Luftschutzstollen
Während des Zweiten Weltkriegs wurden mehrere Stollen in und um Wien gegraben, die bei Luftangriffen auch regelmäßig frequentiert wurden. Beispielsweise wurden unter dem Küniglberg (13. Bezirk) ein rund 350 Meter langer Stollen angelegt, der von der umliegenden Bevölkerung bei Fliegeralarm aufgesucht wurde. Der Bau dieser Untertageanlagen war eine willkommmene Alternative zum Bunkerbauprogramm. Ebenso wurden ehemalige Bier- oder Weinkeller in das umfassende Luftschutzprogramm einbezogen und dementsprechend ausgebaut.
Nach Kriegsende wurden viele der unterirdischen Luftschutzanlagen als obsolet eingestuft. Im Verwaltungsbericht der Stadt Wien wird über die Beseitigung dieser Anlagen festgehalten:
"Viele Luftschutzstollen, die in der Kriegszeit begonnen wurden, blieben unfertig, was besondere Gefahren in sich schloß. Solche halbfertigen Stollen mußten entweder fertiggestellt oder gänzlich zugeschüttet und abgemauert werden. Dabei war auch auf eine spätere Verwendung als Keller oder Lagerraum Bedacht zu nehmen, um das bereits aufgewendete Material möglichst nutzbar zu machen. In den unter Verkehrsflächen liegenden Stollen des ehemaligen Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt waren umfangreiche Sicherungsarbeiten notwendig, um ein Einsacken des Bau- oder Straßengrundes im vorhinein unmöglich zu machen. Aber auch außerhalb des eng verbauten Gebietes befanden sich viele Stollenbauten, die gesichert werden mußten. Zu erwähnen sind hier die Stollenausbauten 3., St. Marx, Schlachthaus, 9., Clam Gallas-Garten, 11., Dorfgasse, 13., Küniglberg, 13., Girzenberg, 16., Gallitzinberg, 19., Hartäckerpark, 19., Cobenzl, 25., Atzgersdorf, Höpflerbad und 25., Kaltenleutgeben. Die Stollen in den folgenden Gebieten wurden zugeschüttet: 3., Leberstraße, 3., Wildganshof, 3., St. Marx, 3. Arsenal, 3., Grasbergergasse, 3., Marx-Meidlinger-Straße, 6., Corneliusgasse, 7., Burggasse, 7., Neustiftgasse, 9., Berggasse.
Es wurden im Jahre 1945 - 225 Meter und 1946 - 95 Meter Stollen, sowie 20 und 31 Meter Schächte zugeschüttet. Ausgemauert wurden Stollen in einer Länge von 126 Metern im Jahre 1945, von 281 Metern im Jahre 1946 und von 50 Metern im Jahre 1947. Die Schachtausmauerungen hatten eine Ausdehnung von 31 Metern. 20 Meter Voreinschnitts-Futtermauern wurden im Jahre 1946 und 25 Meter im Jahre 1947 fertiggestellt. Die Arbeiten zur Liquidierung der Luftschutzstollen waren damit im wesentlichen abgeschlossen."[1]
Die Angaben in der oben genannten Auflistung sind aber mit Vorsicht zu bewerten, da die Stadt Wien in den ersten Nachkriegsjahren nicht alle unterirdischen Anlagen genau bewertete und registrierte. So wurde zwischen Stollen, Gängen und Splitterschutz-Deckungsgräben nicht unterschieden. Das bei den vielen Sanierungsarbeiten nach dem Krieg auch vergessene Anlagen auftauchten, war keine Seltenheit. Der Wiener Kurier berichtete in der Ausgabe vom 8. Juli 1948 von einem solchen Vorfall: "Ein unterirdischer Gang zwischen dem Rathaus und dem Parlament, der in der Kriegszeit errichtet wurde, ist vor einigen Tagen infolge Baufälligkeit überraschend eingestürzt. Der Gang war nur wenigen Eingeweihten bekannt und wurde vor allem von höheren Nazifunktionären und Beamten des ehemaligen Gauhauses und des Bürgermeisteramtes benutzt. Da man nun keine Verwendung mehr für ihn hat, wird der Gang zum Teil zugeschüttet und abgemauert werden."
Verbindungsgänge
Gegen Kriegsende wurden insbesondere die Keller der Innenstadt zum "Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt" (1. Bezirk) ausgebaut, wobei ausgewählte benachbarte Häuser mit unterirdischen Gängen verbunden wurden. Diese ziegelgemauerten Verbindungsgänge, teilweise durch Betondecken verstärkt, sollten eingeschlossenen luftschutzsuchenden Personen die Flucht aus einem verschütteten Keller - als weitere Option, wie Mauerdurchbrüche und Notausstiege (siehe Luftschutzvorbereitungen) - ermöglichen. Ebenso dienten die Gänge dazu, durch eingesetzte "Melder" Informationen durch das unterirdische Labyrinth zu leiten. Die Hauptstränge dieser Gänge führten zu Parkanlagen, wo bombenfeste betonierte Ein- und Ausstiegsbauwerke errichtet waren. Parks waren für diese Anlage als trümmerfreie Plätze prädestiniert. Am Rudolfsplatz wurde im Jahr 2009 so ein vergessenes Bauwerk angeschnitten, jedoch - nach kurzer archäologischer Untersuchung - wieder zugeschüttet.[2]
Rüstungsbetriebe
Im Zuge des anhaltenden Kriegs wurden auch viele Stollen - vornehmlich mit großen Kellergewölben - als Rüstungsbetriebe umfunktioniert. So wurden in den adaptierten Gängen und Hallen des ehemaligen Brauhauses St. Marx (3. Bezirk) diverse Fertigungsteile für Flugzeuge und Radios erzeugt. In den unterirdischen Gemäuern des Schellenhofs, ehemalige Bierbrauerei (23. Bezirk), sollen Raketenteile der sogenannten "V2" (Vergeltungswaffe) gefertigt worden sein.
Verfüllen und Zuschütten
Die Standorte vieler verbliebener Luftschutzstollen sind heute besser bekannt. Bei Entdeckung der heute einsturzgefährdeten und maroden Bauwerke werden diese jedoch schnell verfüllt oder verschlossen. 2005 wurde im Auftrag der Stadt Wien ein Stollen unter dem Rennweg (3. Bezirk) in Höhe Orientierungsnummer (ON) 108 verfüllt, da die darüber befindliche Straße und die Gleise der Straßenbahnlinie abzusenken drohten.[3]
Im 3. Bezirk im Bereich der Landstraßer Hauptstraße / Leberstraße wurden während des Kriegs große Stollenanlagen errichtet, deren Lage in der Kartographischen Sammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs verzeichnet sind. Diese unterirdischen Bauten wurden von der "Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien, Hauptabteilung Bauwesen, G 48" entworfen. In diesem unterirdischen Refugium waren viele Zugangsbauwerke und Gasschleusen, Entgiftungsgänge und Sanitätsbereiche eingeplant. Inwieweit diese Stollen tatsächlich realisiert worden waren, ist heute schwer zu überprüfen.
Die große Stollenanlage am Cobenzl, im Berg hinter dem ehemaligen "Schloßhotel Cobenzl" (19. Bezirk) - dort waren auch Verwaltungsstellen für die 8. Jagddivison der 24. Flakdivision untergebracht - wurde 2018 rasch von der Forstabteilung (Magistratsabteilung 49) zugeschüttet. Zuvor konnte diese bedeutende Anlage noch aufgrund einer Privatinitiative beschrieben werden.[4]
Die Stollenanlage unter dem Gallitzinberg (16. Bezirk), gebaut als Luftlagezentrale und Gaubefehlsstand für Baldur von Schirach, ist ein Sonderbauwerk im Bereich der Luftschutzbauten beziehungsweise Luftschutzbunker des Zweiten Weltkriegs. Diese Anlage bleibt jedoch verschlossen, ist aber vom Landesverein für Höhlenkunde in Wien und Niederösterreich gut vermessen worden und ausführlich dokumentiert.[5]
Referenzen
- ↑ Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien 1945-1947. Wien: Eigenverlag 1949, S. 246.
- ↑ Marcello La Speranza: Grabungsbericht. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 13 (2010).
- ↑ Baubetreuung: Magistratsabteilung 29 - Brückenbau und Grundbau, Ausführung: Firma Porr Technobau und Umwelt AG.
- ↑ Marcello La Speranza: Der Stollen hinter dem Schloss – die Wiederentdeckung. In: Döblinger Extrablatt 16 (Herbst 2017).
- ↑ Renato Schirer: Der Schirachbunker. In: Wiener Geschichtsblätter 62/2 (2007), S. 33-66.