Wien 1, Innere Stadt (1835)
Carl Vasquez Pinos (1798–1861) brachte in den 1830er-Jahren Pläne der Wiener Polizeibezirke (Innere Stadt, Leopoldstadt, Landstraße, Wieden, Mariahilf, St. Ulrich, Josefstadt, Alsergrund und Roßau) sowie mehrere Gesamtpläne Wiens mit seinen Vorstädten auf den Markt. Dabei fügte er gemäß einer damals verbreiteten Darstellungsart den Randleisten jeweils Detailansichten markanter oder lokalspezifischer Gebäude als Sammelbilder hinzu. Die Motive für die Kleinveduten reichten von Kirchen und staatlichen Bauten bis hin zu repräsentativen Bürgerhäusern und stehen in der Tradition biedermeierlicher Stadt- und Architekturdarstellungen.
Die Blätter waren als Inselkarten ausgeführt und kartographisch wesentlich besser als die Arbeiten Anton Zieglers gestaltet, wahrscheinlich auf der Grundlage des 1829 gedruckt erschienenen Katastralplans (Franziszeischer Kataster). Die einzelnen Stadtviertel bzw. Vorstädte sind durch unterschiedliches Kolorit gekennzeichnet, die Häuser weisen die letztgültige Konskriptionsnummer auf. Darüber hinaus sind sie in einen ornamentalen Rahmen mit kleinen, sehr ansprechend ausgeführten Veduten gestellt, welche die Blätter heute zu begehrten Sammlerstücken machen. Ergänzt wurde die Serie schließlich durch einen Plan Wiens im Jahre 1147 (der dem heutigen Kenntnisstand kaum entspricht) sowie einen der Stadt Baden.
Dieser Situationsplan zeigt die Haupt- und Residenzstadt Wien beziehungsweise den heutigen 1. Bezirk mit dem Glacis und der Esplanade. Besonders auffällig ist die farblich betonte Einteilung nach Stadtvierteln, die nach den Stadttoren der Ringmauer erfolgte. Bei näherer Betrachtung erschließt sich die Lage von Profan- und Sakralbauten: Die Hofburg, das Obere Arsenal, die Salzgrieskaserne und diverse Palais beziehungsweise Stephansdom, Schottenkirche, Franziskanerkirche und Prälatenhöfe.
Die Randveduten zeigen unter anderem den Stephansdom, die Michaelerkirche, die Nationalbank (Herrengasse 17), das Alte Burgtheater (Michaelerplatz), das Äußere Burgtor, die Alte Universität, das Kärntnertortheater sowie das Liechtensteinsche Majoratshaus (Bankgasse 9).
Beim Vergleich dieses Plans mit dem heutigen Grundriss der Innenstadt werden die gravierenden Folgen des kaiserlichen Entschlusses von 1857, die Verteidigungsanlagen dem Bau der Ringstraße zu opfern, sowie bei genauerer Betrachtung auch die diversen Veränderungen im historisch gewachsenen Stadtkern deutlich.
- Schon 1840 wurde die Häuserinsel am westlichen Ende des Grabens beseitigt, 1866 fiel schließlich auch die Barriere zwischen Graben und Stock-im-Eisen-Platz beziehungsweise Stephansplatz.
- Auch die Verbindung zwischen der Freyung und dem Platz Am Hof wurde durch den Abbruch einiger Häuser beim Heidenschuß, etwa das Heiligengeisthaus (CNr. 236), aus Verkehrsrücksichten abgerissen.
- Die Demolierung des Kaiserlichen Zeughauses in den 1860er-Jahren ebnete den Weg für die Neugestaltung des gesamten Stadtteils bei der Renngasse und Wipplingerstraße in den Jahren 1870/1879.
- 1873/1874 wurden die Bürgerspitalgründe bei der Albertina, vom Bürgerspitalzinshaus dominiert, parzelliert.
- Die alte Bebauung der nur etwa neun Meter breiten Kärntner Straße fiel in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fast gänzlich der Verbreiterung zum Opfer. Fünf Gebäude blieben erhalten, der Rest wurde bis knapp vor dem Ersten Weltkrieg bei zurückgeschobener Baulinie neu errichtet.
Gesamtansicht
Es folgt eine vergrößerte Ansicht dieses Plans der Haupt- und Residenzstadt Wien. Das Klicken auf eines der 14 Symbole führt zum Artikel des Gebäudes.
Siehe auch:
Quelle
Literatur
- Das Stadtbild Wiens im 19. Jahrhundert. Von der Festung zur Großstadt, Wien: Historisches Museum der Stadt Wien 1961 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien 7), S. 11, 13
- Walter Öhlinger (Hg.): Die Pläne der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien von Carl Graf Vasquez, Schleinbach 2011
- Kathrin Pokorny-Nagel: Carl Graf Vasquez. Wiener Kartografie des Biedermeier: In: Ortsansichten in öffentlichen Sammlungen. Bestände, Erschließung, Projekte. Die Vorträge der 2. Kurztagung der NÖ Landesbibliothek im Jubiläumsjahr 2013, St. Pölten, 3. Dezember 2013, Hg. von Ralph Andraschek-Holzer (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 61), 34-43
- Sándor Békési / Elke Doppler [Hg.]: Wien von oben. Die Stadt auf einen Blick (Katalog zur 414. Sonderausstellung des Wien Museums). Wien: Metro-Verlag 2017, S. 103