadt und Alsergrund einquartiert gewesen. Davor war es das Kriminalgerichtsgebäude. Zwischen 1870 und 1878 wurden beim „Grauen Haus“ Umbauarbeiten in drei Phasen vorgenommen. Das Gefangenenhaus wurde dabei erweitert der Schwurgerichtstrakt wurde ebenfalls neu errichtet. Zwischen 1905 und 1907 wurde der sogenannte „Amtstrakt“ im Grauen Haus aufgestockt. Dabei wurde der zweistöckige Flügeltrakt um einen dritten und der dreistöckige Flügeltrakt um einen vierten Stock erhöht. Auch die Risalitentürme wurden dementsprechend erweitert.
Literatur
- Brigitte Rigele: Staatliche Gerichte: In: Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe A, Serie 2, Heft 3
- Alfred Waldstätten, Staatliche Gerichte in Wien seit Maria Theresia. Beiträge zu ihrer Geschichte. Ein Handbuch. Innsbruck / Wien: Studienverlag 2011 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 54)
- Berndt Anwander: Unterirdisches Wien. Ein Führer in den Untergrund Wiens. Die Katakomben, der Dritte Mann und vieles mehr. Wien: Falter Verlag 1993, S. 208-212