Unterkammeramt
Das Unterkammeramt wurde 1485 als eigenständiges Amt für die Ausführung technischer Angelegenheiten der Stadt Wien eingerichtet. Damals wurde das bisherige Kammeramt in das Oberkammeramt, das die wirtschaftlichen und finanziellen Amtsgeschäfte führte, und das Unterkammeramt aufgeteilt. Dieses war für die praktische Umsetzung vieler wichtiger Agenden zuständig. Dazu gehörte die Instandhaltung der Straßen und der Kanalisation, die Verwaltung und Erhaltung der städtischen Gebäude sowie das Markt- und das Feuerlöschwesen. Eine zentrale Rolle spielte das Unterkammeramt zudem in seiner Funktion als städtische Baubehörde.
Baubehörde
Wer im städtischen Jurisdiktionsbereich ein Gebäude errichten oder verändern wollte, musste beim Stadtrat um Genehmigung ansuchen. Die Zuständigkeit hierfür lag erst beim Oberkämmerer, später beim Unterkämmerer selbst. Als städtische Baubehörde beziehungsweise Baupolizei war das Unterkammeramt für die Ausstellung von Baukonsensen verantwortlich, also die behördliche Genehmigung für die Errichtung oder Veränderung von Bauwerken.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gab es einen Augenschein vor Ort, bei dem Beamte, der Bauwerber, Werkleute und etwaige betroffene Nachbarn anwesend waren, um das Bauvorhaben zu besprechen. Besonderes Augenmerk lag auf der Feuersicherheit des Gebäudes. Der Stadtrat entschied aufgrund des Berichts dieser Kommission.
Bis zur Magistratsreform 1783 war der Stadtunterkämmerer lediglich der Vorsteher des Unterkammeramtes. Beschlüsse wurden nach Vortrag des Oberkämmerers im städtischen Rat gefasst. Der Aufgabenbereich des Unterkammeramts wird mit den Schlagworten Sicherheit und Sauberkeit umschrieben[1]. Dies bezieht sich einerseits auf die Standfestigkeit und Feuersicherheit von Gebäuden, die durch die Bau- und Feuerordnungen abgedeckt werden sollten, andererseits auf die Aufsicht über die Straßenreinigung, die Kanalisation sowie die städtischen Wasserleitungen.
Durch die Stadterweiterungen im 19. Jahrhundert wuchs die Arbeitslast der Behörde stetig. Dies machte mehrere Organisationsänderungen notwendig, die sich auch im Namen niederschlugen. Ab 1849 führte das Unterkammeramt offiziell die Bezeichnung 'Stadtbauamt' [2], aus dem "Unterkämmerer" wurde der "Baudirektor", ab 1854 „Stadtbaudirektor“.
Die Eingemeindung der Vororte 1890/92 erforderte auch eine entsprechende Vergrößerung des Verwaltungsapparats. Dem Trend der Dezentralisierung folgend wurde bei der Errichtung der Magistratsdepartements 1891 auch ein Departement IX - Baupolizei eingerichtet. Viele andere Aufgaben des ehemaligen Unterkammeramts wurden nun in eigenen Organisationseinheiten abgewickelt. Diese Spezialisierung wurde mit der Einrichtung der Magistratsabteilungen 1902 fortgesetzt, die Agenden der Baupolizei wurden von der neuen Magistratsabteilung XIV übernommen.
Hofquartierwesen
Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Baugeschehen in Wien hatte das Hofquartierwesen. Seit der Frühen Neuzeit waren alle bürgerlichen Hausbesitzer verpflichtet, Räume für die Einmietung von Hofpersonal zur Verfügung zu stellen. Im Laufe der Jahre stellte diese Regelung eine zunehmende Belastung dar. Während im Jahr 1612 etwa 800 Personen hofquartierberechtigt waren, stieg diese Zahl in 100 Jahren um fast 1.400 Personen an, was fast einer Verdreifachung entspricht. 1781 wurde das Hofquartierwesen abgeschafft.
Stadtwachstum im 19. Jahrhundert
Durch das rasche Wachstum der Stadt Wien im 19. Jahrhundert wuchs auch die Arbeit des Unterkammeramts enorm an. Zusätzliches Personal war erforderlich, um die bisherigen Aufgaben zu bewältigen, daneben kam aber auch eine Reihe neuer Aufgaben auf die Behörde zu. So ist bereits 1797 der Bauübergeher als technischer Unterbeamter fassbar, der Schäden an städtischen Bauwerken prüfte. Wenige Jahre später richtete man den Posten des Brunnenpoliers ein, dessen Aufgabe es war, die städtischen Brunnenbecken mit Wasser gefüllt zu halten.
Die Einflussmöglichkeiten der Stadt Wien auf die städteplanerische Entwicklung waren gering. Lenkungsmöglichkeiten boten sich der Stadt durch die Etablierung von Baulinienplänen mit der Bauordnung von 1829. Die Errichtung von Gebäuden oder ganzen Häuserzeilen lag meist in privater Hand. Durch den Wunsch nach maximaler Verzinsung des eingesetzten Kapitals entstand daher ein eigener Zinshaustyp, dessen Layout dem Architekten Josef Kornhäusel (1782 bis 1860) zugeschrieben wird. Das bisher übliche Bürgerhaus, dem die Einheit von Wohnen und Arbeiten zugrunde lag, gehörte damit als Häusertypus endgültig der Vergangenheit an.
Bauordnungen
Wie komplex das Aufgabengebiet des Unterkammeramts war, zeigt etwa die Geschichte der Wiener Bauordnungen. Schon die erste Bauordnung Wiens von 1829 hatte eine siebenjährige Entstehungszeit hinter sich, musste sie doch die bestehenden Vorschriften zusammenfassen und Einwände der begutachtenden Stellen (Unterkammeramt, Baudepartement, Fortifikations-Distriktsdirektion) berücksichtigen. Auch die Tatsache, dass die Grundherrschaften neben dem Magistrat ebenfalls zur Erteilung von Baukonsensen ermächtigt waren, erleichterte die Aufgabe nicht. Zirkulare wie etwa eines aus 1770, das unter anderem eine regelmäßige Bauart zur Verschönerung der Stadt forderten, waren ebenfalls noch gültig.[3]
Es verwundert daher nicht, dass die Wiener Bauordnung nach ihrer Entstehung etliche Reformen erfuhr. Ihnen zugrunde lag und liegt das Bestreben, das Baubewilligungsverfahren möglichst klar und einfach zu gestalten, ohne dabei Regeln zu verletzten oder Rechte zu beschneiden.
Prägende Personen des Unterkammeramts
Im frühen 19. Jahrhundert hat Stadtbauinspektor Anton Behsel eine Fülle an bedeutenden Planaufnahmen zu Wiens Innerer Stadt und den Vorstädten geschaffen. Neben ausgezeichneten Planzeichnungen hat er mit dem „Verzeichnis aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien mit ihren Vorstädten befindlichen Häuser" einen wichtigen Häuserkataster geschaffen[4].
Durch ein Hofkanzleidekret von 3. Jänner 1835 wurde das Unterkammeramt aus dem politisch-ökonomischen Senat ausgegliedert und ein reines Bauamt. Nur zwei Jahre später kam die Beleuchtungsaufsicht als Aufgabe hinzu, eine sehr wichtige Aufgabe, kam doch der Öffentlichen Beleuchtung ein hoher Stellenwert zu.
Mit der Bestellung von Cajetan Josef Schiefer zum Stadtunterkämmerer und Leiter des technischen Amtes der Stadt Wien überging man Anton Behsel. Schiefer begann mit einer Reihe von organisatorischen Änderungen und gilt als der eigentliche Begründer des Wiener Stadtbauamts. Ab 1849 führte das Unterkammeramt offiziell die Bezeichnung 'Stadtbauamt' (Gemeinderatsbeschluss vom 9. Oktober 1849), die Bezeichnung "Unterkämmerer" wurde durch den "Baudirektor", ab 1854 „Stadtbaudirektor“, abgelöst.
Unterkammeramtsgebäude
Über Jahrhunderte war das Unterkammeramt am selben Ort untergebracht, nämlich an der Adresse Wien 1, Am Hof 9. Hier befand sich der vom Unterkammeramt betreute Wasserstadel, der die Löschgeräte der Feuerwehr sowie Wasserspeicher zum Feuerlöschen beherbergte. Um 1700 wurde an dieser Stelle ein städtisches Unterkammeramtsgebäude im barocken Stil errichtet.
Hier wurden nicht nur der Unterkämmerer und seine Mitarbeiter untergebracht, sondern auch die erste ständige Feuerwache Wiens. Durch die Erhöhung des Personalstands sowohl des Unterkammeramts als auch der Feuerwehr reichten die Räumlichkeiten bald nicht mehr aus. Im Jahr 1884 übersiedelte das Unterkammeramt daher in das Rathaus.
Historische Bedeutung des Unterkammeramts
Die Entwicklung des Unterkammeramts lässt sich aufgrund der noch vorhandenen Unterlagen gut nachvollziehen und bietet eine reiche Quelle für behördengeschichtliche Forschungen. Die Baukonsensbücher bieten mit ihren chronologischen Einträgen zu den einzelnen Gebäuden einen guten Überblick über bauliche Vorgänge zu einzelnen Gebäuden in Wien. Unter den Aktengattungen sind die Baukonsense von großer historischer Bedeutung. Sie sind eine wichtige Quelle für die Erforschung von Häusergeschichten (siehe Paul Harrer: Wien, seine Häuser), insbesondere für viele der bereits abgebrochenen Wiener Bürgerhäuser. Die Baupläne liefern zudem einzigartige Details zu diesen Gebäuden, vom Kachelofen in der Stube bis zum Kräutergarten im Hinterhof.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Unterkammeramt
- Hofkanzlei-Decret vom 3. Januar 1835: Bestellung des Amtes eines Stadtunterkämmerers in Wien
- Kajetan Josef Schiefer, Denkschrift über den Organismus und den Personalstand des Wiener Stadtbauamtes, Wien 1860
Literatur
- Josef Pauser: Verfassung und Verwaltung der Stadt Wien, in: Karl Vocelka - Anita Traninger [Hg.]: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert) (Peter Csendes - Ferdinand Opll [Hg.]: Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2), Wien/Köln/Weimar: 2003, S. 65 f.
- Heinrich Berg: Die Baukonsensakten des Unterkammeramtes. Dokumente des Wiener Baugeschehens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 45/2 (1990), S. 113 f.
- Wolfgang Mayer: Anton Behsel. Kartograph und Stadtbauinspektor in Wien (=Kleinausstellung des Wiener Stadt- und Landesarchivs 23). Wien 1988
- Geert Kahl: Anton Behsel. Der Wiener Stadtbau-Inspektor und sein Werk. Wien: 1987 (Prüfungsarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung)
- Peter Csendes [Hg.], Die Rechtsquellen der Stadt Wien, Wien - Köln - Graz: Böhlau 1986
- Elfriede Sheriff: Die Ämter der Stadt Wien von 1783-1848 in verwaltungsgeschichtlicher und personeller Hinsicht. Diss. Univ. Wien. Wien 1977, S. 29-40
- Johannes Daum, Das Wiener städtische Mietwohnhaus in der Zeit von 1700-1859, Wien: 1957 (Dissertation)
- Otto Brunner, Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert, Wien 1929
Referenzen
- ↑ Geert Kahl: Anton Behsel. Der Wiener Stadtbau-Inspektor und sein Werk. Wien: 1987 (Prüfungsarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung), Seite 8
- ↑ Gemeinderatsbeschluss vom 9. Oktober 1849
- ↑ Geert Kahl: Anton Behsel. Der Wiener Stadtbau-Inspektor und sein Werk. Wien: 1987 (Prüfungsarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung), S. 15
- ↑ Anton Behsel: Verzeichniß aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien mit ihren Vorstädten befindlichen Häuser. Wien: Gerold, 1829, siehe auch Häuserschematismen