Ottakringer Brauerei

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Schrägluftaufnahme der Ottakringer Brauerei, 1997
Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation Brauerei
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1837
Datum bisDatum (oder Jahr) bis
Benannt nach Ottakring
Prominente Personen Ignaz von Kuffner, Gustav II. Harmer
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  26448
GNDGemeindsame Normdatei 10082164-9
WikidataIDID von Wikidata Q672384
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Bier, Brauhäuser, Langes 19. Jahrhundert, Zwischenkriegszeit, NS-Zeit, Zweiter Weltkrieg, 1945 bis heute
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 27.09.2024 durch WIEN1.lanm08trj
BildnameName des Bildes Flugbild Ottakringer Brauerei.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Schrägluftaufnahme der Ottakringer Brauerei, 1997
  • 16., Ottakringer Platz 1
  • 16., Ottakringer Straße 91-93
  • Aktiengesellschaft Ignaz Kuffner & Jacob Kuffner für Brauerei, Spiritus- und Presshefefabrikation Ottakring-Döbling (1905, bis: 1938)
  • Ottakringer Brauerei, Spiritus- und Presshefefabriks- Aktiengesellschaft (1938, bis: 1986)
  • Ottakringer Brauerei AG (1986)

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48° 12' 46.57" N, 16° 19' 26.83" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Die Ottakringer Brauerei am Generalstadtplan von 1904

Die Ottakringer Brauerei (16., Ottakringer Platz 1, Ottakringer Straße 91-93; "Ottakringer Brauerei Harmer AG") wurde 1837 von Heinrich Plank gegründet. 1850 wurde sie von der Familie Kuffner gekauft, modernisiert und erweitert. 1938 musste die Familie Kuffner die Brauerei unter Druck des NS-Regimes verkaufen. Heute ist die Ottakringer Brauerei die letzte unabhängige Großbrauerei Wiens.

Anfänge

1837 kaufte der Müllermeister Heinrich Plank sieben Bauparzellen auf dem Pfarracker der Ried Paniken in Ottakring. Er suchte am 12. Mai 1837 im Stift Klosterneuburg um Genehmigung zum Bau eines Brauhauses an (Bewilligung im September 1837), das 1838 eröffnet wurde. Im Haus "Zu den drei Röserln", dem Stammhaus des 8.000 Quadratmeter großen Betriebs, wurde eine Bierschank mit Tanzsaal und großem Biergarten eingerichtet. 1843 vergrößerte Plank seinen Betrieb und erwarb neue Grundstücke. 1848 verfügte die Ottakringer Brauerei bereits über einen eigenen Gärkeller, eine neue Malztenne, Stallungen, erweiterte Lagerräume und Wohnungen. Im Brauhaussaal fanden Bälle, Theateraufführungen und Konzerte statt.

Die Ära Kuffner

Historische Ottakringer Brauerei

Wegen Überschuldung verkaufte Plank am 8. März 1850 die Brauerei und das nunmehr rund ein Hektar große Anwesen an die jüdischen Vettern Ignaz Kuffner und Jakob Kuffner. Die beiden kamen aus Lundenburg (heute Břeclav) und betrieben ab 1856 in Oberdöbling und gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern ab 1878 auch in Hernals Brauereien. 1856 wurde in Ottakring die erste Dampfmaschine in Betrieb gestellt und das Kleingewerbe dieses Vorortes profitierte von den Aufträgen Kuffners. 1862 wurde eine Spiritus- und Presshefefabrik errichtet. 1876 erfolgten die Aufstockung der Binderei, der Lagerräume und des Wasserreservoirs sowie die Vergrößerung der Presshefefabrik. Die Brauerei verwendet bis heute für ihr Bier kein Wasser der Hochquellenwasserleitungen, sondern nur Wasser aus eigenen Brunnen. Ignaz von Kuffner galt als sozialer Arbeitgeber und stellte seinen Arbeitern zum Beispiel eine eigene Werksküche zu günstigen Preisen zur Verfügung. Er war 1869-1882 Bürgermeister von Ottakring und engagierte sich vor allem für den Ausbau der Infrastruktur und für die Kinder in seinem Vorort durch die Unterstützung des Baues von Kinderbewahranstalten und Schulen. 1878 wurde er in Anerkennung seines Wirkens im Brauwesen sowie aufgrund seiner humanitären Verdienste als "Edler von" in den Adelsstand erhoben.

Plan der Ottakringer Brauerei, 1879

Nach dem Tod von Ignaz von Kuffner ging das Unternehmen 1882 an seinen Sohn Moritz über. 1890 kam es zum Neu- und Zubau zur Presshefefabrik, 1891 wurde ein Maschinenhaus erbaut, und 1901 wurden neue Arbeiterwohnungen errichtet. Bei der Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft (22. Mai 1905) unter Einbeziehung der Zucker- und Spiritusfabriken anderer Familienmitglieder in Diószegh ergab sich ein Gesamtaktienkapital von fast zehn Millionen Kronen. Aktionäre waren ausnahmslos Familienangehörige. 1913 umfasste die Ottakringer Brauerei rund 40.000 Quadratmeter (neben dem Brauereikomplex an der Ottakringer Straße auch Stallungen und Lagerplätze in der Thaliastraße, Haslingergasse und Arnethgasse). Das Sudhaus verfügte über umfangreiche Maisch- und Läuterbottiche; die Gärbottiche bestanden zum Teil bereits aus Beton und fassten je nach Größe 60-500 Hektoliter Bier.

Bierdeckel, nach 1905

Moritz Kuffner war ein bekannter Alpinist, gründete die Kuffner-Sternwarte und baute vis-à-vis der Brauerei ein Stadtpalais, heute Palais Harmer genannt. 1905 schloss er den ersten Kollektivvertrag einer Brauerei in der Monarchie ab und engagierte sich als Präsident des Brauherrenvereins für Wien und Umgebung von 1900 bis 1903 um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Wiener Brauereiarbeiter.

Die Ära Harmer

Nach dem "Anschluss" Österreichs (1938) musste die Familie Kuffner emigrieren. Die gesamte Ottakringer Brauerei musste an Gustav II. Harmer verkauft werden, obwohl dieser vorerst nur an der Hefeproduktion interessiert war. Moritz Kuffner und seine beiden Söhne konnten nur mit Mühe und unter Zurücklassung eines Großteils seines Vermögens, unter anderem einer umfangreichen Bildersammlung, das Land verlassen. Zur Arisierung der Brauerei wurde von einer Historikerkommission unter der Leitung von Oliver Rathkolb festgestellt: "In der Gesamtbeurteilung kann festgehalten werden, dass die Familie Harmer sowohl 1938 als auch nach 1945 bestrebt war, eine – unter den Rahmenbedingungen des NS-Regimes – korrekte Abwicklung des durch die Gestapo-Drohungen gegenüber der Familie Kuffner initiierten Verkaufs durchzuführen."[1]

Gustav Harmer und sein Bruder Dr. Robert führten die Brauerei erfolgreich durch die Jahre des Zweiten Weltkriegs, konnten aber ab 1940 nur mehr gewässertes Dünnbier erzeugen.

In der NS-Zeit wurden in einem Lager im gegenüberliegenden Baldiahof (16., Ottakringer Straße 102) Zwangsarbeiter der Ottakringer Brauerei untergebracht.

Gegen Kriegsende zerstörten Bomben die Mälzerei und nach Kriegsende wurde die Brauerei von sowjetrussischen Truppen besetzt. Sie konnte zwar ab dem 21. Juni 1945 die Bierproduktion wieder in größerem Umfang aufnehmen, wurde aber wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit von Gustav Harmer unter treuhändische Verwaltung gestellt. Erst 1946 kehrten er und sein Bruder Robert in das Unternehmen zurück und legalisierten den Erwerb von 1938.[2] 1956 wurden die Pferdefuhrwerke durch LKWs ersetzt. Das letzte Pferd kam 1959 ins Ausgedinge. Erst 1961 übertraf man bei der Bierproduktion erstmals seit 1930 wieder die 200.000 Hektoliter-Marke.

Am 1. Juli 1977 verließ die Ottakringer Brauerei das Bierkartell (gegründet 1907, aufgelöst 1981). Die Ottakringer Brauerei ist seit 1978 (Verkauf der Schwechater Brauerei im damaligen Besitz von Mautner Markhof an die Brau AG) die einzige selbständige Großbrauerei im Wiener Umland.

Nach langjährigen familiären Differenzen wählte man 1978 für die frühere „Ottakringer Brauerei Harmer AG" die Form einer Familien-AG. Am 1. Jänner 1984 wurde der Brauereibetrieb mit der gesamten Getränkeherstellung als AG von der Ottakringer Hefe- und Spiritusfabrik (16., Ottakringer Straße 89) getrennt, die als Schwesterbetrieb der Brauerei in Form einer GmbH geführt wird. Im November 1986 konnte die geplante Mitarbeiter- und Kundenbeteiligung an der Ottakringer Brauerei verwirklicht werden. Der Bierausstoß, der 1848 12.572 Hektoliter 1898 212.582 Hektoliter und 1948 95.080 Hektoliter betragen hatte, erreichte 1987 408.163 Hektoliter.

Die Ära Wenckheim und Menz

1995 verkaufte Gustav Harmer die Mehrheit seiner Ottakringer-Anteile an seinen Schwager Engelbert Wenckheim und zog sich 1998 vollkommen aus der Brauerei zurück. Wenckheim arbeitete seit 1984 eng mit Siegfried Menz zusammen, der 2000 gemeinsam mit seiner Tochter Christiane als seine Nachfolger in den Vorstand einzogen. Mit neuen Biermarken ("Goldfassl Pils" und "Goldfassl Spezial" und dem alkoholfreien Bier "Null Komma Josef") konnten neue Käuferschichten angesprochen werden. Dazu kam ein neues Flaschendesign, der Erwerb von Konzessionen für nichtalkoholische Getränke, die Vergabe von Lizenzen (insbesondere nach Osteuropa) und gezielte Werbestrategien, womit neben dem heimischen Markt auch zusätzliche Märkte (beispielsweise Ungarn, Slowakische Republik, Italien und Länder der ehemaligen UdSSR) erschlossen werden konnten. Ebenso wird versucht, an den seit dem letzten Jahrzehnten wachsenden Craft-Bier-Markt anzuknüpfen, den die Brauerei durch Gründung einer eigenen Craft-Bier-Brauerei BrauWerk zu erreichen versucht. Der gesamte Ausstoß erreichte 2016 rund 530.000 Hektoliter Bier und an sämtlichen produzierten Getränken fast 1 Million Hektoliter. Die alte Bausubstanz ist heute großenteils noch erhalten, wurde aber für moderne Brautechnik (computergesteuertes Sudhaus, oberirdische Lagerkeller) adaptiert.

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Michael Darthé: Ottakringer - Eine Unternehmensgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Eigentümerverhältnisse. Wien: LIT 2007, S. 57 f.
  • Geschäftsberichte der Ottakringer Brauerei
  • Alfred Paleczny: Wiener Brauherren – Das goldene Bierjahrhundert. Wien: Löcker Verlag 2014, S. 139-172
  • Christian M. Springer / Alfred Paleczny / Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Wien: Böhlau 2016, S. 115-130
  • Christian M. Springer: Historische Brauerei-Topographie Wien. Die Brauereien auf dem Gebiet des heutigen Stadtgebietes. Wien 2023, S. 84-89
  • Christoph Wagner: Wiener Bier. 150 Jahre Ottakringer Brauerei. Wien: Eigenverlag 1987

Referenzen

  1. Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich, Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Wien 2003.
  2. Michael Darthé: Ottakringer - Eine Unternehmensgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Eigentümerverhältnisse. Wien: LIT 2007, S. 57 f.