Neustiftgasse
48° 12' 20.16" N, 16° 20' 48.02" E zur Karte im Wien Kulturgut
Neustiftgasse (7.), benannt (1862) nach der Vorstadt Neustift.
Einer der ältesten Verkehrswege des heutigen 7. Bezirks, der bereits um 1100 im Bereich der Vorstadt St. Ulrich entlang des Ottakringer Bachs bestanden haben dürfte; die angrenzende Siedlung Neustift (mit dem 1462 auf einer Insel des Bachs [erst 1840 eingewölbt] gelegenen Neudeggerhof [7]) ist ab dem 14. Jahrhundert urkundlich nachweisbar. Um 1550 entstanden Häuser oberhalb der heutigen Kirchengasse, die vor 1621 als Gemeinde Neustift von St. Ulrich abgetrennt wurden (Bezeichnung zwischen Kirchen- und Myrthengasse häufig "Auf dem Garten" beziehungsweise zwischen Myrthen- und Zieglergasse "Auf dem Acker").
Die Neustiftgasse wurde 1780 bis zur Kaiserstraße, 1896 bis zum Gürtel verlängert und war bis 1862 verschiedenartig benannt (Am Platzl oder Herrengasse, [unterer Teil bis zur Kirchengasse], Kapuzinergasse [am Spittelberg, 1770-1862], Stadelgasse [innerhalb der Vorstadt Schottenfeld, benannt nach dem Schottenstadel an der Ecke der Kaiserstraße]). Die platzartige Erweiterung vor den Häusern 28-36 beziehungsweise 33-41 hieß bis 1862 Am Strohplatzl (seinerzeit verkauften die Bauern hier zweimal wöchentlich Stroh; auch Am Platzl). Bis zur Erbauung der Markthalle fand hier auch der Neustifter Markt statt. Auf dem Areal Nummer 30-36 (Kellermanngasse 1-8, Lerchenfelder Straße 27-37) erstreckte sich bis 1788 der Oberhof mit den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden und Gärten (nach dem Ankauf durch das Schottenstift [1629] hieß er Schottenhof).
Gebäude
- Nummer 1: (Deutsches) Volkstheater
- Nummer 2 (Museumstraße 7): Trautsonpalais
- Nummer 3 (Museumstraße 5): Spaliermacherhaus mit dem ehemaligen Café Weghuber
- Nummer 5: "Zu den drei Brüdern"; Sterbehaus von Hofballdirektor Michael Pamer
- Bei Nummer 4: Mechitaristenkirche "Maria Schutz"; in einem Seitentrakt des Klosters bestand das Café Mitterhauser (heute Café Volkstheater)
- Nummer 6-8 (Mechitaristengasse 1): Dreifaltigkeitshof (7)
- Nummer 9: "Zum goldenen Kandl", Geburtshaus von Joseph Schreyvogel
- Nummer 11 (Gardegasse 15): "Zu den zwölf Aposteln"; 1899-1905 Wohnhaus von Helene Odilon (Gattin von Alexander Girardi)
- Nummer 14: 1937/38 mit Unterstützung des Kleinwohnungshausförderungsgesetzes erbaut
- Nummer 15: "Zum goldenen Schiff"; im Vorgängerhaus wohnte Barbara Roman, bekannt unter dem Namen Schmauswaberl.
- Nummer 17: Sterbehaus des Schauspielers Viktor Kutschera.
- Nummer 22: eingemauerter Christuskopf (1862; offenbar 1683 verschüttet) über der Tür zum ersten Hof des Durchhauses zur Lerchenfelder Straße
- Nummer 25: "Zum grünen Kleeblatt" (der alte Pfarrhof)
- Nummer 27: "Zur goldenen Weintraube" (Weintraubenrelief über dem Haustor), ein im Baukern aus dem 16. Jahrhundert stammendes und im 18. Jahrhundert umgebautes zweistöckiges Pawlatschenhaus mit bemerkenswertem Hof (1745-1925 im Besitz der Familie Fliesser); barocke Johannes-Nepomuk-Statue in einer Mauernische der Fassade. Wohnhaus von Adolf Müller
- Nummer 29 (St.-Ulrichs-Platz 5): Schmidthaus (in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbautes zweistöckiges Giebelhaus), stand bis 1802 als Gemeindehaus in Verwendung (benannt nach den nachfolgenden Besitzern, der Familie Schmidt).
- Vor Nummer 30: Schubertlinde (gepflanzt anläßlich des 100. Todestags Franz Schuberts vom Neubauer Männergesangverein und einem Mitglied der Familie Schubert).
- Nummer 32-34: Steinskulptur eines türkischen Reiters und Gedenktafel (hier soll sich das Zelt Kara Mustaphas befunden haben; dies trifft allerdings nicht zu, weil das Zelt des Großwesirs auf der Schmelz stand; hingegen war bei St. Ulrich eine türkische Batterie aufgefahren)
- Auf Nummer 32 wurde im Herbst 1903 durch Josef Hoffmann und Kolo Moser mit Unterstützung des Bankiers Wärndorfer das Atelier der Wiener Werkstätte begründete. Vor dem Haus Augustinbrunnen
- Nummer 37-41: Stefaniehof. Von 1909 bis 1910 befand sich hier das Kinematographentheater (Neubau).
- Nummer 40 (Döblergasse 2-4): erbaut 1909/10 von Otto Wagner
- Nummer 43: städtische Wohnhausanlage (errichtet 1954-1956 nach Plänen von Alexis Franken); oberhalb des Eingangstors Mosaik von Walter Behrens (1955; türkische Zeltstadt vor Wien)
- Nummer 44: Hier sollte ursprünglich (1873) das Raimundtheater erbaut werden (die Ausführung kam infolge des Börsenkrachs nicht zustande)
- Nummer 45: 1937 erbaut vom Wiener Assanierungsfonds
- Nummer 47: secessionistisches Wohnhaus, erbaut 1903 von Franz Czada (Reliefs "Entstehung des Brots" [Pflügen, Ernten, Säen, Backen])
- Nummer 52: 1937 mit Unterstützung des Kleinwohnungshausförderungsgesetzes erbaut
- Nummer 57: Gedenktafel (enthüllt 1906) für die Mutter Josef Lanners, Anna, die im Vorgängerhaus am 15. Jänner 1823 verstarb
- Nummer 67-69: Wohnhaus, erbaut 1904/1905 von Oskar Laske (mit für ihn charakteristischen originellen Putzdekor mit Bandelwerk und flachen, grotesken Masken); in die Putzoberfläche vertiefte Ornamentik in der Einfahrt. Im Vorgängerhaus (Nummer 67) bestand im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ein Theater, in dem Franz Berner mit seiner Kindertruppe Vorstellungen gab; die Bühne ging 1784 an Joachim Perinet über. Wohnhaus von Karl Farkas
- Nummer 71: Schlesierhof
- Nummer 75: Geburtshaus von Joseph Fahrbach (* 25. August 1804)
- Nummer 87: Wohnhaus in Jugendstilformen, erbaut von den Brüdern Alois und Josef Ludwig sowie Karl und Adolf Stöger
- Nummer 95-99: Schottenfelder Oberrealschule (eröffnet 1874); die Schultype entwickelte sich unmittelbar aus der 1770 gegründeten Real-Handlungs-Akademie (die sich bis 1775 1, Stoß im Himmel 3, und bis 1815 im Annakloster 1, Annagasse 3, befand)
- Nummer 96: Hier schrieb Wilhelm Wiesberg sein populärstes Lied "Der erste Schnee"
- Nummer 121: An der Wende zum 19. Jahrhundert bestand im Haus "Zum Falken" ein Theater, in dem die Bodmersche Theatergesellschaft spielte.
- Nummer 125: Geburtshaus von Hans Asperger
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
- ab 1863: ungerade Orientierungsnummern (ONr.) 1-77 und gerade ONr. 2-58: Pfarre St. Ulrich, Rest: Pfarre Alt-Lerchenfeld
- ab 1894: ungerade ONr. 143-151 und gerade ONr. 118-122: Pfarre Neulerchenfeld; sonst unverändert
- ab 1899: ungerade ONr. 1-77 und gerade ONr. 2-58: Pfarre St. Ulrich; ungerade ONr. 79-151 und gerade ONr. 60-122: Pfarre Alt-Lerchenfeld
(VII. 1894 wird das innerhalb des Gürtels liegende Stück der Koppstraße zur Neustiftgasse gezogen; seither ungerade ONr. 143-151 und gerade ONr. 118-122 in XVI, sonst VII. Seit 1905 ganz in VII).
Siehe auch:
ehemalige
- Neustiftgasse (16)
- Neustiftgasse (19, Oberdöbling)
- Neustiftgasse (19, Obersievering)
- Neustiftgasse (23)
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Bürgerschaft, B9 – Kommissionen: 3. Kuratorium für den Assanierungsfonds
- Wien Museum Online Sammlung: hochauflösende Abbildungen zur Neustiftgasse
Literatur
- Mitteilungen, Berichte, Notizen aus dem Bezirksmuseum Neubau 10/1983, S. 15 f.
- Bundesdenkmalamt [Hg.]: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Wien. II. bis IX. und XX. Bezirk. Wien 1993, S. 309 ff.
- Elfriede Faber: Wien in alten Ansichtskarten 6/7, S. 78 ff.
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Andreas Lehne: Jugendstil in Wien. Architekturführer. Wien: J & V Ed. ²1990, S. 87 ff.
- Wolfgang Mayer: VII. Neubau. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 7), S. 41 f.
- Wolfgang Mayer: Spittelberg. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Wiener Bezirkskulturführer, 27), S. 36
- Hans Rotter: Neubau. Ein Heimatbuch des 7. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1925, S.98 ff.
- Andreas Suttner: Das schwarze Wien. Bautätigkeit im Ständestaat. Wien: Böhlau 2017