Bürgerspital (Grundherrschaft)
Entstehung
Das um die Mitte des 13. Jahrhunderts gegründete Wiener Bürgerspital erhielt durch Schenkungen und letztwillige Widmungen, aber auch durch gezielte Käufe beträchtlichen Haus- und Grundbesitz. Ein Teil davon stand unter seiner Grundherrschaft. Dies zeigt bereits das erste 1305 angelegte Grundbuch des Bürgerspitals, bei dem es sich um das älteste im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrte Grundbuch überhaupt handelt. Die Mehrzahl der Besitzungen war über den gesamten städtischen Burgfrieden und auch das nähere und weitere Umland der Stadt verstreut, vereinzelt gab es aber auch schon im Mittelalter grundherrschaftliche Komplexe, wie etwa im Bereich Annagasse.
Verwaltung
Die grundherrschaftliche Verwaltung des Bürgerspital hatte ihren Sitz zuerst im Bürgerspital vor dem Kärntnertor, nach 1529 im neuen Bürgerspital in der Stadt. Unter Leitung des Bürgerspitalmeisters verwaltete die Grundstube, der der Grundschreiber (ab den 1770er Jahren Grundbuchhandler) vorstand, den Besitz. Grundstückstransaktionen hatte der Spitalmeister gemeinsam mit den Superintendenten des Bürgerspitals abzuwickeln. Grundherrschaftliche Angelegenheiten, vor allem die Ausübung der Jurisdiktion über die Spitaluntertaninnen und -untertanen, wurden in regelmäßigen gemeinsamen Sitzungen der Superintendenten, des Spitalmeisters und des Spitalanwalts abgehandelt, die ab 1606 nachweisbar sind.
Besitzungen
Das Bürgerspital verfügte über zahlreiche grundherrschaftliche Besitzungen in der Stadt sowie den Vorstädten und Vororten und war damit einer der größten Grundherren in Wien und dem Umland. Von 1542 bis 1747 und neuerlich von 1784 bis 1806 besaß das Bürgerspital die Grundherrschaft über den Vorort Penzing. 1569 erwarb das Bürgerspital das Amt Nußdorf, das bis 1794 in seinem Besitz war. Von 1588 bis 1688 war das Bürgerspital Grundherr im Unteren und Oberen Werd, wodurch ihm auch von der seit 1625 dort ansässigen jüdischen Gemeinde Abgaben zuflossen. Von 1693 bis 1795 hatte das Bürgerspital auch die Grundherrschaft über den Spittelberg inne, von ca. 1730 bis ebenfalls 1795 zudem über Reinprechtsdorf. In den genannten Vorstädten und -orten stellte das Bürgerspital den größten Grundherrn und hatte daher auch die Dorfobrigkeit inne. Das Spital besaß zudem weitere grundherrschaftliche Besitzungen in anderen Vorstädten und -orten sowie in weiter entfernt gelegenen Gebieten des Landes unter der Enns. Die grundherrschaftliche Verwaltung vor Ort übte jeweils ein eigener Grund- oder Dorfrichter aus.
Im Verlauf der Frühen Neuzeit wurden die (unter anderem grundherrschaftlichen) Besitzungen verschiedener Institutionen bzw. Organisationen dem Bürgerspital inkorporiert: (Pilgramhaus 1539, Bruderschaft „Unserer Liebe Frau“ 1541, Nikolaikloster 1624, Spital St. Marx 1706). 1779 unterstanden dem Bürgerspital 5,4 % der Hausgründe innerhalb der Linien (Spittelberg, Landstraßer und Erdberger Gebiet). 1784 waren dem Bürgerspital insgesamt 425 Häuser im Wiener Raum untertänig (Spittelberg, Reinprechtsdorf, Wieden, Erdberg, Simmering, Breitensee, Hernals, Nußdorf, Heiligenstadt, Brunn am Gebirge). Im Zug der Veränderungen unter Joseph II. in den 1780er Jahren wurden die Besitzungen dem neugeschaffenen Bürgerspitalfonds einverleibt und ein Großteil davon bereits in den 1790er Jahren verkauft.
Wälder
Das Bürgerspital verfügte über Waldungen im Wiener Umfeld:
- Kalksburger Wald, auch Breitenfurter Wald, seit 1289
- Erster Weidlingauer Wald, auch Wurzbacher Forst, in der Katastralgemeinde Hadersdorf gelegen, seit 1315
- Zweiter Weidlingauer Wald, auch Rotwasserwald genannt, gelegen in der Katastralgemeinde Purkersdorf am Gelben Berg, seit 1386
- Hadersdorfer Bürgerspitalwald, bestehend aus zwei Teilstücken um den Kolbeterberg, seit 1542
- Gablitzer Bürgerspitalwald, 1387 bzw. 1706
- Auwald an der Donau: a) die Obere Spitalau oder Spittelau, seit 1373, b) die Untere Spitalau, seit 1377; Stadtgut, Schüttau
Grenzsteine und Grenzsteintypen
Mittels Grenzsteinen markierten die Grundherrschaften ihre Territorien. Bereits in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Weistümern und Banntaidingen werden das Setzen, Versetzen und der generelle Umgang mit Grenzzeichen eingehend thematisiert und Vergehen in Bezug auf diese Materie streng bestraft.
- Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 1; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 2; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 3; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 4; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 5; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 6; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 7; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 8; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 9; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 10; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 11; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 12; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 13; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 14; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 15; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 16; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 17; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 18; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 19; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 20; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 21; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 22; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 23; Bürgerspitalwald Grenzsteintyp 24
Privilegien und Monopole
Das Bürgerspital verfügte über das handelspolitisch bedeutsame Privileg zur alleinigen Vergabe von Konzessionen (Gewähren) für Leinwandhandlungen im Wiener Stadtgebiet. Es hielt seit 1432 das Monopol für Bierbrauerei und Bierausschank in der Innenstadt und im gesamten Bereich des Burgfrieds.
Quellen
Grundbücher
Allgemein:
- Zur Topographie und Besitzgeschichte des Wiener Raums, vor allem von Mariahilf, Gumpendorf, Rustendorf, Spittelberg, Spittelau, Penzing, Hernals, Döbling, Nußdorf, Heiligenstadt, Grinzing, Sievering, Kalksburg, Klosterneuburg, Wampersdorf (Niederösterreich, Bezirk Baden), Weigelsdorf (Niederösterreich, Bezirk Baden): Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 6 - Grundbuch Bürgerspital ca. 1300-1880
- Ehemaliger Bürgerspitalbesitz, der von der Stadt Wien erworben wurde: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 2 - Grundbuch Erwerbungen der Stadt Wien 1621-1860
- Vor allem zu Landstraße, Margareten, Matzleinsdorf, Gumpendorf, Laimgrube, Mariahilf, Meidling, "vor der Lerchenfelder Linie", "gegen die Schmelz", Hernals, Grinzing, Nussdorf; Grundherrschaft Bürgerspital bis 1699: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 9 - Grundbuch Domkapitel 1440-1880
- Bürgerspital über Kapelle St. Marx: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 23.B23.13 - Dienst-, Gewähr- und Satzbuch | 1556-1746
Bürgerspital in der Leopoldstadt:
- Vor allem zu Besitzungen im 2. und 9. Bezirk (Oberer und Unterer Werd) und Weißgerber: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 106 - Grundbuch Bürgerspital 1425-1849
- Zur "Judenstadt": Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 107 - Grundbuch Bürgerspital 1632-1786
Bürgerspital auf der Landstraße:
- Vor allem zu Erdberg ("in der Mitterpeunt", "auf der St. Pauluskirche"): Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 114 - Grundbuch Bürgerspital 1743-1784
- Zu Erdberg "St- Paulusgrund": Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 115 - Grundbuch Bürgerspital 1811-1846
- Zur Landtsraße: Pfarrer zu Penzing, 1593-1802 Grundherrschaft Bürgerspital: Wiener Stadt-und Landesarchiv, Grundbücher, 119 - Grundbuch Pfarrer zu Penzing 1433-1591
Bürgerspital auf der Wieden:
- Vor allem zu Landstraße, Rennweg, Wieden, Gumpendorf, Windmühle: Wiener Satdt- und Landesarchiv, Grundbücher, 123 - Grundbuch Bistum Wien 1726-1849
Bürgerspital in Margareten
- Vor allem zu Reinprechtsdorf: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 131 - Grundbuch Bürgerspital 1748-1880
Bürgerspital am Alsergrund:
- Vor allem zu Althan und Rossau: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 151 - Grundbuch Bürgerspital (1561)-1866
Bürgerspital in Simmering:
Bürgerspital in Penzing:
- Vor allem über Baumgarten und Penzing: Herren von Rappach, 1542-1747 und 1780-1798 Grundherrschaft Bürgerspital: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 180 - Grundbuch Herren von Rappach 1415-1880
- St. Andreas Kapelle, 1569 Grundherrschaft Bürgerspital: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 181 - Grundbuch St.-Andreas-Kapelle 1492-1571
- Herrschaft Breitensee: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 185 - Grundbuch Bürgerspital 1633-1804
- Zu Unterbaumgarten: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 190 - Grundbuch Bürgerspital 1762-1796
Bürgerspital in Rudolfsheim-Fünfhaus:
- Vor allem zu Fünfhaus und Rustendorf: Grundherrschaft St. Moranduskapelle, Grundherrschaft Bürgerspital 1705: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 200 - Grundbuch Moranduskapelle 1405-1797
- Herrschaft Penzing, vor allem zu Fünfhaus, Reindorf und Rustendorf: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 201 - Grundbuch Bürgerspital 1749-1880
Bürgerspital in Hernals:
Bürgerspital in Döbling:
- Herrschaft Oberdöbling: Winer Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 223 - Grundbuch Bürgerspital 1755-1800
- Herrschaft Untersievering, Grundherrschaft Bürgerspital seit 1796: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 226 - Grundbuch Bürgerspital 1759-1826
- Vor allem zu Hütteldorf, St. Veit, Hernals, Döbling, Grinzing, Heiligenstadt, Nussdorf, und Sievering: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 230 - Grundbuch Vizedom 1753-1880
Bürgerspital in Floridsdorf und Donaustadt:
- Vor allem zu Kagran und Stadlau: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher, 238 - Grundbuch Bürgerspital 1845-1885
Patrimoniale Verrwaltung
- Allgemein:
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Patrimoniale Verwaltung und Justiz, Herrschaft Bürgerspital 1583-1848
- Speziell:
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Patrimoniale Verwaltung und Justiz, 125 - Herrschaft Bürgerspital über Hernals 1729-1808
Die Grundherrschaft in Karten
Speziell zu den Wäldern:
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, P1, 1049
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, P1, 1050
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Pläne aus dem Bestand Bürgerspital, P1.545 - Lagebuchpläne Bürgerspital: Außenbezirke, Niederösterreich 1883
Literatur
- Michael Altmann: Das Wiener Bürgerspital. Zur Erinnerung an die Eröffnung des neuen Bürger-Versorgungshauses in der Alservorstadt. Wien: Selbstverlage des Bürgerspitalamtes 1860, S. 10–13, 34–42
- Joseph Holzinger: Hausgeschichte des Bürgerspitals zu Wien. Unveröffentlichtes Manuskript 1857–1860 [WStLA, Handschriften: A 240], Teil 2/1, Bogen 49 ff., 122 ff., 162 ff.; Teil 2/2, Bogen 20 ff., 91 f.
- Thomas Just: Das patrimoniale Gericht des Wiener Bürgerspitals in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Andrea Griesebner / Martin Scheutz / Andreas Weigl [Hg.], Justiz und Gerechtigkeit. Historische Beiträge (16.–19. Jahrhundert). Innsbruck [u. a.]: Studienverlag 2002 (Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit, 1), S. 269–284
- Richard Perger: Die Grundherren im mittelalterlichen Wien. Teil 2. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 21/22 (1965/1966), S. 120–183 (zum Bürgerspital 154 ff.)
- Sarah Pichlkastner: Insassen, Personal und Organisationsform des Wiener Bürgerspitals in der Frühen Neuzeit. Eine Projektskizze. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 123 (2015), S. 117–132 (zur Grundherrschaft 128 ff.)
- Sarah Pichlkastner: Eine Stadt in der Stadt. InsassInnen und Personal des frühneuzeitlichen Wiener Bürgerspitals – eine Studie anhand exemplarischer Untersuchungszeiträume. Wien 2020
- Sarah Pichlkastner / Manuel Swatek: Fürsorge und Ökonomie. Das Wiener Bürgerspital um 1775. Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B: Ausstellungskataloge, Heft 97, Wien 2017
- Walter Sauer: Grund-Herrschaft in Wien 1700–1848. Zur Struktur und Funktion intermediärer Gewalten in der Großstadt. Wien [u. a.]: J & V 1993 (Kommentar zu den Karten 4.3.2. und 4.3.3. des Historischen Atlas von Wien), S. 74 f.
- Christoph Sonnlechner: Bürger und Wald. Überlegungen zur Nutzung von Wiener Bürgerspitalwäldern im Mittelalter. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 66 (2010), S. 223-255