Wohnhausanlage Sandleiten

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Fassade Sandleitengasse 43-47, 1926
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude / Gemeindebau
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1924
Datum bisDatum (oder Jahr) bis
Andere BezeichnungAndere Bezeichnung für diesen Eintrag
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Sandleiten
Einlagezahl
Architekt Otto Schönthal, Emil Hoppe, Franz Matouschek (Architekt), Siegfried Theiß, Hans Jaksch, Josef Tölk, Franz Krauß
Prominente Bewohner
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  2138
GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Zwischenkriegszeit
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Wolfgang Wirsig: Wiener Hofnamen, Rotes Wien
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Letzte Änderung am 9.08.2024 durch WIEN1.lanm09kka
BildnameName des Bildes Sandleitenhof1.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Fassade Sandleitengasse 43-47, 1926
  • 16., Nietzscheplatz 1-2
  • 16., Sandleitengasse 43-51
  • 16., Rosenackerstraße 2-24
  • 16., Rosa-Luxemburg-Gasse 1-9
  • 16., Rosa-Luxemburg-Gasse 2-8
  • 16., Liebknechtgasse 1-3
  • 16., Gomperzgasse 1-7; 4-8
  • 16., Steinmüllergasse 1-21
  • 16., Liebknechtgasse 30-36

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48° 13' 17.69" N, 16° 18' 20.64" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Sandleiten (16., Ottakring), im Rahmen der Wohnbaupolitik des "Roten Wien" errichtete städtische Wohnhausanlage mit ursprünglich 1.587 Wohnungen, erbaut in fünf Baustufen 1924 bis 1928. Der Komplex, dessen Baublocks vorwiegend nach dem Gesichtspunkt des Sonneneinfallswinkels aufgeteilt sind, steht inmitten einer parkähnlichen, nur von wenigen Straßen durchzogenen Anlage; sein Grundkonzept ging aus einem Architektenwettbewerb hervor und wurde als städtebaulicher Versuch angesehen. Die Großwohnanlage wurde dann nach Entwürfen von Otto Schönthal, Emil Hoppe, Franz Matuschek, Siegfried Theiß, Hans Jaksch, Josef Tölk und Franz Krauß ausgeführt. Aufgrund eines Wettbewerbs vergab die Jury den Auftrag an Hoppe, Schönthal und Matuschek, jenen für die offene Verbauung nördlich der Rosenackerstraße an Theiß, Jaksch und Krauß. Die Projektleitung seitens der Stadt Wien übernahm der Vorstand der damaligen Magistratsabteilung 22, Josef Bittner. Der Entwurf des Kindergartens und des Interieurs der Bücherei stammt direkt von der Magistratsabteilung 22. Mit den Bauarbeiten wurde 1924 begonnen; 1928 war die Anlage fertiggestellt.

Schrägluftaufnahme des Sandleitenhofareals 1957
Zentralwäscherei / Waschraum der Wohnungsanlage Sandleiten (1928).
Blick über den Nietzscheplatz Richtung Wohnhausanlage, 1928
Blick vom Matteottiplatz in die Liebknechtgasse, wo sich das Café Sandleiten und das Theater bzw. Kino sandleiten befand, 1928
Blick vom Matteottiplatz auf die Fassade Rosenackerstraße 12-14, 1927Blick vom Matteottiplatz auf die Fassade Rosenackerstraße 12-14, 1927
Innenansicht der Bücherei, 1928
Wohnhausanlage Sandleiten: Städtische Bücherei: Lesezimmerei in der Bücherei
Brunnen vor der Städtischen Bücherei von Florian Josephu-Drouot
Fassaden Sandleitengasse 45-47
Wohnhausanlage Sandleiten: Fassaden Steinmüllergasse 1-3/Rosenackkerstraße 2-4
diverse Grünanlagen
Fassade Rosenackerstraße 14-20
Fassade Rosenackerstraße 14

Vorgaben und Architektur

Mit 1.587 Wohnungen stellt der Sandleitenhof die größte Wohnanlage des kommunalen Wohnbaues in Wien dar. Bei der Planung ging man von 5000 bis 6000 Bewohnerinnen und Bewohnern aus. Die Richtlinien für den Wettbewerb gaben vor, dass besonders auf große Binnenhöfe für Spielplätze und größerer Grünflächen Bedacht genommenwerden müsse. Es sollten in erster Linie Kleinwohnungen mit Wohnküche und Zimmer mit 35 Quadratmetern Wohnfläche und Wohnungen mit Küche, Zimmer und Kammer mit 45 Quadratmetern projektiert werden. Dazu war von Anfang an die Infrastruktur einer Stadt in der Stadt geplant; von Arzwohnungen über Apotheken, Geschäfte, Werkstätten, ein Gasthaus, Räume für Polizei und Feuerwehr, Wäschereien, Badeanlagen sowie zu Wohlfahrtszwecken ein Saalbau, ein Kindergarten und eine Bücherei.

Auf einer Gesamtfläche von 68.581 Quadratmetern erstreckt sich die Anlage über mehrere Straßenzüge. Im Vergleich zu anderen Bauten handelt es sich beim Sandleitenhof aber um keine geschlossene, sondern um eine nach allen Seiten offene Wohnanlage. Es findet sich keine strenge Trennung zwischen den Innenhöfen und der Straße. Die Architektur ist nicht nur von Otto Wagner beeinflusst, sondern berücksichtigt auch städtebauliche Überlegungen von Camillo Sitte.

Im nördlichen Teil der Wohnanlage findet man eine landhausartige Verbauung. Die Fassaden zeigen zahlreiche Ornamente, Vorsprünge und eine gegliederte Dachlandschaft. Im südlichen Teil, der auch ein siebengeschoßiges "Hochhaus" beherbergt, dominiert eine Blockverbauung mit ruhigen, schmucklosen Fassaden und großzügig geschwungenen Baukörpern. Das Zentrum des Sandleitenhofes ist der Matteottiplatz, der baulich an einen Renaissanceplatz wie die Piazza del Campo in Siena erinnert. Der Platz beherbergt eine Terrasse und einen Steinbrunnen. Die Höfe der Wohnhausanlage mit ihren Grünflächen und Parkbänken bieten Erholungsraum für Jung und Alt. Insgesamt zeigt der Sandleitenhof eine abwechslungsreiche Struktur mit Plätzen, Toren, Durchgängen und Stiegenanlagen. Im nördlichen Abschluss der Wohnanlage wird ein Niveauunterschied im Gelände für eine repräsentative Platzanlage genutzt. Den Platz ziert ein Brunnen, er wird durch eine steil aufragende Rückwand begrenzt.

Entsprechend dem Charakter einer in mehrere Einheiten gegliederten und wie organisch gewachsenen "Stadt in der Stadt" – mit kleinen Plätzen, Brunnen, Stiegen, Terrassen und Pergolen – wurden auch zahlreiche Gemeinschafts­einrichtungen und nicht weniger als 75 Geschäftslokale - unter anderem ein Kaffeehaus, ein Postamt und eine Apotheke -, 58 Werkstätten sowie ein zentraler Platz mit Brunnenanlage (Matteottiplatz) für große Veranstaltungen geschaffen. Vorbildcharakter besaßen auch die elegant eingerichtete Volksbibliothek, die heutige Städtische Bücherei), der für 600 Personen angelegte Kino- und Theatersaal des Sandleitenkinos und das moderne Kindergartengebäude nach einem Entwurf von Erich Leischner. Zur Infrastruktur Sandleitens gehörten darüber hinaus auch der gegenüber gelegene Kongreßpark und das benachbarte Kongressbad.

Herausforderungen des Baus

Da die Bahnhöfe Ottakring und Hernals der Vorortelinie die Transportnotwendigkeiten nicht bieten konnten, musste abzweigend von der Station Hernals eine Schleppbahn zur Baustelle gebaut werden. Zur Beförderung des Baumaterials waren 26.500 Waggons zu je 10.000 kg nötig. An einem Tag mussten bis zu 100 Waggons entladen und die Baustoffe zur Verwendungsstelle transportiert werden. Während der vierjährigen Bauzeit waren in der Hauptsaison bis zu 2.000 Arbeiter ständig beschäftigt. 28,5 Prozent der Gesamtfläche von 96.502 Quadratmetern wurden verbaut, die restlichen 71,5 Prozent entfielen auf Verkehrsflächen, Gartenanlagen und Spielplätze.

Kunst

Am Rand des Matteottiplatzes steht der Matteottibrunnen. Über dem Hauptportal der Anlage (Nietzscheplatz 2) befinden sich figurale Plastiken von Heinrich Scholz. Die "Säule des Frohsinns" im Kindergarten, den Erich Leischner konzipierte (Rosenackerstraße 5), schuf Wilhelm Fraß (1929), die Skulptur "Zicklein" Josef Riedl (1929); die heute nicht mehr existierenden Wandgemälde stammen von Trude Schiebel ("Spielende Kinder",1929) und Hilda Goldwag, weitere, noch existente von Artur Brusenbauch. In der Städtischen Bücherei (Rosa-Luxemburg-Gasse) befinden sich ebenfalls zwei Wandbilder in Kaseintempera von Artur Brusenbauch ("Symbolisierter Aufbau").

Februarkämpfe 1934

Um die Mittagszeit des 12. Februar 1934 versuchte die Polizei in Sandleiten ein­zudringen, wurde jedoch mit Schüssen zurückgewiesen. Die Regierung mobilisierte daraufhin Verstärkung in Form einer Polizeialarmkompanie mit fünf Maschinengewehren sowie Bundesheereinheiten mit 200 Soldaten, vier Kanonen, zehn Maschinengewehren und zwei Minenwerfern. Von der Hernalser Hauptstraße aus wurde der Angriff im Raum Güpferlingstraße / Kainzgasse vorbereitet, die Kanonen wurden im Kongresspark in Schussstellung gebracht. Da es inzwischen dunkel geworden war, musste der Sturmangriff auf die Morgenstunden verschoben werden, allerdings wurde die Anlage auch in der Nacht mehrmals mit Maschinengewehren beschossen. Da Polizei und Bundesheer an Zahl und Bewaffnung weit überlegen waren, erschien es den Verteidigern verantwortungslos, einen aussichtlosen Häuserkampf zu riskieren – in einer Wohnanlage, in der sich etwa 5.000 Frauen, Kinder und alte Leute befanden. Als die Staatsmacht in den Morgenstunden des 13. Februar in die Anlage eindrang, waren die Verteidiger bereits abgezogen und es gab keinen weiteren Widerstand mehr.[1]

Während des Ständestaates wurde in der Sandleitengasse nachträglich die katholische Pfarrkirche St. Josef (1935/36) errichtet, von vielen Bewohnerinnen und Bewohnern despektierlich "Vater-unser-Garage" genannt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage durch Bomben leicht beschädigt. Und in der Besatzungszeit schließlich waren hier russische Truppen einquartiert.

Die Wohnhausanlage wurde 1995-2003 generalsaniert.

Siehe auch:

Quellen

Literatur

  • Josef Bittner: Die Wohnhausanlage Sandleiten. Garten- und Bäderanlage am Kongreßplatz im 16. Bezirk. Wien: Selbstverl. [ca. 1928]
  • Felix Czeike: XVI. Ottakring. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Wiener Bezirkskulturführer, 16), S. 53 f.
  • Hans Hautmann / Rudolf Hautmann: Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919-1934. Wien: Schönbrunn-Verlag 1980, S. 398
  • Das Neue Wien. Hg. unter offizieller Mitwirkung der Gemeinde Wien. Band 3. Wien: Das neue Wien / Wien: Elbemühl 1927, S. 96 ff.
  • Dietmar Steiner: Architektur in Wien. 300 sehenswerte Bauten. Wien: Magistrat der Stadt Wien, Geschäftsgruppe Stadtentwicklung und Stadterneuerung 1984, S. 91
  • Helmut Weihsmann: Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919-1934. Wien: Promedia 2002, S. 363 ff.

Weblinks

Einzelnachweise