Josefstadt (Vorstadt)
48° 12' 34.07" N, 16° 21' 2.02" E zur Karte im Wien Kulturgut
Josefstadt (8.), ehemalige Vorstadt.
Das Areal der nachmaligen Vorstadt (Flurnamen Im Burgfeld = Buchfeld, Bei den Ziegelöfen, Im neuen Feld, Auf den Schottischen Feldern) war bis Ende des 17. Jahrhunderts größtenteils unverbaut und bildete ein Zubehör des Guts Rottenhof, dessen Besitzer ab 1491 namentlich bekannt sind. Ab 1690 waren auf den zugehörigen Parzellen Häuser entstanden (8, Florianigasse 29, 31), 1697 setzte eine regere Bautätigkeit ein. Der Status des Besitzes als Freigut, das nicht der Stadt Wien, sondern den Landständen Österreichs unter der Enns steuerpflichtig war, wurde im Burgfriedensprivileg 1698 anerkannt. Marchese Yppolito Malaspina, der das Gut 1694 von seiner Gattin Anna Katharina geerbt hatte, verkaufte die so entstandene Vorstadt am 22. April 1700 an die Stadt Wien (Erstnennung), die ihr zu Ehren des damaligen Kronprinzen Joseph (ab 1705 als Kaiser Joseph I.) nach seinem Namenspatron den Namen Josephstadt gab (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wurde die Schreibweise Josefstadt gebräuchlich). Der steuerliche Status war in den folgenden Jahrzehnten zwischen der Stadt Wien und den Landständen strittig; im Bereich der Seelsorge hatte das Areal ursprünglich zur Pfarre St. Michael, ab etwa 1630/1646 zur Pfarre des Schottenstifts gehört, bis es 1719 der neu gegründeten Pfarre der Piaristen einverleibt wurde (die sich 1698 in der Vorstadt niedergelassen hatten Piaristenkirche und 1701 eine Schule errichteten).
Den einstigen Gutshof selbst überließ die Stadt Wien 1708 Ferdinand Karl Graf Weltz, von dessen Erben ihn 1721 um 28.000 Gulden der Marchese Hieronymus Capece de Rofrano kaufte (Auerspergpalais). Auch andere Adelige (beispielsweise Schönborn) kauften sich in der Josefstadt an; die Vorstadt erstreckte sich zwischen Florianigasse und Lerchenfelder Straße beziehungsweise Auerspergstraße-Landesgerichtsstraße und Piaristengasse. 1766 richtete ein Erdbeben beträchtlichen Schaden an. Um 1770 kennen wir die Lange Gasse, Schmidgasse, Kaisergasse (erwähnt ab 1778; seit 1862 Josefstädter Straße), Schwibbogengasse (seit 1862 Trautsongasse), Piaristengasse und Krebsgasse (seit 1862 Löwenburggasse). 1773 erhielt die Josefstadt ihre erste Trivialschule.
Von den Palais sind jene der Rofrano (Auerspergpalais), Schönborn (Schönbornpalais), Kolowrat, Caprara und Haugwitz (das 1772-1777 zu einer Kaserne adaptiert und 1850 durch die [1903 demolierte] Josefstädter Kaserne ersetzt wurde) erwähnenswert. 1831 und 1855 hatte die Josefstadt unter den Choleraepidemien zu leiden. Auch nach Schleifung der Befestigungsanlagen war die Josefstadt noch lange durch den Exerzier- und Paradeplatz (auf dem Josefstädter Glacis) von der Innenstadt getrennt, weshalb man diese nur über Umwege durch das Burg- oder Schottentor erreichen konnte. Die Vorstadt Josefstadt wurde im Zuge der Stadterweiterung von 1850 mit anderen Vorstädten als siebter Bezirk eingemeindet (seit 1861 achter Bezirk), wobei sich die Grenzen zum Nachbarbezirk Alsergrund (ursprünglich 8, seit 1861 9, Bezirk) mehrmals verschoben (Josefstadt). Am 5. Dezember 1866 wurde (laut Wiener Zeitung) mit der "Passageregulierung" zwischen der Stadt und dem Vorstadtbereich Josefstadt-Neubau begonnen.
Siegel
Die Vorstadt Josefstadt führte ein Grundgerichtssiegel, das den heiligen Josef als ganze Figur, nimbiert auf einem Boden (Rasen) stehend zeigt, in der Rechten einen Lilienstab, auf dem Linken Arm das Jesuskind, ebenfalls nimbiert. Auf einem Abdruck zu Füßen des Heiligen rechts und links Gebäude. Umschriften: a) IOSEPH STADT. B) GRUNDGERICHT IOSEPHSTADT. c) GEMEINDE * IOSEPHSTADT – ͌ * ͌ [florale Ornamente, in der Mitte fünfstrahliger Stern].
Das Siegel war 1904 eine Grundlage für die Gestaltung des Bezirkswappens Josefstadt.
Häuser
- 1683: etwa 50
- 1733: 80
- 1766: 146
- 1778: 146
- 1783: 146
- 1790: 146
- 1796: 165
- 1800: 165
- 1821: 188
- 1840: 209
- 1847: 230
- 1851: 229
- 1857: 231
- 1860: 232
Einwohner
- 1783: 7.245
- 1796: 7.689
- 1821: 8.840
- 1836: 10.314
- 1840: 10.926
- 1857: 13.669
Häusernummerierungen und -schematismen
In der Josefstadt wurden 1770 zum ersten Mal Konskriptionsnummern vergeben, in den Jahren 1795 und 1821 erfolgte eine Neunummerierung (Zur Übersicht über die Phasen der Nummerierungen der Häuser [Konskriptionsnummern] in der Vorstadt siehe: Häusernummerierung). Die folgenden Verlinkungen zu den Häuserschematismen sind chronologisch geordnet.
Nummerierung 1770
- Franz de Ponty: Verzeichniß der in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien sammt dazu gehörigen Vorstädten und Gründen befindlichen numerirten Häusern. Wien: Johann Joseph Jahn 1779
- Karl Hofer: Verzeichniß der in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien samt den dazu gehörigen Vorstädten und Gründen befindlichen numerirten Häuser. Wien: Joseph Gerold 1789
Nummerierung 1795
- Verzeichniß der in der k. k. Haupt- und Residenz-Stadt Wien sammt den dazu gehörigen Vorstädten und Gründen befindlichen numerirten Häuser. Wien: Joseph Gerold 1796
- Verzeichniß aller in der k. k. Haupt- und Residenz-Stadt Wien inner denen Linien befindlichen numerirten Häuser. Wien: Joseph Gerold 1798
- Joseph Johann Grosbauer: Vollständiges Verzeichniß aller in der kaiserlichen auch k. k. Haupt- und Residenz-Stadt Wien inner denen Linien befindlichen numerirten Häuser. Wien: Joseph Gerold 1805
- Joseph Johann Grosbauer: Vollständiges Verzeichniß aller in der k. k. Haupt- und Residenz-Stadt Wien inner denen Linien befindlichen numerirten Häuser deren Eigenthümer, Strassen, Gässen, Plätze, und Schilder. Wien: Gerold'schen Buchhandlung 1808
- Alois Edler von Fraißl: Verzeichniß aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien und sämmtlichen Vorstädten inner den Linien befindlichen numerirten Häuser und Plätze. Wien: Carl Gerold'sche Buchhandlung 1812
- Mathias Gutjahr: Vollständiges Verzeichniß aller in der k. k. Haupt- und Residenz-Stadt Wien und ihren Vorstädten befindlichen Straßen, Gassen, Plätzen und Häusern. Wien: Gerold 1816
Nummerierung 1821
- Mathias Guetjahr: Vollständiges Verzeichniß aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien und ihren Vorstädten befindlichen Straßen, Gassen, Plätze und Häuser. Wien: Gerold 1821
- Anton Behsel: Verzeichniß aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien mit ihren Vorstädten befindlichen Häuser. Wien: Gerold 1829
- Karl Ponschab: Darstellung der bei den Häusern in der Stadt und in den sämmtlichen Vorstädten Wiens einschreitenden Grundherrlichkeiten. Wien: PP. Mechitaristen 1829
- Anton Ziegler und Carl Vasquez: Die kaiserl. königl. Haupt- und Residenzstadt Wien mit ihren Vorstädten und nächsten Umgebungen. Wien: Christian Friedrich Schade 1830
- Neuester verbesserter Schema aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien und in ihren Vorstädten befindlichen Häusern. Wien: Stöckholzer von Hirschfeld 1833
- Anton Ziegler: Häuser-Schema im kaiserl. königl. Polizei-Bezirke Josephstadt: enthält die Vorstädte: Josephstadt, Altlerchenfeld und Strozzengrund. Wien 1837
- Neuester, verbesserter Schema aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien und in ihren Vorstädten befindlichen Häusern. Wien: Ulrich Klopf 1837ff.
- Carl Schwab: Neuer, verbesserter Häuser-Schema der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien mit ihren 34 Vorstädten, allen Neubauten und den angränzenden nahen Ortschaften. Wien: Singer und Goering 1843
- Neuester, verbesserter Häuser-Schema der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien mit allen Vorstädten, der Brigittenau, den Zwischenbrücken und den Praterhütten. Wien: Dorfmeister 1852
- Anton Ziegler: Neuester Wiener Häuser-Schema für das Jahr 1861 k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien mit sämmtlichen Vorstädten. Wien: Selbstverlag Ziegler 1861
Ortsrichter
- Rochus Weber (1699-1702, 1706-1710; Josefstädter Straße 23)
- Sebastian Wieselsberger (1703-1704; Piaristengasse 48)
- Johann Georg Schaller (1705, 1720-1721; Lange Gasse 33)
- Veit Wimmer (1710-1719, 1722-1726; Lange Gasse 49)
- Johann Georg Kollmann (1726-1760; Piaristengasse 50)
- Ludwig Schulz (1761-1765; Auerspergstraße 13)
- Mathias Föhrmann (1765-1789, 1793-1800; Piaristengasse 50)
- Josef Roth (1790-1793; Florianigasse 33)
- Nikolaus Veit (1801-1805; Lange Gasse 22)
- Josef Kroll (1806-1810; Lange Gasse 37)
- Franz Gerl (1810-1825; Lange Gasse 29)
- Josef Moser, Apotheker (1825-1836; Josefstädter Straße 30 [Apotheke "Zum goldenen Löwen"])
- Josef Schmid (1837-1854 [ Gemeinderat 1848-1854]; Lange Gasse 21; Schmidgasse)
- Franz Thill (1854-1861; Albertgasse 35).
Quellen
Literatur
- Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. XI, Taf. E
- Anton Jung: Beschreibung und Abdruck der Grundgerichts-Siegeln sämmtlicher Vorstädte und Gemeinden der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien, [Wien] 1829, S. 14
- Ferdinand Opll: Erstnennung von Siedlungsnamen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 2), S. 36
- Heinrich Weigl: Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich. Wien: Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien 1964-1975 3/2, S. 191
Bevölkerungsgeschichte
- Andreas Weigl: Eine Neuberechnung der Bevölkerungsentwicklung Wiens nach Bezirken 1777-1869. In: Wiener Geschichtsblätter 50 (1995), S. 219-238
- Ignaz de Luca: Topographie von Wien. Bd. 1, Wien: Thad. Schmidbauer 1794, S. 61
- Ignaz de Luca: Statistische Fragmente. Wien: C.P. Rehm 1797, S. 50
- Johann Karl: Detaillirte Darstellung der Bevölkerung der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien und der Vorstädte ... nach der letzten Conscription im Jahre 1840
- Niederösterreichische Handels- und Gewerbekammer (Hg.), Statistische Übersicht der wichtigsten Productionszweige in Oesterreich unter der Enns. Wien: L. Sommer 1855
- G.A. Schimmer: Die Bevölkerung von Wien. In: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 1 (1865), S. 14, 26