Israelitischer Friedhof (1879-1916)
48° 9' 30.61" N, 16° 25' 57.15" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der Alte Israelitische Friedhof / Alte Israelitische Abteilung (11., Simmeringer Hauptstraße 230B; Zentralfriedhof, 1. Tor) wurde von 1879 bis 1916 belegt. Seit 1876 dient der Zentralfriedhof als gemeinsame Ruhestätte für Verstorbene aller Konfessionen, doch wurde beim ersten Tor im Jahr 1877 der jüdischen Gemeinde ein Areal von knapp 260.000 Quadratmeter als Begräbnisstätte überlassen.
Geschichte
Die Israelitische Kultusgemeinde strebte durch die im Rahmen der Eröffnung des Zentralfriedhofs angestrebte Zentralisierung des Bestattungswesens schon 1874 Verhandlungen mit der Gemeinde Wien zur Überlassung einer Grundfläche zur Errichtung eines abgesonderten Friedhofs an. Diese Verhandlungen verzögerten sich allerdings, weil durch die rituellen Bestimmungen der Juden über die Bestattung ihrer Verstorbenen, die in der jüdischen Auffassung wurzeln, die Begräbnisstätten zur Wahrung der ewigen Totenruhe zu erhalten, die Bewertung der abzutretenden Grundfläche erschwert wurde.
Der Gemeinderat beschloss am 30. Oktober 1874 der Kultusgemeinde die gewünschten 30 Joch Grundfläche mit der Auflage zu überlassen, dass die Kultusgemeinde sowohl zu den allgemeinen Verwaltungskosten als auch den Kosten der Baulichkeit des Zentralfriedhofs ohne konfessionellen Charakter einen dem Anteil der Flächen zueinander entsprechenden Beitrag zu leisten hatte. Für die in der Israelitischen Abteilung vorgesehenen Bauten musste die Kultusgemeinde die Gesamtkosten tragen. Der Vertragsentwurf wurde vom Gemeinderat am 20. Juli 1877 bewilligt und für die Überlassung von 20 Joch 826 Quadratklafter der Betrag von 36.929 Kronen 25 Kreuzer festgesetzt. Der Vertragsabschluss fand am 16. Oktober 1877, die physische Übergabe des Grundstücks am 29. Oktober statt.
Das große Zeremoniengebäude wurde von Frühling bis Herbst 1878 nach Plänen des Architekten Wilhelm Stiassny im historisierenden Stil erbaut, es verfügt über einen großen Zeremoniensaal mit reich verzierter Kassettendecke mit Plätzen für 400-500 Personen. An der Ostseite entstand ein kleiner Saal für circa 100 Personen.
Nach der Sperre des Währinger Friedhofs wurde im März 1879 die Israelitische Abteilung des Zentralfriedhofs bei Tor 1 eröffnet, am 5. März wurde mit der Belegung begonnen. Zuvor wurden aufgrund des am 18. Dezember 1878 erteilten Konsenses "zur Benützung der Leichenhofgebäude" die erforderlichen sanitätspolizeilichen und administrativen Vorkehrungen getroffen.
Zum Hauptteil des Zentralfriedhofs wurde durch eine mit Alleebäumen bepflanzte Straße eine symbolische Teilung hergestellt. Die Kultusgemeinde erhielt jedoch Eigentumsrecht an der Bestattungsanlage, jedoch gemäß des Vertrags vom Oktober 1877 abgeschlossenen Vertrags das Benützungsrecht mit der Zusicherung erteilt, dass die israelitische Abteilung so lange unantastbar bleibt, als nicht der gesamte Zentralfriedhof seiner Bestimmung für Tote entfremdet wird.
In den Jahren 1887, 1889 und 1912 wurden Erweiterungen durch den Erwerb von anschließenden Grundstücken bis zu dem aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zulässigen Höchstmaß durchgeführt. Bereits im Jahr 1909 wurde die Errichtung eines neuen Friedhofs erwogen und 1911 der Ankauf eines östlich an den Zentralfriedhof angrenzenden Grundstücks beschlossen.
Bis 1916 wurden hier circa 80.000 Verstorbene beerdigt, ab der Eröffnung am 4. April 1917 erfolgten die Beisetzungen am neuen Israelitischen Friedhof beim vierten Tor. In den Novemberpogromen 1938 wurde das vom Architekten Wilhelm Stiassny entworfene Zeremoniengebäude zerstört, im Jahr 1944 von etlichen Bomben schwer beschädigt und 1979 demoliert. Von den 60.000 Gräbern wurden 1945 fast 3.000 Grabanlagen, durch fehlgeleitete Fliegerbomben, zerstört. Der Friedhof steht nicht in der Verwaltung der Friedhöfe Wien GmbH, sondern wird von der Israelitischen Kultusgemeinde betreut. Von 1987 bis 2011 wurde der Friedhof saniert.
In der Alten Israelitischen Abteilung sind unter anderem Adolf Fischhof, Max Fleischer, Ludwig August Frankl, Karl Goldmark, Oskar Marmorek, Gustav Pick, Josef Popper-Lynkeus, Arthur Schnitzler, Maximilian Steiner und Friedrich Torberg (auf eigenem Wunsch) in Ehrengräbern begraben. Gemäß der jüdischen Bestimmung über die Erhaltung von Gräbern wird dieser Friedhof erhalten, obwohl hier seit 1916 keine Beisetzungen mehr stattfinden.
Künstlerische Gestaltung
Viele Gräber weisen eine künstlerische Vielfalt und Originalität auf: große neogotische Tempel, massive Grabwände mit "babylonischen" Pylonen, unübersehbare "ägyptische" Stileinflüsse, prächtige marmorne Scheinsarkophage für bedeutende Personen. Dies bezeugt die Eigenständigkeit der Grabkultur innerhalb der Gräber aus der Zeit des "Fin de Siècle".
Siehe auch: Zentralfriedhof, Israelitische Friedhöfe, Israelitischer Friedhof, Friedhöfe, Jüdische Geschichte.
Bestattete Personen
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 124 Einträge von Personen, die auf diesem Friedhof bestattet sind.
BildName des Bildes | Personenname | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum | Grabstelle |
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Max Adler (Soziologe) | Soziologe Philosoph | 15 Januar 1873 | 28 Juni 1937 | Gruppe 6, Reihe 19A, Nummer 21 | |
Anton Ascher | Schauspieler Theaterdirektor Politiker | 15 Juli 1820 | 21 April 1884 | Gruppe 6, Reihe 29, Nummer 56 | |
Eduard Bacher | Chefredakteur Parlamentsstenograph | 7 März 1846 | 16 Januar 1908 | Gruppe 50, Reihe 1, Nummer 101 | |
Sigmund Bachrich | Musiker Komponist | 23 Januar 1841 | 16 Juli 1913 | Gruppe 52, Reihe 7, Nummer 32 | |
Moriz Benedikt (Journalist) | Journalist Publizist | 27 Mai 1849 | 18 März 1920 | ||
Gerhard Bronner | Schauspieler Kabarettist | 23 Oktober 1922 | 19 Januar 2007 | Gruppe 6, Reihe 0, Grab 2 | |
Moritz Brunner (Pädagoge) | Pädagoge | 1846 | 3 Dezember 1908 | Gruppe 20, Reihe 3, Nummer 1C | |
Ignaz Brüll | Pianist Komponist | 7 November 1846 | 17 September 1907 | Gruppe 20, Reihe 1, Nummer 23 | |
Joel Deutsch | Pädagoge | 20 März 1813 | 1 Mai 1899 | Gruppe 7, Reihe 29, Nummer 1 | |
Sigmund Ehrlich | Journalist | 23 Dezember 1852 | 12 Februar 1932 | Gruppe 19, Reihe 56, Nummer 23 | |
… weitere Ergebnisse |
Video
Zur Übernahme, Erhaltung und Sanierung jüdischer Ehrengräber (wien.at, Erstausstrahlung 8. März 2012)
Quelle
Literatur
- Werner T. Bauer: Wiener Friedhofsführer. Genaue Beschreibung sämtlicher Begräbnisstätten nebst einer Geschichte des Wiener Bestattungswesens. Wien: Falter-Verlag 1988, S. 194-197
- Felix Czeike: XI. Simmering. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 11), S. 53
- Franz Knispel: Zur Geschichte der Friedhöfe in Wien. Wien: Wiener Stadtwerke - Städtische Bestattung 1992, Band 2, S. 110-117