Luftschutz-Räume im Zweiten Weltkrieg
Als Reaktion auf die ersten Bombenangriffe der britischen Royal Air Force auf deutsche Städte (ab Juni 1940) ordnete Hitler im Herbst 1940 das sogenannte "Führer-Sofort-Programm" an. Danach wurden in mehreren Wellen in rund 100 Städten (davon zwölf im ehemaligen Österreich), die zu den "Luftschutzorten 1. Ordnung" zählten, Luftschutzeinrichtungen errichtet. In diese Kategorie fielen die Städte, die über wichtige Rüstungs-, Industrie- und Militäranlagen verfügten.
Die öffentlichen Luftschutzbunker wurden "reichsweit" - nun auch in Wien - nach den "Bestimmungen für den Bau von Luftschutzbunkern" gebaut. Betonmauern mit Stahlarmierungen sollten seinerzeit Bomben standhalten und dabei auch das Überleben in diesen Schutzräumen gewährleisten. Die Anlagen waren vollkommen autark und nach den damaligen Begriffen modern ausgestattet. Zunächst wurden Tiefbunker in Parkanlagen errichtet. Jeder dieser Bunkerklasse hatte 44 Luftschutzkammern und war für 300 Personen konzipiert. In den Anlagen waren je zwei Maschinenräume mit Schutzraumbelüftern und Gas-/Kampfstofffiltern, ebenso Aborte und Waschräume integriert. In den Gängen drängten sich oft doppelt so viele Luftschutzsuchende. Diese öffentlichen Luftschutzbunker, die in Wien errichtet worden waren, hatten eine Gesamtgröße von rund 40 mal 20 Metern und eine Schutzraumfläche von rund 760 Quadratmetern.
Im Zuge des Bunkerbauprogramms wurden an stark frequentierten Orten weitere Luftschutzbunker platziert, wie im Bereich der Bahnhöfe. Auf den Arealen von Krankenhäusern standen bald auch kompakte Bunkeranlagen bereit, die bei Bedarf zu beziehen waren (Altes Allgemeines Krankenhaus, Kaiserin-Elisabeth-Spital, Krankenhaus Lainz, Wilhelminenspital). Diese fungierten als Operationsräume und hatten eine dementsprechende Sanitätsausstattung eingebaut.
Im Verlauf des anhaltenden Bombenkriegs wurden auch Sonderbauwerke von Luftschutzbunkern gebaut, zu denen die Werksbunker auf Fabriksarealen zählten. Später kamen noch die speziellen "Salzgitter-Bunker" dazu, die speziell für den Industriebetrieb benötigt wurden.
Ab 1943 wurden die sechs großen Flaktürme gebaut, die aufgrund ihrer Gestaltung und trotziger Bauform auch die Wehrbereitschaft optisch unterstrichen. Gegen Kriegsende wurden noch zusätzlich hunderte "Splitterschutz-Deckungsgräben" ausgehoben, die jedoch nur geringen Schutz gegen Sprengbomben boten. Weiters wurden in Wien auch etliche Luftschutzstollenanlagen (beispielsweise am Cobenzl und Küniglberg sowie im Wertheimsteinpark und in St. Marx) errichtet.
Ein Sonderbauwerk ist auch der "Schirachbunker" am Gallitzinberg in Ottakring, der als Gaubefehlstand des Reichsleiters und als Luftlage-Warn-Zentral fungierte.
Zum Ausbau des Luftschutzprogramms sind auch die vielen privaten Luftschutzkeller in Häusern zu zählen. Insbesondere ist das "Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt" erwähnenswert, wobei die tiefen und alten Keller der Wiener Innenstadt luftschutzmäßig adaptiert und ausgebaut wurden.
Technische Ausstattung in Luftschutzbunkern: Gasschleuse
Vor dem Eintreten in das Innere eines Bunkers passierte man die "Gasschleuse". Dieser hermetisch verschließbare Sektor sollte das Eindringen chemischer Kampfstoffe verhindern. Die Stahltüren, die auch Druckwellen abfangen sollten, wurden in der Regel von der Wiener Firma "Viktor Otte & Co" fabriziert. Luftförderanlagen sorgten für die Belüftung. Im gesamten Bunker sollte ein konstanter ständiger Überdruck herrschen, damit sich keine gefährlichen Gase oder Rauch einschleichen konnten. Überdruckventile der Firma "Drägerwerk Lübeck" oder "Auer Berlin" regelten den Druckausgleich.
Technische Ausstattung in Luftschutzbunkern: Schutzraumbelüfter
Ein wichtiger Bestandteil eines jeden Luftschutzbunkers waren die beiden Maschinenräume, in denen die "Schutzraum-Belüfter" mit Schwebstoff- und Gasfiltern standen. Sie waren elektrisch zu bedienen. Sollte der Strom ausfallen, konnte mittels aufgesetzter Handkurbel der "Schutzraum-Belüfter" in Gang gesetzt werden. Es galt, die Außenluft anzusaugen, durch die Filter - bei Gasgefahr sollten spezielle Trommelfilter gegen Kampfstoffe eingesetzt werden - zu drücken, um den nötigen Sauerstoff beziehungsweise die gereinigte Luft durch die Rohre in die einzelnen Luftschutzkammern zu leiten.
Im gesamten Deutschen Reich stellten verschiedene Firmen - wie Auer, Dräger, Piller oder Rheinwerk - verschiedene Modelle her. Die renommierten Firmen hatten mehrere Herstellungsstandorte und lieferten nicht nur an die öffentlichen Luftschutzanlagen und diversen Betriebe, sondern auch an private Kunden. In den großen öffentlichen Schutzräumen waren mehrere "Schutzraum-Belüfter" zu einer Filterbatterie zusammengekoppelt.
Zum reichsweiten Schutzraumbau gab es dezidierte Regelungen und Baubestimmungen, die in einer Heftreihe festgehalten wurden. Die "Bestimmungen für den Bau von Luftschutzbunkern" wurden vom Reichsminister der Luftfahrt und dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe 1941 in Berlin herausgegeben. Von Berlin aus wurden die Anordnungen an die verantwortlichen Stellen in sämtlichen Gauen des Reiches verteilt.
Historische Luftschutzbunker in Wien (Auswahl)
***Achtung***: bei dieser Auflistung handelt es sich um historische Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Über Verhalten im Notfall informiert die Stadt Wien auf dieser Website: wien.at: Sicherheit [Stand: 4.3.2022]
Historische öffentliche Luftschutzbunker (in Klammer: heutige Verwendung)
- 1., Friedrich-Schmidt-Platz (Tiefgarage für das Rathaus)
- 3., Oberes Belvedere, unter dem Teich (Hochsicherheitsdepot für Kunstwerke)
- 4., Phorusplatz (zur Hälfte abgerissen, leerstehend)
- 6., Esterházypark (umgebaut zum Foltermuseum)
- 8., Schönbornpark (Depot für das Volkskundemuseum)
- 9., Arne-Carlsson-Park (Ausstellungssräume des Bezirksmuseums Alsergrund)
- 10., Arthaberplatz, unter der Volkshochschule (großteils abgerissen)
- 10., Laubeplatz (zugeschüttet)
- 11., Herderplatz (zugeschüttet)
- 11., Zippererstraße, unter der Wohnhausanlage (leerstehend, teilweise Parteienkeller)
- 12., Haydnpark (zugeschüttet)
- 16., Schuhmeierplatz (Keller für Wohnparteien der darüber befindlichen Wohnhausanlage und Depotlager der SPÖ-Ottakring, teilweise leerstehend)
- 16., Yppenplatz (leerstehend)
- 17., Pezzlpark (zugeschüttet)
- 17., Clemens-Hofbauer-Platz (abgemauert, unter Wasser stehend?)
- 20., Adalbert-Stifter-Straße (abgerissen)
- 21., Pius-Parsch-Platz (abgerissen)
Historische Bahnhofsbunker
- 9., Franz-Josefs-Bahnhof (überbaut von Bürogebäude)
- 10., Ostbahnhof (abgerissen)
- 10., Südbahnhof (abgerissen)
- 15., Westbahnhof (abgerissen beziehungsweise umgebaut)
Historische Operationsbunker
- 9., Allgemeines Krankenhaus, Hof 1 (Küche für einen Restaurationsbetrieb)
- 13., Krankenhaus Lainz (Depotraum)
- 15., Kaiserin-Elisabeth-Spital, Felberstraße (abgerissen)
- 16., Wilhelminenspital (Depotraum)
Historische Hotelbunker
- 1., Hotel Imperial, Dumbastraße (Depotraum)
Literatur
- Dietmar Arnold / Reiner Janick: Sirenen und gepackte Koffer. Berlin: Ch. Links Verlag 2003
- Michael Foedrowitz: Bunkerwelten. Berlin: Ch. Links Verlag 1998
- Marcello La Speranza: Erforscht. NS- und Kriegsspuren in Wien. Band 2. Wien: Edition Mokka 2016
- Marcello La Speranza: Die Bahnhofsbunker. In: Christoph Blesl u. a. [Hg.]: Zeitschiene II. Der Südbahnhof in Wien. Wien: Bundesdenkmalamt 2010 (Fundberichte aus Österreich, Reihe A, Sonderheft 13)