In älterer Zeit wurden Waisenkinder in Stiftungshäusern oder Klöstern untergebracht. 1572 richtete die Stadt Wien im verlassenen Büßerinnenkloster ein Waisenhaus für Mädchen ein, doch wurden die Waisen schon 1589 nach Sankt Niklas (1., Singerstraße) transferiert (die dortigen Franziskaner kamen ins Büßerinnenkloster; Franziskanerkloster). Als 1624 Clarissen aus Pressburg nach Wien kamen und in das Kloster einzogen, kamen die Mädchen ins Bürgerspital. 1663 wurde in der Kärntner Straße die Stiftung des Freiherrn von Chaos errichtet (Chaossches Stiftungshaus), dessen Insassen 1736 in ein neu erbautes Haus auf der Laimgrube (Stiftkaserne) und von dort später in das Haus des kaiserlichen Hof- und Kammerjuweliers Johann Caspar Prenner in der Währinger Straße verlegt wurden.
Inzwischen hatte 1742 der Fabrikant Johann Michael Kienmayer am Rennweg ein Waisenhaus (3) eingerichtet. Am 14. Oktober 1785 kamen die Kinder aus diesem, zusammen mit den Zöglingen der Chaosschen Stiftung, in das Spanische Spital, das von da an "Waisenhaus auf dem Alsergrund" genannt wurde (Waisenhaus (9)).
Anfang der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts begann die Gemeinde aufgrund gesetzlicher Regelungen (insbesonders Heimatrechts-Gesetz vom 3. Dezember 1863) mit dem Bau von städtischen Waisenhäusern. Das erste (bereits 1862 entstandene) auf dem Schottenfeld (7., Kaiserstraße 92) wurde 1864-1866 erweitert (Zubau 1871-1873), das zweite wurde ab 1863 in Margareten (5., Gassergasse 19, Laurenzgasse 1) erbaut (im Garten entstand 1888-1890 ein städtisches Asyl für verlassene Kinder), das dritte am Alsergrund (9., Galileigasse 6-8; erbaut 1874-1877 [zu den Zöglingen gehörte der spätere Bürgermeister Karl Seitz]; 1918 in Sonderschule umgewandelt, seit 1945 Volkshochschule Wien-Nordwest), das vierte (nach der 1874 erfolgten Eingemeindung) in Favoriten (10., Keplergasse 13; erbaut 1877-1881), das fünfte in der Josefstadt (8., Josefstädter Straße 93-95; erbaut 1880; verbunden mit den Stiftungen von Peter und Caroline Sanetty (Sanettystraße), durch die Erweiterungen möglich wurden) und das sechste in Döbling (19., Hohe Warte 3). Außerdem wurde 19., Hohe Warte 5, das Gräfin-Franziska-Andrassysche Waisenhaus betrieben, das die Gräfin in einer von Theophil von Hansen erbauten zweistöckigen Villa eingerichtet hatte.
Das Waisenhaus des Evangelischen Waisenversorgungsvereins befand sich 5., Wienstraße (Rechte Wienzeile) 44, jenes für israelitische Waisenknaben (Freiherr-Max-Springersches Waisenheim) in 15., Goldschlagstraße 84, wogegen sich die Waisenhäuser für israelitische Waisenmädchen in Döbling befanden (19., Ruthgasse 21, Stiftung von David von Outmann, erbaut 1889-1891; 19., Bauernfeldgasse, Stiftung von Charlotte Merores-Itzeles, erbaut 1902-1904 [1900 wurde das Meroressche Stiftungshaus 9., Währinger Straße 24 erbaut]). Das Gisela-Armen- und Waisenstiftungshaus bestand in 12., Vierthalergasse 15 und 17, das Waisenhaus "Mater misericordia" für arme Mädchen in 15., Clementinengasse 25. Zu den Häusern des Katholischen Waisen-Hilfsvereins gehörten das "Norbertinum" in Tullnerbach, das Stephaneum und der Perlashof in Biedermannsdorf sowie das Liebfrauenheim in Hietzing (Trauttmansdorffgasse 15).
Bilder
Literatur
- Die Armenpflege in den Wiener städtischen Waisenhäusern und im städtischen Asyle für verlassene Kinder. Wien: Selbstverlag des Magistrates 1894
- Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 409 f.
- Josef Karl Mayr: Wien im Zeitalter Napoleons. Staatsfinanzen, Lebensverhältnisse, Beamte und Militär. Wien: Gerold in Kommission 1940 (Abhandlungen zur Geschichte und Quellenkunde der Stadt Wien, 6), S. 107
- Franz Gallistl: Die Waisen-Reform, wie selbe vom Gemeinderathe Wiens in der Zeit von 1861-1863 durchgeführt wurde. 1863
- Die Armenpflege in den Waisenhäusern der Stadt Wien. Wien: Selbstverlag des Magistrates ²1888
- Die Landstraße in alter und neuer Zeit. Ein Heimatbuch. Hg. von Landstraßer Lehrern. Wien: Gerlach & Wiedling 1921, S. 93 f.
- Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag 1918, S. 438 f.
- Adolf Wolf: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien: Selbstverlag 1981, S. 115 f.
- Von Spaniern, Ärzten und Waisenkindern. In: Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund. Band 33, Wien: Museumsverein Alsergrund 1967
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 2: Die Gemeinde, ihre Verwaltung und sozialen Belange, Wirtschaftsleben, Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, Volkskunde, Naturwissenschaft, Klimatologie, Meteorologie, Naturereignisse, Varia und Kuriosa. Wien: Jugend & Volk 1955, S. 23 ff.
- Silvia Ursula Ertl: Geschichte der Caritas der Erzdiözese Wien. Die verbandliche Organisierung 1897-1921. Linz: Wagner Verlag 2022