Kriegsbeginn und erste Kriegsphase
Der Kriegsausbruch am 1. September 1939 äußerte sich in Wien zunächst vor allem durch die bereits Mitte August begonnene Einrückung von Wienern zu den verschiedenen deutschen Wehrverbänden und der Rationierung von Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs. Bereits am 28. August 1939 wurden Bezugsscheine, zumeist für drei bis vier Wochen ausgegeben, ab 10. September waren sie verpflichtend zu verwenden, ab Oktober 1939 auch in Gaststätten. Bis Kriegsende sollte sich daran wenig ändern.
Ab 1940 veränderte sich nach und nach auch die anwesende Bevölkerung durch weitere Einrückungen und den Zustrom von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus den verschiedenen Teilen der von NS-Deutschland besetzten Gebiete. Diese waren in verschiedenen Teilen der Rüstungsproduktion, aber auch in anderen kriegswichtigen Branchen wie zum Beispiel der Nahrungsmittelindustrie tätig und mehr oder minder starken Repressionen ausgesetzt.
Im Zuge der systematischen Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Wiens kam es bereits im Oktober 1939 zu von der SS durchgeführte Deportationen an die Demarkationslinie zur Sowjetunion im besetzten Polen die jedoch bald abgebrochen wurden. Systematische Deportationen im Zuge des Holocaust setzten ab Februar 1941 ein und dauerten bis Ende 1942 an. Zuvor und während dieser Periode wurde die verbliebene jüdische Bevölkerung gezwungen in Sammelwohnungen zu leben. Die dadurch frei werdenden Wohnungen wurden an "Arier" vergeben.
Ab 1942 wurden nach und nach immer mehr Rüstungsbetriebe und -produktionen in den Wiener Raum verlegt, weil dieser vom Luftkrieg vorerst noch nicht betroffen war. Dazu kamen auch zahlreiche Neugründungen, die sich auf die Rüstungsproduktion mit Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter spezialisierten, wie die im April 1942 von der Wirtschaftskammer Wien gemeinsam mit dem ehemaligen Direktor der Wiener Messe Paul Stetten gegründete Industrie- und Handwerksförderungsgesellschaft m.b.H. (INHA). Das Unternehmen betrieb zahlreiche INHA-Lager, die von den Betroffenen auch missverständlich, aber der Realität nahekommend, als "Inhaftierungslager" übersetzt wurden. Eine weiterer Typ von „Firmen“-Lager waren jene der Organisation Todt. Die Organisation Todt war durch personelle Überschneidungen und zahlreiche Projekte Teil der Stadtbauverwaltung in Wien. Die „OT-Einsatzgruppe Südost“ hatte eine Zweigstelle in Wien, stand unter Leitung des „Stabsleiters“ Johann Gundacker. Sie beschäftigte tausende Zivilarbeiter, Freiwillige, Ostarbeiter, Militärinternierte, aber beispielsweise auch Häftlinge des Arbeitserziehungslager Oberlanzendorf für Bauarbeiten im städtischen Bereich. Laut NS-Diktion wurden jüdische „Mischlinge“ und „Jüdisch Versippte“ vom Gauarbeitsamt zur Zwangsarbeit bei der Organisation Todt gezwungen. Diese sogenannte „Mischlingsaktion“ fand auf österreichischem Gebiet im Frühjahr 1945 statt. Neben der Gemeinde Wien griffen zahlreiche Firmen, vor allem in der Rüstungsindustrie, aber auch in anderen Branchen, auf Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zurück wie die Vita-Film, Persil, Siemens, Gräf & Stift, die Flugmotorenwerke Ostmark, die Wienerberger Ziegelfabrik, die Österreichischen Saurerwerke, die Austro-Tatra-Werke, die Unilever GmbH, Hofherr-Schrantz-Clayton-Shuttleworth, Waagner-Biró sowie die Ernst Heinkel Flugzeugwerke AG.
Die sich im Kriegsverlauf steigenden Bombenangriffe im "Altreich" sorgten auch in Wien für größere Anstrengungen, die Luftraumverteidigung zu stärken. Im Herbst 1942 wurde das Schloss Cobenzl zum Sitz der 16. Flakbrigade bestimmt und am Nussberg und am Gelände des Sportplatzes auf der Hohen Warte Fliegerabwehrgeschütze aufgestellt. Bau- und Schulungsmaßnahmen betrafen vor allem Jugendliche. Erst ein Jahr später wurde die Lage bedrohlicher. Im Dezember 1943 war auch Adolf Hitler klar, dass die Aliierten Vorbereitungen trafen, um den "Reichsluftschutzkeller Ostmark" aus der Luft anzugreifen. Anfang Dezember 1943 wurde im Luftgau XVII die 24. Flakdivision gebildet, die im Großraum Wien über 432 schwere Fliegerabwehrkanonen (Stand Juni 1944) verfügte und einen Radius von 25 Kilometern abdeckte.
Luftkrieg
Von 12. April 1944 bis 28. März 1945 wurden über den Rundfunk 115 Alarme gegeben (Kuckucksruf als Aufforderung zum Aufsuchen von Luftschutzräumen), denen 52 größere Angriffe folgten. Luftschutzübungen und Dachbodenräumungen wurden bereits vor dem Krieg angeordnet (Verdunkelungsübungen ab Jänner 1939; offizielle Aufhebung der Verdunkelungspflicht am 26. Mai 1945), mit dem Bau eines Flak-Rings auf den Höhen rund um Wien (beispielsweise Bisamberg; Luftwaffenhelfer), der Anlage von Löschteichen (auf Plätzen und in Parks), der Aushebung von Luftschutz- und Splittergräben (1944: 176), der Anlage von Fluchtgängen innerhalb von Häuserblocks und die Markierung von Notausstiegen, der Schutzummantelung von Großskulpturen (beispielsweise Denkmäler am Heldenplatz) sowie dem Aufbau eines Luftwarnsystems (Schirachbunker) wurde 1940 begonnen, mit dem Bau von Betonbunkern (auch Hochbunkern) erst 1943 (der Tiefbunker am Friedrich-Schmidt-Platz wurde nach dem Krieg zu einer städtischen Garage umgebaut); Museums- und Archivbestände wurden verlagert.
Die Wirkung der Luftangriffe westlicher Alliierter erreichte ihren Höhepunkt nach deren Landung in Mittelitalien (Bau von Flaktürmen [gleichzeitig Schutzbunker für die Bevölkerung; der Flakturm in der Stiftkaserne bot 15.000 Menschen Platz] und öffentlichen Luftschutzräumen [1944: 339]). Der erste schwere Luftangriff auf Wien erfolgte am 10. September 1944, die größten Schäden in der Innenstadt entstanden am 12. März 1945. Der Luftangriff hatte die Zerstörung der Staatsoper und starke Beschädigungen am Stephansdom, dem Kunsthistorischen Museum, dem Burgtheater, in der Kärntner Straße und am Donaukanal zur Folge. Am 14. Juli 1944 wurde das Fotografieren von Luftkriegsschäden verboten.
Der Kampf um Wien 1945 und die Wiederherstellung der demokratischen Verwaltung unter Alliierter Besatzung
Am 2. April 1945 wurde Wien zum Verteidigungsbereich erklärt; Frauen und Kinder sollen die Stadt verlassen. Am selben Tag entsendete die militärische Widerstandsgruppe Carl Szokoll Ferdinand Käs zu den Sowjets. Am 4. April erließ Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin einen Aufruf "An die Bevölkerung Österreichs"; die sowjetrussischen Truppen erreichten Mödling. Ein geplanter Aufstand der Widerstandsbewegung unter Major Karl Biedermann scheiterte mit dessen Verhaftung am 6. April (Hinrichtung mit Alfred Huth und Rudolf Raschke am 8. April am Floridsdorfer Spitz durch öffentliches Erhängen). Am 6. April erreichten die sowjetrussischen Truppen im Zuge eines Umfassungsmanövers die westliche Stadtgrenze, am 8. April den Gürtel, am 9. April teilweise die Ringstraße (Sprengung der Donaukanalbrücken durch die zurückweichenden Schutzstaffel-Truppen in der Nacht zum 10. April, Versuch des Aufbaus einer Verteidigungslinie am Donaukanal, Brände in der Innenstadt).
Am 11. April erließ der sowjetrussische Ortskommandant den "Befehl Nummer 1" zwecks Normalisierung des täglichen Lebens, am 12. April (als am Donaukanal noch gekämpft wurde) trafen sich sozialdemokratische Funktionäre erstmals im Roten Salon des Rathauses und berieten am 13. April über die Wiederherstellung einer zentralen demokratischen Verwaltung (am 14. April erfolgte die Wiedervereinigung der Sozialdemokraten und der Revolutionären Sozialisten zur Sozialistischen Partei Österreichs); am 17. April bestellte Generalmajor Alexej W. Blagodatow Theodor Körner zum provisorischen Bürgermeister (Vizebürgermeister Leopold Kunschak (Österreichische Volkspartei (ÖVP)) und Karl Steinhardt (Kommunistische Partei Österreichs); ebenfalls am 17. April konstituierte sich die Österreichische Volkspartei (ÖVP).
Am 18. April bildete Körner die Stadtregierung. Am 22. April besetzte die Rote Armee die letzten Teile von Floridsdorf.
Verluste und Zerstörungen
Die Luftangriffe der westlichen Alliierten forderten unter der Wiener Zivilbevölkerung 8.769 (außerdem 1.103 "Ortsfremde"), die Bodenkämpfe 2.266 Tote (zusammen 11.035 Tote). 21 Prozent der Häuser Wiens (21.317) wurden zerstört beziehungsweise beschädigt (2,8 Millionen Quadratmeter Dächer zerstört), 36.851 Wohnungen wurden total und 50.024 teilweise zerstört (einschließlich Bodenkämpfe im April 1945; acht Millionen Quadratmeter Glasbruch). Es gab zudem schwere Schäden an der städtischen Infrastruktur (3.700 Schadenstellen an Kanälen, Wasser- und Gasleitungen, Zerstörung von 120 Brücken, 587 Straßenbahnwagen [weitere 1539 schwer beschädigt] und 1600 Motorfahrzeugen des städtischen Fuhrparks [teilweise verschleppt]). Die zahlreichen Bombenangriffe hatten auch die Wiener Märkte schwer getroffen. Von insgesamt 41 Märkten der Vorkriegszeit waren neun völlig niedergebrannt, darunter der Karmelitermarkt, der Viktor-Adler-Markt und der Floridsdorfer Markt. Kriegsbedingte Schäden wie einzelne Bomben- beziehungsweise Granattreffer wiesen nahezu alle Marktflächen auf. Die Verglasungen von Markthallen waren großteils zerstört. Anfang April 1945 stand die Rote Armee vor Wien, am 10. April sprengten SS-Einheiten die Brücken über den Donaukanal. In der Folge verschlechterte sich die Versorgung der in Mitleidenschaft gezogenen Stadt noch mehr. Am 13. April 1945 zogen sich die letzten deutschen Einheiten aus Wien zurück.
Die Kriegsschäden wurden nach dem Krieg vom Stadtbauamt im sogenannten Bombenplan aufgenommen.
Kriegsmaßnahmen
Gedenkstätten
- Holzkreuz (10, Holzknechtstraße 43) zur Erinnerung an 46 Opfer des Luftkriegs vom 5. November 1944 (Zerstörung eines Luftschutzbunkers)
- Mahnmal gegen Krieg und Faschismus (auf dem Areal des zerstörten Philipphofs)
- Zentralfriedhof
Siehe auch
- NS-Zeit
- Nationalsozialismus
- Deportation
- Holocaust
- Luftkrieg
- Sammellager
- Vertreibung
- Kriegsjahre 1944-1945
- Widerstandsbewegung
- Alliierte Besatzung
Videos
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P10.2: 120422, Generalstadtplan mit eingezeichneten Kriegsschäden - "Bombenplan"
- Magistratsabteilung 59 - Marktamt
Literatur
Zu Luftkrieg
- Leopold Grulich: Bomben auf Wien 1944-1945. Manuskript Wiener Stadt- und Landesarchiv
- Othmar Tuider: Die Luftwaffe in Österreich 1938 - 1945. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1985 (Militärhistorische Schriftenreihe, 54)
- Johann Ulrich: Der Luftkrieg über Österreich 1939 - 1945. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1967 (Militärhistorische Schriftenreihe, 5/6)
Zu Kampf um Wien 1945 (und Wiederherstellung der demokratischen Verwaltung
- Auf dem Alsergrund, April 1945. In: Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund 102 (1985), S. 11 ff.
- Felix Czeike: April und Mai 1945 in Wien. Eine Dokumentation. In: Wiener Geschichtsblätter 30 (1975), S. 221 ff.
- Peter Gosztony: Endkampf an der Donau 1944/45. Wien [u.a.]: Molden 1969, S. 256 ff.
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1958, S. 381 f.
- Manfried Rauchensteiner: Krieg in Österreich 1945. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970 (Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, 5), S. 107 ff.
- Bruno Sokoll: Floridsdorf - Erinnerungen aus 1945. In: Wiener Geschichtsblätter 30 (1975), S. 282 ff.
- Wiedergeburt einer Weltstadt. Wien 1945 - 1965. Wien [u.a.]: Verlag für Jugend und Volk 1965
- Wien in Farben. Ein Farbbilderbuch nach Aufnahmen von Robert Löbl. Innsbruck / Wien / München: Tyrolia 1967