Singerstraße
48° 12' 24.64" N, 16° 22' 28.75" E zur Karte im Wien Kulturgut
Singerstraße (1.), einheitlich benannt 1862.
Die Singerstraße ist bereits 1267 als Sulcherstraße beziehungsweise 1276 und 1285 als Sunchingerstraße sowie um 1300 als Schulchingerstraße nachweisbar (wahrscheinlich ist der [teilweise verballhornte] Name von einer Familie Sünchinger abzuleiten). Nach dem hier erbauten Deutschordenshaus führte die Singerstraße eine zeitlang auch den Namen Deutschherrenstraße. Im 14. Jahrhundert finden wir die Singerstraße unter den Bezeichnungen Sunhingerstraße (1352), Suningerstraße (1377) und in anderen Schreibvarianten. Für das Teilstück zwischen Riemergasse und Seilerstätte findet sich im 18. Jahrhundert und bis 1862 der Name Filzgasse (1). Die Singerstraße mündete bis 1866 direkt in die Kärntner Straße, da der Stock-im-Eisen-Platz bis dahin kleiner war beziehungsweise die auf dem Areal von Nr. 3 (heute Equitablepalais) befindlich gewesenen kleinen Häuschen um ein beträchtliches Stück weiter nach Norden vorgebaut waren. Die Singerstraße besitzt noch heute eine bedeutende Zahl alter Gebäude (den ältesten Baukern weist der Fähnrichhof auf); dass sie an der Stadtmauer endete (hier befand sich kein Stadttor), minderte ihre Bedeutung.
Gebäude
- Nummer 1: Wohnhaus, erbaut 1882 von Alexander Wielemans, ehemals "Zum goldenen Becher".
- Nummer 3: Hotel Royal. Im ehemaligen Haus "Zum roten Apfel" eröffnete Antonio Salieri am 7. Oktober 1817 eine Singschule (Vorläufer des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde; Gedenktafel, enthüllt 1959), die 1825 ins alte Musikvereinsgebäude (1, Tuchlauben 12) übersiedelte. Gedenktafel (enthüllt 1984) für Johannes Sambucus (Sterbehaus, † 1584). Eine barocke Steinfigur (Maria Immaculata unter Baldachin, von Engeln umgeben, 1737) stammt vom Vorgängerbau (dem "Hueberschen Haus").
- Nummer 4: Im Vorgängerhaus befand sich 1679 die Wohnung des Violinisten Andreas Anton Schmelzer (1653-1701), der ab 1671 in der Hofkapelle spielte.
- Nummer 5 (Stephansplatz 3): Churhaus
- Nummer 6: Im Vorgängerhaus befand sich die Weinschenke des Achatius Lenkey, später das Bierhaus "Zum Reichsapfel" (in dem Franz Schubert mit seinem Freundeskreis oft einkehrte).
- Nummer 7 (Churhausgasse 1, Stephansplatz 4, Blutgasse 4): Deutschordenshaus (Kommende des Deutschen Ordens), Deutschordenskommende, Deutschordensarchiv, Schatzkammer des Deutschen Ordens (Zugang: erstes Tor, erste Stiege, zweiter Stock). Hier logierte 1781 Wolfgang Amadeus Mozart (Mozart-Wohnungen, sub 6; Gedenktafel); im Durchgang zwei Ehrentafeln für Ehrenmitglieder beziehungsweise Träger der Mozart-Medaille der Mozartgemeinschaft. 1823 befand sich hier der Sitz des bürgerlichen Geigen- und Lautenmachers Anton Dürr. 1863-1865 wohnte Stiege sieben, vierter Stock, Johannes Brahms (damals Leiter der Wiener Singakademie). Geburtshaus von Cornelius Hermann Paul von Ayrenhoff (Gedenktafel, erster Hof, Stiege drei).
- Bei Nummer 7: Deutschordenskirche "Hl. Elisabeth".
- Nummer 8: 1911 wurde an dieser Stelle nach Plänen von Rudolf Erdös ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet.
- Nummer 9: Kleiner Fähnrichhof.
- Nummer 10 (Liliengasse 1): Hier stand ein Haus, das sich ab 1510 im Besitz des Humanisten Cuspinian befand (Zum weißen Rössel); es fiel mit zahlreichen anderen Gebäuden 1525 dem Stadtbrand zum Opfer. 1912 wurde nach Plänen von Karl und Wilhelm Schön ein Neubau errichtet. Ebenerdig befand sich das von Hans Prutscher gestaltete Dom-Café.
- Nummer 11-11a: Großer Fähnrichhof; hier wohnte Anfang des 19. Jahrhunderts der Komponist Wenzel Müller.
- Nummer 13 und 15: erbaut Ende des 18. Jahrhunderts anstelle von Kirche und Kloster St. Nikolai.
- Nummer 15: Apotheke "Zum goldenen Reichsapfel (Apotheke)".
- Nummer 16: Neupauer-Breuner-Palais
- Nummer 17-19 (Kumpfgasse 10): ehemalige Staatsschuldenkasse (Billiottesches Stiftungshaus, Rottalpalais), ab 1754 Sitz des Wiener Stadt-Banco. Gedenktafel zur Erinnerung an die Gründung des k. k. Ministeriums für Kultur und Unterricht (1849); mit der Entwicklung des Schul- und Erziehungswesens sind die Minister Leo Graf Thun und Leopold Hasner eng verbunden.
- Nummer 18: Wohnhaus mit qualitätvoller Barockfassade (hohe Sockelzone, geschwungene Fensterbekrönungen [Muschelornamente], viertes Stockwerk als attikaartiger Aufbau gestaltet), erbaut 1714 von Andrea Simone Carove.
Hier befand sich 1819-1848 die Wohnung der Schwestern Fröhlich (Franz Grillparzer), bei denen auch Franz Schubert zu Gast weilte.
- Nummer 20: Baukern aus dem 16. Jahrhundert, Hauszeichen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Hier wohnte bis 1823 die Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient.
- Nummer 21 (Kumpfgasse 13): Uhlhaus. Hier starb der Komponist Johann Baptist Schenk.
- Nummer 22 (Franziskanerplatz 2): Alter Dompropsthof (Haus des Dompfarrers zu St. Stephan). Hier wohnte ab 1803 Johann Georg Albrechtsberger (ebenda, am 7. März 1809 gestorben), ab 1822 Domkapellmeister Joseph Preindl (1756-1823). 1887 wurde ein Neubau errichtet.
- Nummer 26: Franziskanerzinshaus. Im dritten Stock befanden sich ab Mai 1945 die Unterrichtsräume der Musikakademie, Abteilung für Kirchen- und Schulmusik, an der unter anderem Anton Heiller, Ferdinand Großmann (Leiter der Wiener Sängerknaben) und Hans Gillesberger (Chordirektor der Staatsoper und Leiter der Wiener Sängerknaben) unterrichteten. Historisches Schuhmacherzeichen.
- Nummer 27: Sterbehaus von Leo Santifaller (Generaldirektors des Österreichischen Staatsarchivs und Direktors des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung).
- Nummer 28: "Zu den drei Hacken", um 1800 aus zwei Häusern zusammengebaut; renommiertes altes Gasthaus, in dem viele Prominente verkehrten (Gedenktafel).
- Nummer 30-32 (Seilerstätte 4): Auf dem Straßengrund vor dem Eckbau befand sich das Zacharias-Huber-Haus, in dessen drittem Stockwerk bis etwa 1870 der Primararzt des Allgemeinen Krankenhauses Dr. Joseph Standhartner wohnte; Richard Wagner wohnte bei ihm von Mai bis August 1861. Heutiges Haus 1937 mit Unterstützung des Wiener Assanierungsfonds errichtet.
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
- ab 1863: Pfarre St. Stefan
Quellen
Literatur
- Josef Bergauer: Das klingende Wien. Erinnerungsstätten berühmter Tondichter. Wien: Günther 1946, S. 27 ff.
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 164 ff.
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 156 ff.
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Margarete Girardi: Wiener Höfe einst und jetzt. Wien: Müller 1947 (Beiträge zur Geschichte, Kultur- und Kunstgeschichte der Stadt Wien, 4), S. 45, S. 48, S. 55
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 483
- Hugo Hassinger: Kunsthistorischer Atlas der k.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien und Verzeichnis der erhaltenswerten historischen, Kunst- und Naturdenkmale des Wiener Stadtbildes. Wien: Schroll 1916 (Österreichische Kunsttopographie, 15), S. 80 f.
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 597 ff.
- Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 10, S. 52 f.
- Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), S. 83 ff.
- Leopold Mazakarini: Kleiner Führer durch Wien: Die Singerstrasse. Band 10. Wien: Gesellschaft für Natur- und Heimatkunde 1979.
- Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 22)
- Gabriele Praschl-Bichler: Wien speziell. Architektur des Barock. Wo finde ich Schlösser, Palais, Öffentliche Profanbauten, Kirchen, Klöster, Bürgerhäuser, Denkmäler, Brunnen, Museen, Sammlungen in Wien. Wien: Christian Brandstätter Verlag 1990, S. 76 ff.
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 88 f.
- Andreas Suttner: Das schwarze Wien. Bautätigkeit im Ständestaat. Wien: Böhlau 2017
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 81 ff.
- Siegfried Weyr: Wien. Magie der Inneren Stadt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1968, S. 73 ff.
- Weitere Literatur bei den Stichwörtern, auf die verwiesen wird.