Warenhaus
Ab Anfang des 19. Jahrhunderts begann man der Ausgestaltung der sich in den folgenden Jahrzehnten beträchtlich vergrößernden Verkaufsgeschäfte erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Das erste Warenhaus großen Stils, das ein ganzes Gebäude für sich in Anspruch nahm, entstand in Wien allerdings im Gegensatz zu anderen europäischen Großstädten, was vermutlich an den beschränkten Raumverhältnissen lag, erst 1865 (Haashaus). In der Folge entstanden zahlreiche Warenhäuser, die zumindest den überwiegenden Teil der betreffenden Gebäude einnahmen, darunter das Porzellanwarenhaus Wahliss, die Warenhäuser Anton Kranner und Jakob Rothberger, das Teppichhaus Schein, das Geschäftshaus Zwieback sowie die Warenhäuer Esders (heute Leiner), Herzmansky, Gerngroß und Stafa.
Neben den ursprünglich überwiegend in der Innenstadt und an der Mariahilfer Straße entstandenen Warenhäusern entstanden, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, weitere unter anderem in den Bereichen Landstraßer Hauptstraße, Favoritenstraße (10. Bezirk), Simmeringer Hauptstraße und Thaliastraße sowie jenseits der Donau (beispielsweise Donauzentrum, Shopping Center Nord). Vergleiche auch AEZ, Lugner-City. Gleichzeitig entstanden am Stadtrand sowie außerhalb der Wiener Stadtgrenzen (insbesondere Shopping City Süd in Vösendorf) als neuer Typus Großanlagen, in denen sich Firmen verschiedener Branchen zusammenschlossen.
Warenhausbau
Wegen des ökonomischen Druckes und der Konkurrenz war es erforderlich, die Fläche bestmöglich für den Verkauf zu nutzen (optimale Belichtungsverhältnisse, Auslegung der Ware auf Tischen, Verkauf durch wenig Angestellte) und die jeweilige Architektur zu modernisieren, unter anderem, indem neue Baumaterialien (Glas, Gusseisen, Stahl, Beton) verwendet wurden. Dazu wurden Metallständerkonstruktionen (nach dem Vorbild US-amerikanischer Wolkenkratzer) errichtet und vorgehängte Glasfassaden entwickelt. Die Beleuchtung galt einerseits als Zeichen der Verschwendung, andererseits aber als Zeichen des Fortschritts. Um unabhängig von der öffentlichen Energieversorgung zu bleiben, wurden eigene Heizungssysteme entwickelt und die Gebäude mit modernen Maschinenn ausgestattet; die selbst erzeugte Energie trieb auch Fahrstühle an; ab circa 1900 wurden Rolltreppen eingebaut.
Insgesamt kann gesagt werden, dass die Architektur der Warenhäuser von der der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs (Ähnlichkeit zu Markthallen) maßgeblich beeinflusst wurde. In Wien selbst gibt es keine einheitliche Architektur; zu unterscheiden sind unter anderem das Warenhaus (Verkauf eines breit gefächerten Warenangebots), das Kaufhaus (für einige verwandte Branchen), das Geschäftshaus (En-gros-Handel [auch für mehrere Firmen]) sowie die Mischung aus Wohn- und Geschäftshaus.
Angeboten wurden vor allem Waren aus der Textil- und Bekleidungs-, der Möbel- sowie der Porzellanbranche.
Zu den Bauten siehe auch: Warenhaus der Teppichfirma Philipp Haas und Söhne, Warenhaus Wahliss, Warenhaus Anton Kranner, Warenhaus Haas und Cžjžek, Rothbergers Warenhaus, Warenhaus Stephan Esders, Teppichhaus Samuel Schein, Geschäftshaus Zwieback, Warenhaus Neumann, Warenhaus Herzmansky, Warenhaus Gerngroß, Gustav Pollak (Warenhaus), Stafa.
Vorgängerbauten während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in Wien nur in geringer Anzahl; hierbei stechen zwei sogenannte Passagenbauten hervor: der Seitzerhof (heute Tuchlaubenhof) und das sogenannte "Lange Haus" (1., Rotenturmstraße 16, Köllnerhofgasse 5, mit langgestreckter, glasbedeckter, als Basar gestalteter Passage, nicht zu verwechseln mit dem Langen Haus in 8., Florianigasse 42-46). Dieser Baustil konnte sich in Wien allerdings nicht durchsetzen. Zwei weitere Vertreter dieses Stils sind das Bank- und Börsengebäude (ehemalige Oesterreichisch-ungarische Bank, 1., Herrengasse 14, Freyung 2, Strauchgasse 4) und der Kärntnerhof. Einige Geschäftlokale etablierten sich in der Passage zwischen Graben, Petersplatz und der Goldschmiedgasse (Häuserblock 1., Graben 26-28); ebenso der Aziendahof. Beim Stil der Passagenbauten ist erstmals offensichtlich, dass der Gewinn durch die effektive Nützung der Fläche zu steigern versucht wurde. Typisch dafür sind ab den 1870er Jahren unter anderem der Hof, der bisher nur zur Beleuchtung und zur Belüftung diente und nun mit Glas und Eisen überdacht war (meist zweischalige Konstruktionen) und für den Verkauf benutzt wurde (als erstes das Warenhaus Wahliss, zuvor auch als repräsentativer Verteilungsraum genutzt), oder das gedämpfte Licht.
Ein wesentlicher Unterschied zu den Gebäuden, die nur für den Handel benutzt wurden, ist die geteilte Fassade bei den gleichzeitig für Wohnraum benutzten Gebäuden. Diejenigen Geschoße, in denen die Wohnungen eingebaut waren, hatten eine andere Fassade; dies schien auch den Historismus (vorherrschend Neorenaissance) überwinden zu helfen. Mithilfe des neuen Baumaterials Eisen war es nun möglich, das Erdgeschoß mit weniger oder dünneren Pfeilern (Bau mit hochwertigem Stein oder Klinkerziegel aus Portlandzement beziehungsweise Umstieg auf Gusseisen, außerdem Verzicht auf Vollsäulen) zu stützen und somit die Schaufensterflächen zu vergrößern. Die neu eingesetzten Eisensäulen (Stützenkonstruktion) durften nicht immer offen gezeigt werden, laut der Bauordnung von 1883 (Landesgesetz- und Verordnungsblatt Nummer 35) mussten sie mit feuerhemmenden Materialien ummantelt werden. Überall dort, wo keine Ummantelung nötig war, wurde die betonte Trennung von Geschäfts- und Wohnbereich stärker sichtbar (siehe dazu Artariahaus und Portois & Fix als bedeutende Beispiele für diese Trennung).
Zusätzlich wurde versucht, die oberen Geschoße mit zum Beispiel Fliesen oder farblich zu verkleiden, um den Kontrast zu den unteren Geschoßen zu stärken (so etwa beim Warenhaus Wahliss mit kleinteilig dekorierten, bunten Fliesen aus Karlsberger Porzellan oder beim Warenhaus Haas und Cžjžek mit dunkelroten Marmorplatten). Hier ist noch die sogenannte Curtain-Wall-Fassade zu nennen. Hierbei handelt es sich um eine Verkleidung der Pfeiler mit Glastafeln und diversen Rahmungselementen aus Metall, welche meist die gesamte Geschäftszone betraf (Beispiele (als Vorläufer) dafür im Warenhaus Anton Kranner, in Rothbergers Warenhaus und im Warenhaus Neumann).
Als Höhepunkt der Gestaltung galten die Stiegenhäuser; entweder wurden sie direkt im Hof gebaut oder schlossen an den Höfen an. In den 1870er und 1880er Jahren wechselten die Architekten von funktionalen zu repräsentativen Zwecken. In den Wohnungs- und Geschäftshäusern kam zusätzlich die Frage auf, wie die Wohnungen erreicht werden sollten; dazu entschieden sich die Architekten, kleinere, funktionale, separate Stiegenhäuser einzubauen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass alle diese (innen-)architektonischen Gestaltungen bezweckten, dass sich die Besucherinnen und Besucher gehoben fühlten und sich der Exklusivität bewusst waren, was auch die Fülle der angebotenen Waren erzeugte (inklusive der Dekoration sollten diese alle Sinne ansprechen).
Literatur
- Andreas Lehne: Warenhäuser. In: Friedrich Dahm / Manfred Koller: Die Wiener Spinnerin am Kreuz. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 21)
- Andreas Lehne: Wiener Warenhäuser 1865-1914. In: Wiener Warenhäuser 1865-1914. Wien: Deuticke 1990 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 20), S. 3-59