St. Veit (Vorort)

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Ober-St.-Veit (1967)
Daten zum Objekt

St. Veit (Katastralgemeinden Ober- und Unter-St.-Veit), ehemalige selbständige Ortsgemeinde, 1867 geteilt in Ober- und Unter-St.-Veit, 1890/1892 nach Wien in den 13. Bezirk Hietzing eingemeindet.

Die Ortschaft St. Veit ist erstmals in einer Urkunde von circa 1195 nachzuweisen. Ab dem 14. Jahrhundert wird der Ort "Auf der Wien" oder "An der Wien" genannt. Die Ober-St.-Veiter Kirche wird urkundlich erst im 13. Jahrhundert erwähnt. Das ausgedehnte Ortsgebiet reichte von den Abhängen des Lainzer Tiergarten, an denen bis ins 19. Jahrhundert Wein gebaut wurde, bis zum Wienfluss einerseits und bis etwa zur heutigen Lainzer Straße andererseits und umfasste insbesondere das "Veitinger Feld" mit seiner reichen Gras- und Ackerbauwirtschaft.

St. Veit war bis 1850 Sitz einer mit dem Ober-St.-Veiter Schloss verbundenen Grundherrschaft (zugehörig ab circa 1800 auch Lainz und das Gut Rosenberg) und eines Landgerichts (dessen Zuständigkeit sich auch auf die Gemeinden Baumgarten, Hacking, Hietzing, Lainz, Penzing und Speising erstreckte). Herrschaft und Landgericht kamen 1361 an Herzog Rudolf IV., 1365 an das Wiener Domkapitel und 1480 an das (1469 errichtete) Wiener Bistum. Der Ort wurde 1483 durch Matthias Corvinus, 1529 und 1683 durch die Osmanen zerstört. 1713 suchte die Pest den Ort heim (Bevölkerungsverlust 23%), 1832 die Cholera. 1762-1769 kam die Herrschaft St. Veit vorübergehend an Maria Theresia, die 1774 als Verbindung mit Schloss Schönbrunn die Theresiengasse anlegen ließ, bei welcher Gelegenheit der älteste Kirchweiler um den heutigen Wolfrathplatz demoliert wurde. 1778 deckte das niederösterreichische Vizedomamt finanzielle Malversationen des kaiserlichen Herrschaftsverwalters auf, der entlassen und inhaftiert wurde.

Die erzbischöfliche Verwaltung sah sich nach 1779 nicht imstande, die dadurch entstandene desolate Finanzlage der Herrschaft zu beheben und verpachtete sie 1793 an Michael Schwinner (bis 1808); dieser teilte 1803 zur Erschließung neuer Steuereinnahmen zwischen der Feldmühle (Feldmühlgasse) und der heutigen Hietzinger Hauptstraße von der landwirtschaftlichen Flur einen für 100 Häuser bemessenen Bauplatz für Neusiedler ab, das einem eigenen Ortsrichter unterstellte Neudörfl (bald Unter-St.-Veit genannt). Für den Altort St. Veit bürgerte sich daraufhin die Bezeichnung Ober-St.-Veit ein. Während des Durchmarschs der Truppen Napoleons, die am 10. Mai 1809 in St. Veit einrückten, hatte der Ort sehr unter Raub und Brandschatzung der Soldaten zu leiden.

Am 4. Juni 1809 schlug ein Armeekorps des Königreichs Sachsen im Bereich Hietzinger Hauptstraße-Testarellogasse sein Lager auf. Die Gefallenen wurden am Mariensteig bestattet, woran heute noch das "Sachsenkreuz" erinnert. Am 7. Juli 1850 konstituierte sich die selbständige Ortsgemeinde St. Veit an der Wien. Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen den sozial und wirtschaftlich ganz gegensätzlichen Ortsteilen Ober- und Unter-St.-Veit verfügte ein allerhöchster Entschluss vom 2. Oktober 1867 die Trennung in zwei selbständige Ortsgemeinden, die nach langwierigem Streit um den Grenzverlauf am 28. März 1870 wirksam wurde.

Siegel

Der Vorort St. Veit führte ein Siegel, das einen halbrunden mit Ornamenten verzierten Schild zeigt, darin die Halbfigur eines männliche, nackten Heiligen, nimbiert, vermutlich der heilige Veit in einem Kessel stehend. Umschrift (soweit erhalten): ¤ [Rosette] SIGILVM – · ANN · DER · WIENN·

Das Siegel war 1987 eine Grundlage für die Gestaltung des Bezirkswappens Hietzing.

Bürgermeister

  • Michael Schmidt (1850-1854)
  • Überlieferungslücke (1854-1861)
  • Paul von Köhler (1861-1864)
  • Josef Hauer (1864-1868)

Ober-St.-Veit

Im Bereich des heutigen Ober-St.-Veit lassen sich zwei mittelalterliche Siedlungsphasen unterscheiden: ein etwas älterer Kirchweiler um den Wolfrathplatz und ein jüngeres Längsangerdorf aus dem ausgehenden 11. Jahrhundert zwischen Glasauer- und Firmiangasse. Das Ober-St.-Veiter Schloss wurde 1650-1654 anstelle der eintraktigen "Veste zu St. Veyt" durch Bischof Philipp Graf Breuner erbaut (Rechnungskonvolut des bischöflichen Hofmeisters Thomas Weiß im Diözesanarchiv), die Ober-St.-Veiter Kirche entstand 1742-1745.

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestand die überwiegende bäuerliche Bevölkerung vor allem aus Milchmeiern, Wein- und Ackerbauern. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann der Zuzug wohlhabender Leute (Errichtung zahlreicher Villen im oberen Ortsbereich). Gleichzeitig entstanden im unteren Ortsbereich zum Wienfluss hin Fabriken und Arbeiterwohnungen, so 1844 die Wagenfabrik Josef Rohrbacher (Glasauergasse 15; ab 1852 Hietzinger Hauptstraße 119) und 1882 die Färberei Winkler & Schindler (Auhofstraße 154).

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der Ort wegen seiner schönen Umgebung und seiner guten Luft als Sommeraufenthaltsort der Wiener beliebt (Sommerparteien 1857 90, 1869 292). 1870 wurde der Männergesang-Verein gegründet (der als "Chorvereinigung Ober-St.-Veit" noch besteht), 1871 die Freiwillige Feuerwehr (bis 1927 aktiv) und 1886 der "Drahrerklub" (der bis 1914 die berühmten Ober-St.-Veiter Faschingsumzüge veranstaltete). 1873 wurde die Volksschule Hietzinger Hauptstraße 166 begründet. Am 19. September 1887 erfolgte die Eröffnung der Dampftramway Hietzing-Ober-St.-Veit (1908 elektrifiziert). Ein Gewölbebruch des Marienbachbetts mit anschließender verheerender Überschwemmung des Orts (1898) gab Anlass zur gänzlichen Neueinwölbung des Marienbachs, die 1916 fertiggestellt wurde. 1913 wurde das Schulgebäude Amalienstraße 31 errichtet. 1876 wurde der Ober-St.-Veiter Friedhof eröffnet.

Um 1971 wurde das 1857 erbaute Gemeindehaus (13, Hietzinger Hauptstraße 164), das bis 1870 Verwaltungssitz der ganzen Gemeinde gewesen war, abgerissen. 1978 wurde der Ortskern zur Schutzzone erklärt; 1985/1986 revitalisierte Richard Lugner den von ihm angekauften barocken Häuserkomplex Hietzinger Hauptstraße 145-147 (Einsiedeleigasse 1). 1991 scheiterten Pläne zur Altarraumgestaltung der Ober-St.-Veiter Kirche an über 4.000 Protestunterschriften.

Häuser

  • spätes 12. Jahrhundert: ca. 50
  • 1418: 93
  • 1530/39: 54
  • 1568: 90
  • 1590: 92
  • 1636: 92
  • 1683: 97
  • 1713: 87
  • 1751: 97
  • 1771: 129
  • 1783: 123
  • 1787: 134
  • 1795: 139
  • 1804: 138
  • 1822: 138
  • 1830: 141
  • 1857: 179
  • 1869: 274
  • 1880: 329
  • 1890: 354

Einwohner

  • 1569: 147 (Kommunikanten)
  • 1646: 448
  • 1713: 385
  • 1783: 836
  • 1830: 1.217
  • 1837: 1.622
  • 1846: 1.902
  • 1869: 2.912
  • 1880: 3.456
  • 1890: 4.074

Häuserschematismen

Bürgermeister

Unter-St.-Veit

Dieser Ortsteil wurde auf einem Gebiet wiederbesiedelt, das schon Anfang des 11. Jahrhunderts unter dem Namen Goteinsfeld erwähnt wird. Rund um die 1568 erstmals urkundlich genannte Feldmühle (heute Auhofstraße 78-78 Ende; Feldmühlgasse) entstanden ab Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere Häuser. 1803 wurden zwischen Feldmühl- und Fleschgasse 100 planvoll angelegte Bauparzellen zur Besiedlung freigegeben. Wegen der Nutzungsmöglichkeit des nahen Wienflusswassers siedelten sich zahlreiche Weber und Gerber an, ferner Schmiede, Fuhrwerker, Landkrämer, Gastwirte und andere Kleingewerbetreibende, sodass der Ort rasch wuchs.

Unter-St.-Veit hatte im Gegensatz zu Ober-St.-Veit eine rein gewerblich-industrielle Wirtschafts- und Sozialstruktur. Ab 1851 entstand die Galanteriewarenfabrik Weidmann (Feldmühlgasse 6-8), ab 1852 die Hutfabrik Bossi (Auhofstraße 82-84), 1866 die Lederfabrik Flesch (zwischen Kremsergasse und Auhofstraße; Fleschgasse). 1860 verheerte ein Großfeuer den Ort, der nur durch kaiserliche Löschsuiten aus Schönbrunn vor dem Ärgsten bewahrt werden konnte. 1862-1865 entstand die Unter-St.-Veiter Kirche. Erst ab 1885 bestand ein Gemeindehaus (Auhofstraße 47; 1972 abgerissen). 1893 wurde das Schulgebäude Auhofstraße 49 errichtet.

Nach 1950 verschwand der größte Teil des historischen Ortskerns im Zuge von Neubaumaßnahmen.

Häuser

  • 1804: 33
  • 1823: 33
  • 1830: 86
  • 1858: 89
  • 1869: 101
  • 1880: 137
  • 1890: 151

Einwohner

  • 1823: 210
  • 1830: 752
  • 1869: 1.009
  • 1880: 1.443
  • 1890: 2.194

Bürgermeister

  • Berthold Flesch (1868-1870; Fleschgasse)
  • Anton Kremser (1870-1877; Kremsergasse)
  • Anton Stelzer (1877-1888)
  • Heinrich Schönich (1888-1891)

Literatur

  • Aus der Geschichte der Herrschaft St. Veit. In: Beilage zum Wiener Diözesanblatt 25 (1984), Nummer 3; 26 (1985), Nummer 1 ff.
  • Festschrift 100 Jahre Ober St. Veiter Verein zum Besten armer Kinder. 1967
  • BV Hietzing [Hg.], Festschrift 100 Jahre Hietzing (1993): Helga Gibs, Hietzing zwischen gestern und morgen (1996), S. 10 ff. August Wctschl, Skizzen von Ober-St. V. an der W. (1883)
  • Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. XVI, Taf. I
  • Festschrift Unter St. Veit 125 Jahre Kirchengründung. 1993
  • Festschrift des Ober-St. Veiter Männergesangvereins 1870-1930. 1930
  • Jaro Franz-Ferron: Neu Wien (1892), S. 83 ff.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958 , S. 348
  • Gustav Gugitz: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien. Wien: Hollinek 1952 (Österreichische Heimat, 17), S. 23 f, S. 161
  • Franz Haubner, Franz Stromer, August Puraner: Ober-St. Veit. Festschrift (1921)
  • Heimatkundliche Wanderungen NF 3
  • Carl Hentschel: Ober-St. Veit in seiner Entwicklung und in seinem Bestände (Festschrift 1887)
  • Hietzing. Ein Heimatbuch für den 13. Wiener Gemeindebezirkes. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde in Hietzing. Wien: Österr. Bundesverlag 1925, S. 289 f., S. 298 f.
  • Julius Hirt: Chronik von Ober-St. Veit. 1955, 1991
  • Egbert Wilhelm Ritter von Hochstetter: Die Klippe von St. Veit bei Wien. In: Jahrbich Geologische Reichsanstalt. 1897, S. 95 ff.
  • Adalbert Klaar: Die Siedlungsformen Wiens. Wien: Zsolnay 1971, S. 99 f.
  • Christine Klusacek / Kurt Stimmer: Hietzing. Ein Bezirk im Grünen. Wien: Mohl 1977, S. 34 ff.
  • Josef Kraft: Aus der Vergangenheit von Ober-St. Veit. 1952, S. 157 ff.
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 148 f., S. 158
  • Robert Messner: Die Wieden im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südwestlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1982 (Topographie von Alt-Wien, 7), S. 67, S. 126 ff, S. 313 ff.
  • Theophilos Niemann: Vorschlag zur Regulierung des Kirchenplatzes in Wien-Ober-St. Veit. In: Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bau und Raumkunst. Wien: A. Schroll (1906), S. 87
  • Ferdinand Opll: Erstnennung von Siedlungsnamen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 2), S. 49
  • Karl Rieger: Geschichtiche Grundlagen der Entstehung des 13. Bezirkes. In: Jahresbericht des Hietzinger Gymnasiums 1953
  • Emmerich Schaffran, Ober-St. Veit. 1925
  • Adolf Schmidl: Wiens Umgebungen 3 (1839), S. 106 ff.
  • Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 159
  • Heinrich Weigl: Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich. Wien: Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien 1964-1975; S. 190 ff.
  • Arnold Winkler: Hietzing (1911), S. 116 ff.

Literatur zur Bevölkerungsgeschichte