48° 12' 42.50" N, 16° 22' 15.69" E zur Karte im Wien Kulturgut
Altes Rathaus (1., Wipplingerstraße 8, Stoß im Himmel 2, Salvatorgasse 7). Bis zur Eröffnung des heutigen Rathauses an der Ringstraße 1883 war dies das Wiener Rathaus. Es handelt sich aktuell immer noch um ein städtisches Amtsgebäude, in dem unter anderem die Bezirksvorstehung und Bezirksvertretung des 1. Bezirks ihren Sitz haben.
Frühere Standorte
Namensgebende Grundfunktion eines Rathauses war es, dem Rat einen angemessenen Versammlungsort zu bieten. Ab 1278 umfasste dieses wichtigste politische Gremium der Stadt 20 Mitglieder (siehe Stadtverfassung). Die früheste Nennung eines Wiener Rathauses stammt aus dem Jahr 1305. Dieses befand sich nicht am Standort Salvatorgasse, sondern in der Wollzeile. Das Gebäude ist wahrscheinlich auf dem Areal des heutigen Hauses Nummer 3 (Kleiner Federlhof) zu verorten, dessen Parzelle sich bis zum Lugeck erstreckte.[1] Ab wann dieses Rathaus in der Wollzeile in Verwendung stand und ob es das erste Wiener Rathaus war, ist nicht mehr zu klären.
Das Haus der Haimonen
Nach 1333 übersiedelte der Rat in ein neues Gebäude. Dieses Haus mit 1298 gestifteter Kapelle (Salvatorkapelle) stammte aus dem Besitz der angesehenen Bürgerfamilie der Haimonen. Otto II. (erwähnt ab 1275, gestorben 1333) war wiederholt Stadtrichter, nahm jedoch 1309 am Aufstand gegen die Habsburger teil, wurde nach dessen Niederschlagung verbannt und verlor seinen Besitz durch Konfiskation. Auf Ersuchen der Bürgerschaft überließ Friedrich der Schöne der Gemeinde 1316 das Haus der Haimonen.[2] Diese dürfte das Haus jedoch erst nach Ottos Tod 1333 als Rathaus genutzt haben, weil man nach Ottos Rehabilitierung mit einer Rückforderung rechnete. Seine Nutzung als Rathaus ist erstmals 1341 belegt[3]. Dass die Stadt in der Salvatorgasse neben dem Haimonenhaus bereits ein Gebäude besessen hätte, wurde in der Literatur verschiedentlich vertreten, beruhte aber auf einer Fehlinterpretation der Quellen.[4]
Baugeschichte
Der Kern des Baukomplexes befand sich an der heutigen Salvatorgasse. Das Gebäude wurde nach und nach durch angrenzende Häuser in der Salvatorgasse und der Wipplingerstraße sowie am Stoß im Himmel erweitert, sodass der heutige Komplex aus mehreren Gebäuden zusammenwuchs. Die erste Erweiterung erfolgte, als im Zuge der Wiener Geserah 1420/1421 einige konfiszierte Häuser vertriebener Juden in den Besitz der Stadt kamen. Einige davon wurde weitergegeben und erst später wieder erworben. Eines dieser Häuser in der Wipplingerstraße wurde als Mauthaus in den Komplex einbezogen.
Ein von der Salvatorgasse zur Wipplingerstraße verlaufendes Gässchen (1341 als gemeiner Durchgang, 1360 als Durchfahrt bezeichnet, neben der sich quer über die Wipplingerstraße ein Tor als Zugang in die ehemalige Judenstadt befand) wurde 1360 verbaut. Das Gebäude, das vor 1316 als Rathaus diente, wurde 1373 dem Kaplan der Rathauskapelle verkauft.
1435 werden Saal und Turm urkundlich erwähnt. Das 1422 durch Nachbarhäuser erweiterte Gebäude wurde 1455-1457 einem weitgehenden Umbau unterzogen (wahrscheinlich durch Lorenz Spenning); ein großer Saal und eine neue Gemeindestube werden ausdrücklich erwähnt. Der Bau besaß einen vom Dach noch zwei Geschoße aufsteigenden, mit einem steilen Zwickeldach abschließenden Turm; in einem Gewölbe desselben war ab dem 15. Jahrhundert bis 1885 das städtische Archiv (Wiener Stadt- und Landesarchiv) untergebracht. Das Gebäude wurde mehrfach umgebaut. Zwischen 1515 und 1519 wurde die Salvatorkirche umgestaltet (mit dem heute noch erhaltenen Portal zur Salvatorgasse) und die Ratsstube neu gebaut, die allerdings 1956 aus statischen Gründen abgerissen wurde. Zwischen 1550 und 1609 sowie 1650 nahm man Erweiterungen vor, doch hatte das Gebäude noch im 17. Jahrhundert ein recht bescheidenes Aussehen. Erst nach der Zweiten Türkenbelagerung kam der Bauboom auch dem Haus der Bürgerschaft zugute.
Die Salvatorkapelle (hier "St. Othheim") gehört zum ältesten Baubestand des Rathauskomplexes. Rundansicht von Wien, 1530
Das Rathaus tritt trotz seines Turms (Bildmitte) nicht markant in Erscheinung. Ausschnitt aus dem Hoefnagel-Plan, 1609
Im Rathausturm war mindestens seit 1428 das städtische Archiv untergebracht. Ausschnitt aus dem Hoefnagel-Plan, 1609
Äußeres
Die reich gegliederte Hauptfassade wurde zwischen 1699 und 1706 von einem unbekannten Architekten in der Art Johann Bernhard Fischer von Erlachs (Westhälfte) und 1780 durch Theodor Valery (Osthälfte) barock umgestaltet. Es bestehen zwei Portale mit Portalplastiken (Westportal: Gerechtigkeit, Güte, 1706; Ostportal: Öffentliches Vertrauen, Frömmigkeit, 1781 von Johann Martin Fischer). Das massiv gestaltete Erdgeschoß wird durch ein kräftiges Gesims von den beiden Hauptgeschoßen (mit ionischer Riesenpilasterordnung) getrennt. Reich gestaltet ist die Architravzone unter dem Dachgesims. An der südwestlichen Ecke Engelskulptur mit Stadtwappen und Bindenschild (um 1450), der 1842 vom Taschnerhaus hierher übertragen wurde.
1725 wurde der über offenen Arkaden errichtete Gang, welcher die Gebäudeteile von Salvatorgasse und Wipplingerstraße verband, durch einen geschlossenen Quertrakt ersetzt. Zunächst mit Balkon (Gitter von Schlossermeister Simon Vogl, gestützt von 4 Putten, welche die Kardinaltugenden darstellen) und Wappenengel geschmückt, schuf Georg Raphael Donner 1740/41 hier den Andromedabrunnen.
Inneres
Die ehemalige Bürgerstube (Trakt Salvatorgasse) ist ein quadratischer Raum mit Mittelpfeiler und vier gedrückten Kreuzgewölben, darüber befand sich die 1956 abgetragene Ratsstube. Vor den heutigen Amtsräumen des Bezirksvorstehers im ersten Stock befindet sich der Wappensaal, dessen Decke die Wappen der Angehörigen des Inneren Rats von 1713/1714 in Freskomalerei schmücken. Der Große Ratssaal, vom beginnenden 18. Jahrhundert bis 1783 Sitzungssaal des Inneren Rats, besitzt eine Stuckdecke von Alberto Camesina (1712/1713) sowie zwei Deckengemälde von H. Georg Greiner (um 1700) sowie, um diese gruppiert, acht Ölgemälde (Kaiser-Impresen, von Albrecht II. bis Karl VI. [nicht lückenlos vertreten]). Die ehemals hier befindlichen Ölgemälde auf Leinwand von Johann Michael Rottmayr wurden in den Grünen Saal im Neuen Rathaus übertragen. Der Kleine Ratssaal besitzt eine stuckierte Decke mit Deckenfresko, in den Ecken eingelassen sind vier hochformatige Ölbilder (Embleme, offenbar auf die Stellung des Inneren Rats von 1713/1714 als obersten Verwaltungskollegiums bezogen).
Der Ratssaal des früheren Zivilgerichts und die angrenzenden Räume wurden 1851-1853 unter Bürgermeister Dr. Johann Kaspar Freiherr von Seiller durch Ferdinand Fellner den Älteren zu einem Gemeinderatssitzungssaal umgestaltet. Dieses 1848 geschaffene Gremium tagte in seiner Anfangszeit im Landhaus (Stuckdecke, Karyatiden, Allegorien der Austria und Vindobona seitlich neben der Journalistenloge, Verkleidung der Wände mit Stuckmarmor, unterhalb des Plafonds rundum Embleme der hervorragendsten Gewerbe, Reliefs von Hanns Gasser). Über die prunkvolle Ausstattung des Saals gab es in der Bevölkerung geteilte Meinungen. Die letzte Sitzung des Gemeinderats im Alten Rathaus fand am 20. Juni 1885 statt.
Am 1. April 1705 nahm im (Alten) Rathaus die Wiener Stadtbank ihren Betrieb auf (Stadtbanco).
Monumente und Ausstattung
Der Wappenengel wurde erst 1842 vom Taschnerhaus an die Fassade des Alten Rathauses übertragen.
Genanntentafel mit Wappen von Alt- und Neuösterreich und Wien (Doppeladlerwappen und Kreuzschild), 1461/1464
Das Portal der Salvatorkapelle entstand um 1515/1519. Aquarellierte Zeichnung, 1860
Glasfenster mit Stadtwappen, wohl aus der Ratsstube, 1571
Glasfenster mit Stadtwappen, wohl aus der Ratsstube, 1571
Stadtwappen über dem westlichen (linken) Portal des Alten Rathauses, 1699/1706.
Barocker Wappenengel, 1725
Der 1740/1741 geschaffene Andromedabrunnen von Georg Raphael Donner im großen Hof des Alten Rathauses. Foto, um 1899
Kassenschrank des Oberkammeramts, 1770
Das Staatsporträt Maria Theresias repräsentierte im Ratssaal die Stadtherrin. Im Medaillon der Thronfolger Joseph II.. Gemälde von Martin van Meytens, 1744
Das Alte Rathaus wurde nach dem Bau des Neuen Rathauses weiter von der Stadt Wien genutzt. Es ist Sitz von magistratischen Dienststellen (beispielsweise Magistratisches Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk) und beherbergt das Bezirksmuseum Innere Stadt und das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.
Im Großen Ratssaal nahm am 1. Jänner 1907 die 1905 gegründete Zentralsparkasse der Gemeinde Wien den Geschäftsbetrieb auf (die beiden Ratssäle samt Zugang werden heute von der Bank Austria AG für Veranstaltungen benutzt).
Quellen
Literatur
- Das Alte Rathaus. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1972 (= Wiener Geschichtsblätter, Sonderheft 1) (ANNO)
- Die Salvatorkirche. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1974 (= Wiener Geschichtsblätter 28, Sonderheft 1) (ANNO)
- Günther Buchinger, Doris Schön: Das alte Rathaus. Bauliche Genese eines Wiener Monumentalbaus. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Jg. 56 2002, Heft 4, S. 420-443
- Otto Brunner: Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert. Wien: Deutscher Verlag f. Jugend u. Volk 1929, S. 393 f.
- Felix Czeike: Das Rathaus. Wien [u.a.]: Zsolnay 1972 (Wiener Geschichtsbücher, 12), S. 15 ff.
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 193 ff.
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 176 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 408
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 637 f.
- Hans Koepf: Ein Wiener "Rathausprojekt" aus dem 15. Jahrhundert. In: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur 105 (1969), S. 15 ff.
- Ferdinand Opll: Das älteste Wiener Rathaus. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1939-1989, Band 46,1990, S. 107 ff.
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 59 f.
- Technischer Führer durch Wien. Hg. v. Österr. Ingenieur und Architekten-Verein. Red. v. Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 325 f.
- Der Wappenengel am Alten Rathaus. In: Leopold Mazakarini: Frühe Denkmäler. Mit politischen und zeitgeschichtlichen Aussagen. Band 2. Wien: Ges. für Natur- u. Heimatkunde 1987, S. 3 ff.
- Karl Weiß: Zur Baugeschichte des Rathauses der Stadt Wien. In: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich Jg. 1.1865, S. 21-26
- Karl Weiß, Festschrift aus Anlaß der Vollendung des neuen Rathhauses: Wien 1883 (Wienbibliothek digital)
- Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. v. Österr. Ingenieur und Architekten-Verein. Redigiert von Paul Kortz. Band 2: Hochbauten, Architektur und Plastik. Wien: Gerlach & Wieding 1906, S. 158 f.
- Manuel Swatek: Zeichen der Stadt. Beiträge zur Geschichte der Wiener Wappen und Symbole. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 76 (2020), S. 233-268
Referenzen
- ↑ Den Nachweis dazu konnte erstmals 1990 Ferdinand Opll erbringen: Ferdinand Opll: Das älteste Wiener Rathaus. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1939-1989, Band 46, 1990, S. 116 ff. Die Urkunde mit der Nennung betrifft eine Schenkung an das Klarakloster: HHStA, Wien, St. Clara, 1305 VII 28. Andere, in der Forschung diskutierte Standorte eines frühen Rathauses in den Tuchlauben (Schönbrunnerhaus) oder am Graben sind heute nicht mehr zu halten.
- ↑ Vergleiche Regesta Habsburgica 3, n. 450, in: Regesta Imperii Online
- ↑ Vergleiche WStLA, Hauptarchiv, U1: 228.
- ↑ So hat dies Richard Perger angenommen. Die 1316 erfolgte Übergabe des konfiszierten Haimonenhauses in der Salvatorgasse hätte den Sinn gehabt, ein bestehende Rathaus zu erweitern. Allerdings sind die von Perger herangezogenen Grundbuchseinträge nach Ferdinand Opll später zu datieren, als von Perger angenommen. Vergleiche Ferdinand Opll: Das älteste Wiener Rathaus. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1939-1989, Band 46, 1990, S. 116 ff.