Innere Medizin

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Elektronenmikroskop, II. Universitätsklinik Karl Fellinger, Allgemeines Krankenhaus
Daten zum Eintrag
Datum vonDatum (oder Jahr) von
Datum bisDatum (oder Jahr) bis
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki 
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 10.11.2023 durch DYN.krabina
BildnameName des Bildes Innere Medizin.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Elektronenmikroskop, II. Universitätsklinik Karl Fellinger, Allgemeines Krankenhaus

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Erste Betatronanlage im Krankenhaus Lainz
Angiographieanlage an der II. Chirurgischen Universitätsklinik

Die Begründung des Faches

Das Spezialfach der Innere Medizin begann in Österreich mit der Einführung des Unterrichts am Krankenbett (Klinik) unter dem vom Protomedicus Gerhard van Swieten aus Leiden nach Wien berufenen Anton de Haen. Die Vier-Säfte-Lehre (Humoralpathologie) wurde in dieser Zeit durch den Pathologen Giovanni Battista Morgagni in Padua und den Kliniker Leopold Auenbrugger in Wien überwunden. Am Lebenden lehrte Auenbrugger 1761, dass durch das Beklopfen der Brust (Perkussion) Veränderungen an Herz und Lunge festgestellt werden können. In Wien nicht sofort anerkannt, kam diese Methode über Frankreich (Napoleons Leibarzt J. N. Corvisart) und durch die Erfindung des Stethoskops (Rene Th. H. Laennec) später wieder nach Wien zurück.

Mit der Berufung von Valentin von Hildenbrand (1763-1818) rückte allerdings die traditionelle Humoralpathologie an der Wiener Universität wieder in den Vordergrund. Sie erschöpfte sich in ausführlichen Beschreibungen des Krankenverlaufs am Krankenbett und trieb die hippokratische Beobachtungskunst zu einer letzten Blüte. Ansonsten bestand therapeutischer Skeptizismus. Äußerst umstritten war, ob Krankheiten überhaupt von Mensch zu Mensch übertragbar sein können. Der Mangel an Therapien beförderte das Aufkommen alternativmedizinischen Richtungen wie die Homöopathie und die Hydrotherapie. Damit verbreitete sich der Glaube an die heilende Kraft der Natur, der später von Carl von Rokitansky aufgegriffen wurde.

Die Zweite Wiener Medizinische Schule

Mit Joseph Skoda begann eine neue, stark empirisch orientierte Ära der Inneren Medizin in Wien. Er begründete die physikalische Diagnostik und schuf die "anatomische Klinik". Schon in den 1830er Jahren führte er zahlreiche Versuche an Modellen und Leichenteilen durch. 1839 setzte Joseph Skoda die physikalische Gegebenheiten im Brustkorb in Parallele zu den von Carl von Rokitansky an der Leiche gefundenen krankhaften Veränderungen und schuf so die heute noch gültige physikalische Krankenuntersuchung. Skoda entwickelte dazu ein System der Schallstufen bei Perkussion und Auskultation. Mittels "Diagnostik der Ausschließung" wurden "Blitzdiagnosen" möglich, für die die Zweite Wiener Medizinische Schule einige Berühmtheit erlangte. In der mechanischen Therapie führte Skoda die Punktation bei Pleural- und Perikardergüssen ein. Die traditionelle purgiernden Methoden lehnte Skoda ab. Skoda befasste sich auch ausführlich mit Cholera und Typhus, die er als Infektionskrankheiten erkannte. Damit im Zusammenhang verfocht er die hygienische Prophylaxe und war entschiedener Befürworter des Baus der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung. Skoda verlangte in seiner Antrittsvorlesung (1846) anlässlich der Übernahme der I. Medizinischen Universitätsklinik im Allgemeinen Krankenhaus auch eine zweite interne Klinik und führte statt der bis dahin gültigen lateinischen Unterrichtssprache die deutsche ein. 1850 begann unter seinem Parallelkliniker Johann von Oppolzer die für die Wiener Universitätskliniken typische Einrichtung doppelter Lehrkanzeln für die wichtigsten klinischen Fächer. Ging von der I. Medizinischen Universitätsklinik Skodas die Ausschlagabteilung unter Ferdinand Hebra und damit der Beginn des Spezialfachs Dermatologie aus, so konnte an Oppolzers Klinik die zukünftige Laryngologie (Adam Politzer), Gynäkologie (Rudolf Chrobak) und durch den späteren Mentor von Sigmund Freud, Josef Breuer, sogar die Psychiatrie ihren Anfang nehmen.

Die Neurologie, die damals ein unverzichtbarer Teil der Inneren Medizin war, wurde zuerst von Ludwig Türck, dem Erfinder des Kehlkopfspiegels (Endoskopie) gefördert. Aufschwung nahm dieses Fach unter Skodas Zweitnachfolger, Hermann Nothnagel, der besonders um die Erkenntnis der Lokalisation von Gehirnkrankheiten bemüht war. Nothnagel wurde 1882 nach Wien berufen und vereinte die experimentiell-physiologische mit der pathologisch-anatomischen Richtung in der Medizin. Neben seinen Forschungen zu Gehirnkrankheiten entwickelte er ein breites Oeuvre mit Beiträgen zur Kardiologie und Gastroenterologie.

Die Einführung chemischer Untersuchungen in der Inneren Medizin ist an der II. Medizinischen Universitätsklinik Heinrich Bamberger zu danken. Unter ihm vollzog sich die Sysnthese von Krankenbett- und Labormedizin. Bamberger war aufgrund einer früheren Berufung nach Würzburg zum Kreis der Zellularpathologen unter Rudolf Virchow gestoßen. Er befasste sich mit medizinischer Chemie und anlaysierte Sekrete und Exkremente. Unter Bamberger fand auch der Wechsel von der Vorlesung am Krankenbett zum Hörsaal statt, der durch die stark steigenden Hörerzahlen an der Universität Wien notwendig geworden war.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die moderne Arzneimitteltherapie ist in ihren fruchtbaren Anfängen wiederum ein Verdienst von Hermann Nothnagel, der auch die Radiologie durch Unterstützung seines Schülers Guido Holzknecht förderte. Holzknecht begründete eine Schule der Strahlentherapie und erfand das erste Messinstrument für Röntgenstrahlen, den Chromoradiometer. Robert Kienböck auf dem Gebiet der Dosmetrie erfand den Quantimeter. Der noch geringe Wissenstand über die Wirkung von Röntgenstrahlen forderte zahlreiche Opfer unter den Wiener Radiologen der ersten Stunde.

Leopold von Schrötter führte eine III. Medizinische Universitätsklinik und befasste sich als Skoda-Schüler vor allem mit Lungenkrankheiten. Er förderte den Bau von Lungenheilstätten zum Zweck der Behandlung der Tuberkulose, die er als heilbar erkannte. So konnte er die Gründung der Tuberkuloseheilstätte Alland (Niederösterreich) erreichen.

Edmund Neusser und sein Schüler Franz Chvostek waren nach der Jahrhundertwende wegen ihrer Blick- und Blitzdiagnosen berühmt. Neusser machte im Rahmen seiner hämatologischen Studien auf die Wechselwirkung der Keim- und Schilddrüse aufmerksam und entwickelte damit die Endokrinologie weiter. Die Erweiterung der Wiener Internistik in Richtung der Erforschung und Behandlung von Stoffwechselkrankheiten leitete Joseph Seegen ein. In seiner Nachfolge war Carl von Noorden ein anerkannter Fachmann der Erforschung der Zuckerkrankheit (Einführung der Weißbroteinheiten), und sein Nachfolger Karel Frederik Wenckebach begründete durch seine kardiologische Pionierarbeiten die medikamentöse Behandlung der Herzrhythmusstörungen. In Hans Eppinger fand die Innere Medizin einen hervorragenden experimentellen Pathologen, der gemeinsam mit Julius Rothberger in Österreich die Elektrokardiographie einführte.

Nach dem "Anschluss" zwang das nationalsozialistische Regime eine ganze Reihe prominenter Internisten zur Emigration. Zu ihnen zählte die Gruppe um den Endokrinologen und Konstitutionspathologen Julius Bauer, der an der Allgemeinen Poliklinik tätig war. Zwei seiner Assistenten waren an der Aufklärung der Sichelzell-Krankheit und weiterer Hämoglobinopathien in Chicago beteiligt.

Die Neue Wiener Medizinische Schule

Nikolaus von Jagič, der ein Lehrbuch der Blutkrankheiten verfasste, war bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal ein universeller Internist, ebenso Ernst Lauda. Ernst Lauda wurde am 1. Juni 1946 auf dem Lehrstuhl der I. Medizinischen Universitätsklinik berufen wurde. Er leitete die Klinik bis 1963. Lauda verfasste Standardwerke über den Dickdarm und die Milz. Sein Nachfolger Erwin Deutsch befasste sich mit nephrologischen Themen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Karl Fellinger als Nachfolger von Jagič Vorstand der II. Medizinischen Universitätsklinik in Wien. Fellinger gelang es innerhalb kurzer Zeit diese zu modernisieren. Die Klinik erhielt ein Dialysezentrum und 1952 das modernste Elektronenmikroskop der Welt. Mit seiner Arbeit, die ihn auch international bekannt machte, begründete Fellinger die Neue Wiener Medizinische Schule. Fellingers Schwerpunkte lagen in der Rheumatologie und Nuklearmedizin. Unter ihm wurden Kardiologische und Gastroenterologische Universitätskliniken geschaffen. Er verfasste ein "Lehrbuch der inneren Medizin" und vermittelte populärwissenschaftliche Erkentnisse im Fernsehen.

Die Innere Medizin wirkt heute wegen der vielfachen Untergliederung in Subspezialitäten (Kardiologie, Pulmologie, Nephrologie, Gastroenterologie, Hepatologie, Hämatologie, Endokrinologie, Rheumatologie, Chemotherapie infektiöser und bösartiger Erkrankungen sowie Intensivmedizin) oft nicht mehr als homogenes Ganzes. Diese Aufteilung hat aber durch die enorme Vermehrung des jeweiligen Basiswissens und der klinischen Therapie wohl ihre Berechtigung. So entstand aus der ursprünglichen "Medizinischen Klinik" die moderne Heilkunde innerer Erkrankungen.

Literatur

  • Michael Hubenstorf: Österreichische Ärzteemigration 1934-1945 - Zwischen neuem Tätigkeitsgebiet und organisierten Rückkehrplänen. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 7 (1984), S. 96 f.
  • Karl Fellinger: Stellung und Aufgabe des Internisten der Jetztzeit. In: Wiener klinische Wochenschrift. Wien / New York: Springer 1947 (59), S. 249 ff.
  • Nikolaus Jagic: Die Wiener Internistenschule. In: Zeitschrift für Innere Medizin 1 (1946)
  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 39-53, S. 142-152, S. 307-344
  • Karl Heinz Tragl: Chronik der Wiener Krankenanstalten. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2007, S. 108-121
  • Helmut Wyklicky: "Prima inter pares" - Über die Wiener interne Medizin am Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Wiener klinische Wochenschrift 95 (1983), S. 601 ff.